Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
"Zähne, sie zu zerbeissen und zu kauen, einen Ma-
"gen,
sie zu verdauen, gegeben; und was mich am
"meisten zum Lobe verbindet: So thut er zu allen
"denen Gütern, womit er mich überschüttet, noch
"den unschätzbaren Vortheil hinzu, daß ich den
"Urheber derselben erkennen, und sie, seinem Willen
"gemäß, gebrauchen kann. Wie? fähret dieser
"Epictetus fort, ist es also nicht billig, da alle
"Menschen, was die Vorsehung betrifft, in eine
"Schlafsucht gefallen sind, daß einer, in ihrer aller
"Namen, öffentliche Lobgesänge und Lieder ihr zu
"Ehren anstimmet? Was kann ein schwacher und
"lahmer Greis, wie ich bin, anders thun, als daß
"er das Lob Gottes erhebet? Wenn ich eine Nach-
"tigall, oder ein Schwan wäre: So würde ich
"singen, weil ich darzu erschaffen wäre. Nun aber
"habe ich Vernunft. Jch muß also GOtt Lob sin-
"gen. Dieß ist mein Amt und mein Werk. Jch
"verrichte dasselbe ordentlich, und werde nicht auf-
"hören, dasselbe zu verrichten, so lange noch ein le-
"bendiger Athem in mir seyn wird. Jch ermahne
"euch, eben das zu thun."

Der Herr Brockes hat seine Pflichten erfüllet,
und schon so oft in aller Namen Lob-Lieder ange-
stimmet, die auch vielleicht in vielen Seelen Andacht,
Erkenntlichkeit und Dank-Begierde erreget haben.

Sechs
* 5

Vorbericht.
Zaͤhne, ſie zu zerbeiſſen und zu kauen, einen Ma-
„gen,
ſie zu verdauen, gegeben; und was mich am
„meiſten zum Lobe verbindet: So thut er zu allen
„denen Guͤtern, womit er mich uͤberſchuͤttet, noch
„den unſchaͤtzbaren Vortheil hinzu, daß ich den
Urheber derſelben erkennen, und ſie, ſeinem Willen
„gemaͤß, gebrauchen kann. Wie? faͤhret dieſer
„Epictetus fort, iſt es alſo nicht billig, da alle
„Menſchen, was die Vorſehung betrifft, in eine
„Schlafſucht gefallen ſind, daß einer, in ihrer aller
„Namen, oͤffentliche Lobgeſaͤnge und Lieder ihr zu
„Ehren anſtimmet? Was kann ein ſchwacher und
„lahmer Greis, wie ich bin, anders thun, als daß
„er das Lob Gottes erhebet? Wenn ich eine Nach-
„tigall, oder ein Schwan waͤre: So wuͤrde ich
„ſingen, weil ich darzu erſchaffen waͤre. Nun aber
„habe ich Vernunft. Jch muß alſo GOtt Lob ſin-
„gen. Dieß iſt mein Amt und mein Werk. Jch
„verrichte daſſelbe ordentlich, und werde nicht auf-
„hoͤren, daſſelbe zu verrichten, ſo lange noch ein le-
„bendiger Athem in mir ſeyn wird. Jch ermahne
„euch, eben das zu thun.”

Der Herr Brockes hat ſeine Pflichten erfuͤllet,
und ſchon ſo oft in aller Namen Lob-Lieder ange-
ſtimmet, die auch vielleicht in vielen Seelen Andacht,
Erkenntlichkeit und Dank-Begierde erreget haben.

