Nachdem ich öfters, mit Betrüben, woher die Menschen doch so blind, Den Schöpfer, in den Creaturen, zu sehn und zu bewundern, sind, Betrachtet, überlegt, erwogen, Und es, mit bitterer Betrübniß, im mehreren Betracht gezogen; So fand ich bey dem grossen Newton jüngst etwas, so es mir erklärte; Jndem er, daß man sonder Kunst und ohn' Vernunft nicht sehe, lehrte. Er schreibet: Daß ein Blindgebohrner, den ein vernünft'ger Arzt geheilt, Nachdem er ihm den Brauch der Augen, durch Kunst, und glücklich mitgetheilt, Zwar Cörper gleich erblicken können, doch, ob er selbe in der Nähe, Wie oder in der Ferne, sehe, Ob selbe groß, ob selbe klein, das hätte sich von ihm nicht fassen, Und sonder Prob', Erfahrung, Zeit, durchaus nicht unter- scheiden lassen. Bis er, nach vieler Zeit und Müh', zu dieser Wahrheit erst gekommen, Und, durch ein aufmerksames Denken, der Dinge Zustand erst vernommen.
Dieß
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Ueberzeugendes Exempel.
Nachdem ich oͤfters, mit Betruͤben, woher die Menſchen doch ſo blind, Den Schoͤpfer, in den Creaturen, zu ſehn und zu bewundern, ſind, Betrachtet, uͤberlegt, erwogen, Und es, mit bitterer Betruͤbniß, im mehreren Betracht gezogen; So fand ich bey dem groſſen Newton juͤngſt etwas, ſo es mir erklaͤrte; Jndem er, daß man ſonder Kunſt und ohn’ Vernunft nicht ſehe, lehrte. Er ſchreibet: Daß ein Blindgebohrner, den ein vernuͤnft’ger Arzt geheilt, Nachdem er ihm den Brauch der Augen, durch Kunſt, und gluͤcklich mitgetheilt, Zwar Coͤrper gleich erblicken koͤnnen, doch, ob er ſelbe in der Naͤhe, Wie oder in der Ferne, ſehe, Ob ſelbe groß, ob ſelbe klein, das haͤtte ſich von ihm nicht faſſen, Und ſonder Prob’, Erfahrung, Zeit, durchaus nicht unter- ſcheiden laſſen. Bis er, nach vieler Zeit und Muͤh’, zu dieſer Wahrheit erſt gekommen, Und, durch ein aufmerkſames Denken, der Dinge Zuſtand erſt vernommen.
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Ueberzeugendes Exempel.
Nachdem ich oͤfters, mit Betruͤben, woher die Menſchen
doch ſo blind,
Den Schoͤpfer, in den Creaturen, zu ſehn und zu bewundern,
ſind,
Betrachtet, uͤberlegt, erwogen,
Und es, mit bitterer Betruͤbniß, im mehreren Betracht
gezogen;
So fand ich bey dem groſſen Newton juͤngſt etwas, ſo es mir
erklaͤrte;
Jndem er, daß man ſonder Kunſt und ohn’ Vernunft
nicht ſehe, lehrte.
Er ſchreibet: Daß ein Blindgebohrner, den ein vernuͤnft’ger
Arzt geheilt,
Nachdem er ihm den Brauch der Augen, durch Kunſt, und
gluͤcklich mitgetheilt,
Zwar Coͤrper gleich erblicken koͤnnen, doch, ob er ſelbe in
der Naͤhe,
Wie oder in der Ferne, ſehe,
Ob ſelbe groß, ob ſelbe klein, das haͤtte ſich von ihm nicht
faſſen,
Und ſonder Prob’, Erfahrung, Zeit, durchaus nicht unter-
ſcheiden laſſen.
Bis er, nach vieler Zeit und Muͤh’, zu dieſer Wahrheit
erſt gekommen,
Und, durch ein aufmerkſames Denken, der Dinge Zuſtand
erſt vernommen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/683>, abgerufen am 22.11.2024.
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