Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Frühlings-Gedicht.
Sie suchen hie und dort aus Sträuchen, aus Stroh, aus
Mooß und andern Sachen,
So sie in ihren Schnäbeln holen, für ihre Zucht ein Nest zu
machen.
Wie nun bey uns das zahme Vieh die Macht der holden
Liebe fühlt,
So merkt man, wie die süsse Flamme auch in den wilden
Thieren wühlt.
Es brüllt der starke Stier voll Brunst, und sucht mit ange-
flammtem Lauf
Bald die geliebte glatte Kuh, bald seinen frechen Gegner auf
Die gelbe Löwinn sucht den Löwen, mit ihm sich brünstig zu
vermischen.
Der lahme Wolf lechzt nach der Wölfinn; der plumpe Bär,
in dunklen Büschen,
Begehet sich mit seiner Bärinn. Der bunte Tyger, dessen
Grimm
Fast aller Grimm noch übertrifft, macht, durch die fürchter-
liche Stimm,
Sein schrecklich Liebes-Feuer kund. Der holde Frühling
läßt so gar
Selbst in des Meeres tiefen Gründen der glatt-beschuppten
Fische Schaar,
Ja selbst den grossen Wasser-Wundern, der Liebe süsse Flam-
men fühlen.
Woselbst sie bald in dunkler Tiefe, bald auf der hellen
Fläche, spielen.
Doch laßt uns dort die Schäfer sehn, und ihre Feldschall-
meyen hören!
Sie sitzen dort auf einem Hügel, sehn ihre Heerd' im Grase
gehn,
Worinn
Fruͤhlings-Gedicht.
Sie ſuchen hie und dort aus Straͤuchen, aus Stroh, aus
Mooß und andern Sachen,
So ſie in ihren Schnaͤbeln holen, fuͤr ihre Zucht ein Neſt zu
machen.
Wie nun bey uns das zahme Vieh die Macht der holden
Liebe fuͤhlt,
So merkt man, wie die ſuͤſſe Flamme auch in den wilden
Thieren wuͤhlt.
Es bruͤllt der ſtarke Stier voll Brunſt, und ſucht mit ange-
flammtem Lauf
Bald die geliebte glatte Kuh, bald ſeinen frechen Gegner auf
Die gelbe Loͤwinn ſucht den Loͤwen, mit ihm ſich bruͤnſtig zu
vermiſchen.
Der lahme Wolf lechzt nach der Woͤlfinn; der plumpe Baͤr,
in dunklen Buͤſchen,
Begehet ſich mit ſeiner Baͤrinn. Der bunte Tyger, deſſen
Grimm
Faſt aller Grimm noch uͤbertrifft, macht, durch die fuͤrchter-
liche Stimm,
Sein ſchrecklich Liebes-Feuer kund. Der holde Fruͤhling
laͤßt ſo gar
Selbſt in des Meeres tiefen Gruͤnden der glatt-beſchuppten
Fiſche Schaar,
Ja ſelbſt den groſſen Waſſer-Wundern, der Liebe ſuͤſſe Flam-
men fuͤhlen.
Woſelbſt ſie bald in dunkler Tiefe, bald auf der hellen
Flaͤche, ſpielen.
Doch laßt uns dort die Schaͤfer ſehn, und ihre Feldſchall-
meyen hoͤren!
