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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Entdeckte Merkmahle der Gottheit
im Meere.
Jndem ich jüngst, bey starkem Sturm, allein am Meeres-
Strande stand,
Betrachtet' ich die rege Fläche. Jch sah die Brandungen
der Wellen
Aus ihren Tiefen sich erhöhn, sich bäumen, wallen, brausen,
schwellen,
Mit einem knirschenden Geräusch, ja recht, mit einem heisern
Bellen,
Das Ufer zu verschlingen drohn, und auf den widersteh'nden
Strand
Beschäumt von oben abwerts stürzen, bald aber wieder
rückwerts fliehn,
Und, von der Tief' als eingeschlurft, oft selbst die Steine
mit sich ziehn,
Den plötzlich überschwemmten Sand entblößt, verödet,
schnell verlassen,
Bald aber, wie sie ihn aufs neu bedeckten, überstürzten,
frassen.
Es schwamm, mit diesen regen Bergen, mein oft mit-
weggerißner Blick,
Vom Ufer ab und in die Tiefe, bald plötzlich wiederum
zurück.
Nachdem ich nun auf diesen Ufern, der wilden Fluht ver-
haßten Banden,
Mit ganz vom Sturm zerzaustem Haar, besprützet, lange
still gestanden,
Und das entsetzliche Gewühl der aufgebrachten Wasser-
Welt,
(Die
Entdeckte Merkmahle der Gottheit
im Meere.
Jndem ich juͤngſt, bey ſtarkem Sturm, allein am Meeres-
Strande ſtand,
Betrachtet’ ich die rege Flaͤche. Jch ſah die Brandungen
der Wellen
Aus ihren Tiefen ſich erhoͤhn, ſich baͤumen, wallen, brauſen,
ſchwellen,
Mit einem knirſchenden Geraͤuſch, ja recht, mit einem heiſern
Bellen,
Das Ufer zu verſchlingen drohn, und auf den widerſteh’nden
Strand
Beſchaͤumt von oben abwerts ſtuͤrzen, bald aber wieder
ruͤckwerts fliehn,
Und, von der Tief’ als eingeſchlurft, oft ſelbſt die Steine
mit ſich ziehn,
Den ploͤtzlich uͤberſchwemmten Sand entbloͤßt, veroͤdet,
ſchnell verlaſſen,
Bald aber, wie ſie ihn aufs neu bedeckten, uͤberſtuͤrzten,
fraſſen.
Es ſchwamm, mit dieſen regen Bergen, mein oft mit-
weggerißner Blick,
Vom Ufer ab und in die Tiefe, bald ploͤtzlich wiederum
zuruͤck.
Nachdem ich nun auf dieſen Ufern, der wilden Fluht ver-
haßten Banden,
Mit ganz vom Sturm zerzauſtem Haar, beſpruͤtzet, lange
ſtill geſtanden,
Und das entſetzliche Gewuͤhl der aufgebrachten Waſſer-
Welt,
(Die
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[109/0127] Entdeckte Merkmahle der Gottheit im Meere. Jndem ich juͤngſt, bey ſtarkem Sturm, allein am Meeres- Strande ſtand, Betrachtet’ ich die rege Flaͤche. Jch ſah die Brandungen der Wellen Aus ihren Tiefen ſich erhoͤhn, ſich baͤumen, wallen, brauſen, ſchwellen, Mit einem knirſchenden Geraͤuſch, ja recht, mit einem heiſern Bellen, Das Ufer zu verſchlingen drohn, und auf den widerſteh’nden Strand Beſchaͤumt von oben abwerts ſtuͤrzen, bald aber wieder ruͤckwerts fliehn, Und, von der Tief’ als eingeſchlurft, oft ſelbſt die Steine mit ſich ziehn, Den ploͤtzlich uͤberſchwemmten Sand entbloͤßt, veroͤdet, ſchnell verlaſſen, Bald aber, wie ſie ihn aufs neu bedeckten, uͤberſtuͤrzten, fraſſen. Es ſchwamm, mit dieſen regen Bergen, mein oft mit- weggerißner Blick, Vom Ufer ab und in die Tiefe, bald ploͤtzlich wiederum zuruͤck. Nachdem ich nun auf dieſen Ufern, der wilden Fluht ver- haßten Banden, Mit ganz vom Sturm zerzauſtem Haar, beſpruͤtzet, lange ſtill geſtanden, Und das entſetzliche Gewuͤhl der aufgebrachten Waſſer- Welt, (Die

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/127>, abgerufen am 21.11.2024.