Sechs
* 5
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p>
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0013"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht.</hi></fw><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">Za&#x0364;hne,</hi> &#x017F;ie zu zerbei&#x017F;&#x017F;en und zu kauen, einen <hi rendition="#fr">Ma-<lb/>
&#x201E;gen,</hi> &#x017F;ie zu verdauen, gegeben; und was mich am<lb/>
&#x201E;mei&#x017F;ten zum Lobe verbindet: So thut er zu allen<lb/>
&#x201E;denen Gu&#x0364;tern, womit er mich u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;ttet, noch<lb/>
&#x201E;den un&#x017F;cha&#x0364;tzbaren Vortheil hinzu, daß ich den<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">Urheber</hi> der&#x017F;elben erkennen, und &#x017F;ie, &#x017F;einem Willen<lb/>
&#x201E;gema&#x0364;ß, gebrauchen kann. Wie? fa&#x0364;hret die&#x017F;er<lb/>
&#x201E;Epictetus fort, i&#x017F;t es al&#x017F;o nicht billig, da alle<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen, was die Vor&#x017F;ehung betrifft, in eine<lb/>
&#x201E;Schlaf&#x017F;ucht gefallen &#x017F;ind, daß einer, in ihrer aller<lb/>
&#x201E;Namen, o&#x0364;ffentliche Lobge&#x017F;a&#x0364;nge und Lieder ihr zu<lb/>
&#x201E;Ehren an&#x017F;timmet? Was kann ein &#x017F;chwacher und<lb/>
&#x201E;lahmer Greis, wie ich bin, anders thun, als daß<lb/>
&#x201E;er das Lob Gottes erhebet? Wenn ich eine Nach-<lb/>
&#x201E;tigall, oder ein Schwan wa&#x0364;re: So wu&#x0364;rde ich<lb/>
&#x201E;&#x017F;ingen, weil ich darzu er&#x017F;chaffen wa&#x0364;re. Nun aber<lb/>
&#x201E;habe ich <hi rendition="#fr">Vernunft.</hi> Jch muß al&#x017F;o GOtt Lob &#x017F;in-<lb/>
&#x201E;gen. Dieß i&#x017F;t mein Amt und mein Werk. Jch<lb/>
&#x201E;verrichte da&#x017F;&#x017F;elbe ordentlich, und werde nicht auf-<lb/>
&#x201E;ho&#x0364;ren, da&#x017F;&#x017F;elbe zu verrichten, &#x017F;o lange noch ein le-<lb/>
&#x201E;bendiger Athem in mir &#x017F;eyn wird. Jch ermahne<lb/>
&#x201E;euch, eben das zu thun.&#x201D;</quote>
          </cit>
        </p><lb/>
        <p>Der Herr <hi rendition="#fr">Brockes</hi> hat &#x017F;eine Pflichten erfu&#x0364;llet,<lb/>
und &#x017F;chon &#x017F;o oft in aller Namen Lob-Lieder ange-<lb/>
&#x017F;timmet, die auch vielleicht in vielen Seelen Andacht,<lb/>
Erkenntlichkeit und Dank-Begierde erreget haben.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">* 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Sechs</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0013] Vorbericht. „Zaͤhne, ſie zu zerbeiſſen und zu kauen, einen Ma- „gen, ſie zu verdauen, gegeben; und was mich am „meiſten zum Lobe verbindet: So thut er zu allen „denen Guͤtern, womit er mich uͤberſchuͤttet, noch „den unſchaͤtzbaren Vortheil hinzu, daß ich den „Urheber derſelben erkennen, und ſie, ſeinem Willen „gemaͤß, gebrauchen kann. Wie? faͤhret dieſer „Epictetus fort, iſt es alſo nicht billig, da alle „Menſchen, was die Vorſehung betrifft, in eine „Schlafſucht gefallen ſind, daß einer, in ihrer aller „Namen, oͤffentliche Lobgeſaͤnge und Lieder ihr zu „Ehren anſtimmet? Was kann ein ſchwacher und „lahmer Greis, wie ich bin, anders thun, als daß „er das Lob Gottes erhebet? Wenn ich eine Nach- „tigall, oder ein Schwan waͤre: So wuͤrde ich „ſingen, weil ich darzu erſchaffen waͤre. Nun aber „habe ich Vernunft. Jch muß alſo GOtt Lob ſin- „gen. Dieß iſt mein Amt und mein Werk. Jch „verrichte daſſelbe ordentlich, und werde nicht auf- „hoͤren, daſſelbe zu verrichten, ſo lange noch ein le- „bendiger Athem in mir ſeyn wird. Jch ermahne „euch, eben das zu thun.” Der Herr Brockes hat ſeine Pflichten erfuͤllet, und ſchon ſo oft in aller Namen Lob-Lieder ange- ſtimmet, die auch vielleicht in vielen Seelen Andacht, Erkenntlichkeit und Dank-Begierde erreget haben. Sechs * 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/13
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/13>, abgerufen am 21.11.2024.