Jnzwischen daß die Turteltauben der andern fröhlichen Ge- sängen, Oft ein verliebtes Klag-Getön sanft-girrend suchen einzu- mengen.
Der Vögel ganze Lust ist Liebe. Derselben ganze Harmo- nie Jst bloß der Liebe Stimm' allein, die, so den Vögeln als dem Vieh Die Künste, zu gefallen, lehrt. Die Liebe lehrt sie freundlich seyn, Und präget ihren kleinen Seelen ein flatternd höflichs Wesen ein. Zu Anfang fliegen sie von weiten auf eine ehrerbietge Weise, Und machen in der dünnen Luft erst grössere, dann kleine Kreise. Dahin geht ihr, aus tausend Streichen und Wendungen, gefügt Bemühn, Den Blick der unachtsamen Liebsten, der abgewandt, auf sich zu ziehn. Sie scheinet kaum so bald ein wenig dem regen Antrag beyzupflichten, Als, mit verschönertem Gefieder, voll Hoffnung, er sich zu ihr fügt. Gleich aber, mit geschwinder Fahrt, verwirret, wieder rück- werts fliegt; Dann wiederkommt, und endlich sucht bey ihr das Aeusserst' auszurichten, Wozu die strenge Lieb' ihn spornt, da sich die bunten Flügel drehn, Sich spreizend von einander breiten, und wir an ihm, da er vergnügt, Fast alle Federn für Begierde sich dehnen und bewegen sehn.
So
Fruͤhlings-Gedicht.
Jnzwiſchen daß die Turteltauben der andern froͤhlichen Ge- ſaͤngen, Oft ein verliebtes Klag-Getoͤn ſanft-girrend ſuchen einzu- mengen.
Der Voͤgel ganze Luſt iſt Liebe. Derſelben ganze Harmo- nie Jſt bloß der Liebe Stimm’ allein, die, ſo den Voͤgeln als dem Vieh Die Kuͤnſte, zu gefallen, lehrt. Die Liebe lehrt ſie freundlich ſeyn, Und praͤget ihren kleinen Seelen ein flatternd hoͤflichs Weſen ein. Zu Anfang fliegen ſie von weiten auf eine ehrerbietge Weiſe, Und machen in der duͤnnen Luft erſt groͤſſere, dann kleine Kreiſe. Dahin geht ihr, aus tauſend Streichen und Wendungen, gefuͤgt Bemuͤhn, Den Blick der unachtſamen Liebſten, der abgewandt, auf ſich zu ziehn. Sie ſcheinet kaum ſo bald ein wenig dem regen Antrag beyzupflichten, Als, mit verſchoͤnertem Gefieder, voll Hoffnung, er ſich zu ihr fuͤgt. Gleich aber, mit geſchwinder Fahrt, verwirret, wieder ruͤck- werts fliegt; Dann wiederkommt, und endlich ſucht bey ihr das Aeuſſerſt’ auszurichten, Wozu die ſtrenge Lieb’ ihn ſpornt, da ſich die bunten Fluͤgel drehn, Sich ſpreizend von einander breiten, und wir an ihm, da er vergnuͤgt, Faſt alle Federn fuͤr Begierde ſich dehnen und bewegen ſehn.
So
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Fruͤhlings-Gedicht.
Jnzwiſchen daß die Turteltauben der andern froͤhlichen Ge-
ſaͤngen,
Oft ein verliebtes Klag-Getoͤn ſanft-girrend ſuchen einzu-
mengen.
Der Voͤgel ganze Luſt iſt Liebe. Derſelben ganze Harmo-
nie
Jſt bloß der Liebe Stimm’ allein, die, ſo den Voͤgeln als dem
Vieh
Die Kuͤnſte, zu gefallen, lehrt. Die Liebe lehrt ſie freundlich
ſeyn,
Und praͤget ihren kleinen Seelen ein flatternd hoͤflichs Weſen
ein.
Zu Anfang fliegen ſie von weiten auf eine ehrerbietge Weiſe,
Und machen in der duͤnnen Luft erſt groͤſſere, dann kleine
Kreiſe.
Dahin geht ihr, aus tauſend Streichen und Wendungen,
gefuͤgt Bemuͤhn,
Den Blick der unachtſamen Liebſten, der abgewandt, auf ſich
zu ziehn.
Sie ſcheinet kaum ſo bald ein wenig dem regen Antrag
beyzupflichten,
Als, mit verſchoͤnertem Gefieder, voll Hoffnung, er ſich zu ihr
fuͤgt.
Gleich aber, mit geſchwinder Fahrt, verwirret, wieder ruͤck-
werts fliegt;
Dann wiederkommt, und endlich ſucht bey ihr das Aeuſſerſt’
auszurichten,
Wozu die ſtrenge Lieb’ ihn ſpornt, da ſich die bunten Fluͤgel
drehn,
Sich ſpreizend von einander breiten, und wir an ihm, da er
vergnuͤgt,
Faſt alle Federn fuͤr Begierde ſich dehnen und bewegen ſehn.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/58>, abgerufen am 21.11.2024.
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