Ein solcher Schatz von vieler Anmuht erfüllt mit Wundern unsre Welt, Wenn ein entwölkter Frühlings-Tag allmählich in den Abend fällt. Doch hört die gütige Natur, auch noch nicht einst im Dun- keln, auf, Uns neue Schätze zu verschwenden, mit neuer Lust uns zu beglücken, Und, da sie nicht die Erde kann, für uns den Himmel, auszuschmücken. Des Mondes Silber-weisser Kreis beschleunigt seinen hel- len Lauf Jn reiner Luft noch einst so rein. Es sind an den sapphir- nen Höhen Viel tausend schütternde Brillanten im hellen Sternen- Heer zu sehen.
Jst es nun möglich und begreiflich, in solcher Anmuht Fluht zu schwimmen, Jn einer mit so schönen Wundern ganz angefüllten Welt zu leben, Wo so viel tausend Herrlichkeiten an allen Orten uns um- geben, Und doch dieselben nicht bemerken, um Dem ein Loblied anzustimmen, Der sie so überschwenglich schenkt! Kann wohl ein Mensch mit Recht verlangen, Er habe einen weisen Geist und eine kluge Seel' empfangen, Da er doch in dem größten Vorwurf, in welchem man den Schöpfer ehrt,
Nicht
Zur Fruͤhlings-Nacht.
Ein ſolcher Schatz von vieler Anmuht erfuͤllt mit Wundern unſre Welt, Wenn ein entwoͤlkter Fruͤhlings-Tag allmaͤhlich in den Abend faͤllt. Doch hoͤrt die guͤtige Natur, auch noch nicht einſt im Dun- keln, auf, Uns neue Schaͤtze zu verſchwenden, mit neuer Luſt uns zu begluͤcken, Und, da ſie nicht die Erde kann, fuͤr uns den Himmel, auszuſchmuͤcken. Des Mondes Silber-weiſſer Kreis beſchleunigt ſeinen hel- len Lauf Jn reiner Luft noch einſt ſo rein. Es ſind an den ſapphir- nen Hoͤhen Viel tauſend ſchuͤtternde Brillanten im hellen Sternen- Heer zu ſehen.
Jſt es nun moͤglich und begreiflich, in ſolcher Anmuht Fluht zu ſchwimmen, Jn einer mit ſo ſchoͤnen Wundern ganz angefuͤllten Welt zu leben, Wo ſo viel tauſend Herrlichkeiten an allen Orten uns um- geben, Und doch dieſelben nicht bemerken, um Dem ein Loblied anzuſtimmen, Der ſie ſo uͤberſchwenglich ſchenkt! Kann wohl ein Menſch mit Recht verlangen, Er habe einen weiſen Geiſt und eine kluge Seel’ empfangen, Da er doch in dem groͤßten Vorwurf, in welchem man den Schoͤpfer ehrt,
Nicht
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Zur Fruͤhlings-Nacht.
Ein ſolcher Schatz von vieler Anmuht erfuͤllt mit Wundern
unſre Welt,
Wenn ein entwoͤlkter Fruͤhlings-Tag allmaͤhlich in den
Abend faͤllt.
Doch hoͤrt die guͤtige Natur, auch noch nicht einſt im Dun-
keln, auf,
Uns neue Schaͤtze zu verſchwenden, mit neuer Luſt uns
zu begluͤcken,
Und, da ſie nicht die Erde kann, fuͤr uns den Himmel,
auszuſchmuͤcken.
Des Mondes Silber-weiſſer Kreis beſchleunigt ſeinen hel-
len Lauf
Jn reiner Luft noch einſt ſo rein. Es ſind an den ſapphir-
nen Hoͤhen
Viel tauſend ſchuͤtternde Brillanten im hellen Sternen-
Heer zu ſehen.
Jſt es nun moͤglich und begreiflich, in ſolcher Anmuht
Fluht zu ſchwimmen,
Jn einer mit ſo ſchoͤnen Wundern ganz angefuͤllten Welt
zu leben,
Wo ſo viel tauſend Herrlichkeiten an allen Orten uns um-
geben,
Und doch dieſelben nicht bemerken, um Dem ein Loblied
anzuſtimmen,
Der ſie ſo uͤberſchwenglich ſchenkt! Kann wohl ein Menſch
mit Recht verlangen,
Er habe einen weiſen Geiſt und eine kluge Seel’ empfangen,
Da er doch in dem groͤßten Vorwurf, in welchem man
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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