Sie ſitzen dort auf einem Huͤgel, ſehn ihre Heerd’ im Graſe
gehn,
Worinn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0064" n="46"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fru&#x0364;hlings-Gedicht.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="23">
                <l>Sie &#x017F;uchen hie und dort aus Stra&#x0364;uchen, aus Stroh, aus</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Mooß und andern Sachen,</hi> </l><lb/>
                <l>So &#x017F;ie in ihren Schna&#x0364;beln holen, fu&#x0364;r ihre Zucht ein Ne&#x017F;t zu</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">machen.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="24">
                <l>Wie nun bey uns das zahme Vieh die Macht der holden</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Liebe fu&#x0364;hlt,</hi> </l><lb/>
                <l>So merkt man, wie die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Flamme auch in den wilden</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Thieren wu&#x0364;hlt.</hi> </l><lb/>
                <l>Es bru&#x0364;llt der &#x017F;tarke Stier voll Brun&#x017F;t, und &#x017F;ucht mit ange-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">flammtem Lauf</hi> </l><lb/>
                <l>Bald die geliebte glatte Kuh, bald &#x017F;einen frechen Gegner auf</l><lb/>
                <l>Die gelbe Lo&#x0364;winn &#x017F;ucht den Lo&#x0364;wen, mit ihm &#x017F;ich bru&#x0364;n&#x017F;tig zu</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">vermi&#x017F;chen.</hi> </l><lb/>
                <l>Der lahme Wolf lechzt nach der Wo&#x0364;lfinn; der plumpe Ba&#x0364;r,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">in dunklen Bu&#x0364;&#x017F;chen,</hi> </l><lb/>
                <l>Begehet &#x017F;ich mit &#x017F;einer Ba&#x0364;rinn. Der bunte Tyger, de&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Grimm</hi> </l><lb/>
                <l>Fa&#x017F;t aller Grimm noch u&#x0364;bertrifft, macht, durch die fu&#x0364;rchter-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">liche Stimm,</hi> </l><lb/>
                <l>Sein &#x017F;chrecklich Liebes-Feuer kund. Der holde Fru&#x0364;hling</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">la&#x0364;ßt &#x017F;o gar</hi> </l><lb/>
                <l>Selb&#x017F;t in des Meeres tiefen Gru&#x0364;nden der glatt-be&#x017F;chuppten</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Fi&#x017F;che Schaar,</hi> </l><lb/>
                <l>Ja &#x017F;elb&#x017F;t den gro&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;er-Wundern, der Liebe &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Flam-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">men fu&#x0364;hlen.</hi> </l><lb/>
                <l>Wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie bald in dunkler Tiefe, bald auf der hellen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Fla&#x0364;che, &#x017F;pielen.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="25">
                <l>Doch laßt uns dort die Scha&#x0364;fer &#x017F;ehn, und ihre Feld&#x017F;chall-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">meyen ho&#x0364;ren!</hi> </l><lb/>
                <l>Sie &#x017F;itzen dort auf einem Hu&#x0364;gel, &#x017F;ehn ihre Heerd&#x2019; im Gra&#x017F;e</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gehn,</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Worinn</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0064] Fruͤhlings-Gedicht. Sie ſuchen hie und dort aus Straͤuchen, aus Stroh, aus Mooß und andern Sachen, So ſie in ihren Schnaͤbeln holen, fuͤr ihre Zucht ein Neſt zu machen. Wie nun bey uns das zahme Vieh die Macht der holden Liebe fuͤhlt, So merkt man, wie die ſuͤſſe Flamme auch in den wilden Thieren wuͤhlt. Es bruͤllt der ſtarke Stier voll Brunſt, und ſucht mit ange- flammtem Lauf Bald die geliebte glatte Kuh, bald ſeinen frechen Gegner auf Die gelbe Loͤwinn ſucht den Loͤwen, mit ihm ſich bruͤnſtig zu vermiſchen. Der lahme Wolf lechzt nach der Woͤlfinn; der plumpe Baͤr, in dunklen Buͤſchen, Begehet ſich mit ſeiner Baͤrinn. Der bunte Tyger, deſſen Grimm Faſt aller Grimm noch uͤbertrifft, macht, durch die fuͤrchter- liche Stimm, Sein ſchrecklich Liebes-Feuer kund. Der holde Fruͤhling laͤßt ſo gar Selbſt in des Meeres tiefen Gruͤnden der glatt-beſchuppten Fiſche Schaar, Ja ſelbſt den groſſen Waſſer-Wundern, der Liebe ſuͤſſe Flam- men fuͤhlen. Woſelbſt ſie bald in dunkler Tiefe, bald auf der hellen Flaͤche, ſpielen. Doch laßt uns dort die Schaͤfer ſehn, und ihre Feldſchall- meyen hoͤren! Sie ſitzen dort auf einem Huͤgel, ſehn ihre Heerd’ im Graſe gehn, Worinn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/64
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/64>, abgerufen am 18.05.2024.