Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Unsterblichkeit der Seele.
Die richtige Vergänglichkeit der cörperlichen Creatu-
ren
Zeigt eines Schöpfers weise Macht. Der Seelen Daur
allein giebt Spuren
Von GOttes weis- und ew'gen Liebe. Wenn wir derselben
Daur nicht glauben,
Was thun wir sonst, als daß wir GOtt der besten Eigenschaft
berauben,
Und, statt wir hier, nach allen Kräften, die Gottheit schuldig
seyn zu ehren,
Selbst GOtt so viel an uns verkleinern, uns gleichsam wider
GOtt erklären.
Ja wie, wenn kein Geschöpfe wäre, wir nichts vom Schöpfer
wissen könnten;
So würden, wenn wir von der Seele derselben stete Dauer
trennten,
Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hörte mit dem
Lebens-Lauf,
Und wenn des Cörpers Stoff sich trennet, auch unsrer Seelen
Wesen auf;
So wär, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch für uns kein
GOtt vorhanden,
Und, wären wir, da auf der Welt,
Die wahre Tugend selten Lohn, das Laster selten Straf'
erhätt,
So gut als wie von Ungefehr, und sonder einen GOtt,
entstanden.
So
Unſterblichkeit der Seele.
Die richtige Vergaͤnglichkeit der coͤrperlichen Creatu-
ren
Zeigt eines Schoͤpfers weiſe Macht. Der Seelen Daur
allein giebt Spuren
Von GOttes weiſ- und ew’gen Liebe. Wenn wir derſelben
Daur nicht glauben,
Was thun wir ſonſt, als daß wir GOtt der beſten Eigenſchaft
berauben,
Und, ſtatt wir hier, nach allen Kraͤften, die Gottheit ſchuldig
ſeyn zu ehren,
Selbſt GOtt ſo viel an uns verkleinern, uns gleichſam wider
GOtt erklaͤren.
Ja wie, wenn kein Geſchoͤpfe waͤre, wir nichts vom Schoͤpfer
wiſſen koͤnnten;
So wuͤrden, wenn wir von der Seele derſelben ſtete Dauer
trennten,
Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hoͤrte mit dem
Lebens-Lauf,
Und wenn des Coͤrpers Stoff ſich trennet, auch unſrer Seelen
Weſen auf;
So waͤr, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch fuͤr uns kein
GOtt vorhanden,
Und, waͤren wir, da auf der Welt,
Die wahre Tugend ſelten Lohn, das Laſter ſelten Straf’
erhaͤtt,
So gut als wie von Ungefehr, und ſonder einen GOtt,
entſtanden.
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0138" n="120"/>
              <fw place="top" type="header">Un&#x017F;terblichkeit der Seele.</fw><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Die richtige Verga&#x0364;nglichkeit der co&#x0364;rperlichen Creatu-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ren</hi> </l><lb/>
                <l>Zeigt eines Scho&#x0364;pfers wei&#x017F;e Macht. Der Seelen Daur</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">allein giebt Spuren</hi> </l><lb/>
                <l>Von GOttes wei&#x017F;- und ew&#x2019;gen Liebe. Wenn wir der&#x017F;elben</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Daur nicht glauben,</hi> </l><lb/>
                <l>Was thun wir &#x017F;on&#x017F;t, als daß wir GOtt der be&#x017F;ten Eigen&#x017F;chaft</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">berauben,</hi> </l><lb/>
                <l>Und, &#x017F;tatt wir hier, nach allen Kra&#x0364;ften, die Gottheit &#x017F;chuldig</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;eyn zu ehren,</hi> </l><lb/>
                <l>Selb&#x017F;t GOtt &#x017F;o viel an uns verkleinern, uns gleich&#x017F;am wider</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">GOtt erkla&#x0364;ren.</hi> </l><lb/>
                <l>Ja wie, wenn kein Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe wa&#x0364;re, wir nichts vom Scho&#x0364;pfer</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">wi&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnten;</hi> </l><lb/>
                <l>So wu&#x0364;rden, wenn wir von der Seele der&#x017F;elben &#x017F;tete Dauer</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">trennten,</hi> </l><lb/>
                <l>Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, ho&#x0364;rte mit dem</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Lebens-Lauf,</hi> </l><lb/>
                <l>Und wenn des Co&#x0364;rpers Stoff &#x017F;ich trennet, auch un&#x017F;rer Seelen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">We&#x017F;en auf;</hi> </l><lb/>
                <l>So wa&#x0364;r, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch fu&#x0364;r uns kein</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">GOtt vorhanden,</hi> </l><lb/>
                <l>Und, wa&#x0364;ren wir, da auf der Welt,</l><lb/>
                <l>Die wahre Tugend &#x017F;elten Lohn, das La&#x017F;ter &#x017F;elten Straf&#x2019;</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">erha&#x0364;tt,</hi> </l><lb/>
                <l>So gut als wie von Ungefehr, und &#x017F;onder einen GOtt,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ent&#x017F;tanden.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0138] Unſterblichkeit der Seele. Die richtige Vergaͤnglichkeit der coͤrperlichen Creatu- ren Zeigt eines Schoͤpfers weiſe Macht. Der Seelen Daur allein giebt Spuren Von GOttes weiſ- und ew’gen Liebe. Wenn wir derſelben Daur nicht glauben, Was thun wir ſonſt, als daß wir GOtt der beſten Eigenſchaft berauben, Und, ſtatt wir hier, nach allen Kraͤften, die Gottheit ſchuldig ſeyn zu ehren, Selbſt GOtt ſo viel an uns verkleinern, uns gleichſam wider GOtt erklaͤren. Ja wie, wenn kein Geſchoͤpfe waͤre, wir nichts vom Schoͤpfer wiſſen koͤnnten; So wuͤrden, wenn wir von der Seele derſelben ſtete Dauer trennten, Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hoͤrte mit dem Lebens-Lauf, Und wenn des Coͤrpers Stoff ſich trennet, auch unſrer Seelen Weſen auf; So waͤr, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch fuͤr uns kein GOtt vorhanden, Und, waͤren wir, da auf der Welt, Die wahre Tugend ſelten Lohn, das Laſter ſelten Straf’ erhaͤtt, So gut als wie von Ungefehr, und ſonder einen GOtt, entſtanden. So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/138
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/138>, abgerufen am 21.11.2024.