Geheimnisse der Schrift zu fassen, und selbe deutlich zu erklären, Die doch, wenn sie Erklärung fähig, gar nicht Geheim- nisse mehr wären. Jnzwischen lassen sie die Wunder von GOttes Lieb' und weisen Macht, Jn welchen sie doch gleichsam schwimmen, recht unver- nünftig aus der Acht.
GOtt hat uns auf die Welt gesetzt, um Seine Ehre zu erheben, Er hat uns ungezähltes Gutes, zur Lust und zum Genuß, gegeben. Wir aber achten dieses nichts. Der Geist fliegt in die Höh', wir schweben Aus unserm angewies'nen Ort in einen andern, und ver- gessen, Jn unserm aufgeblas'nen Flug, des Schöpfers Ordnung zu ermessen, Die uns zur Richtschnur dienen sollte, und zwar, ohn' Ausnahm, ganz allein. GOtt will uns hier auf Erden haben, wir wollen nicht auf Erden seyn. Der Geist verschmäht das uns von GOtt allhier gegön- nete Vergnügen, Und sucht, auf seine Weis', ihm Flügel (könnt' er) selbst über GOtt zu fliegen.
Ach, mögten wir doch unsre Pflicht, und in derselben GOttes Willen, Jm angewies'nen Brauch des Geistes, und nicht der Wis- sens-Sucht, erfüllen!
Ach,
Wider den Hochmuht.
Geheimniſſe der Schrift zu faſſen, und ſelbe deutlich zu erklaͤren, Die doch, wenn ſie Erklaͤrung faͤhig, gar nicht Geheim- niſſe mehr waͤren. Jnzwiſchen laſſen ſie die Wunder von GOttes Lieb’ und weiſen Macht, Jn welchen ſie doch gleichſam ſchwimmen, recht unver- nuͤnftig aus der Acht.
GOtt hat uns auf die Welt geſetzt, um Seine Ehre zu erheben, Er hat uns ungezaͤhltes Gutes, zur Luſt und zum Genuß, gegeben. Wir aber achten dieſes nichts. Der Geiſt fliegt in die Hoͤh’, wir ſchweben Aus unſerm angewieſ’nen Ort in einen andern, und ver- geſſen, Jn unſerm aufgeblaſ’nen Flug, des Schoͤpfers Ordnung zu ermeſſen, Die uns zur Richtſchnur dienen ſollte, und zwar, ohn’ Ausnahm, ganz allein. GOtt will uns hier auf Erden haben, wir wollen nicht auf Erden ſeyn. Der Geiſt verſchmaͤht das uns von GOtt allhier gegoͤn- nete Vergnuͤgen, Und ſucht, auf ſeine Weiſ’, ihm Fluͤgel (koͤnnt’ er) ſelbſt uͤber GOtt zu fliegen.
Ach, moͤgten wir doch unſre Pflicht, und in derſelben GOttes Willen, Jm angewieſ’nen Brauch des Geiſtes, und nicht der Wiſ- ſens-Sucht, erfuͤllen!
Ach,
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Wider den Hochmuht.
Geheimniſſe der Schrift zu faſſen, und ſelbe deutlich zu
erklaͤren,
Die doch, wenn ſie Erklaͤrung faͤhig, gar nicht Geheim-
niſſe mehr waͤren.
Jnzwiſchen laſſen ſie die Wunder von GOttes Lieb’ und
weiſen Macht,
Jn welchen ſie doch gleichſam ſchwimmen, recht unver-
nuͤnftig aus der Acht.
GOtt hat uns auf die Welt geſetzt, um Seine Ehre zu
erheben,
Er hat uns ungezaͤhltes Gutes, zur Luſt und zum Genuß,
gegeben.
Wir aber achten dieſes nichts. Der Geiſt fliegt in die
Hoͤh’, wir ſchweben
Aus unſerm angewieſ’nen Ort in einen andern, und ver-
geſſen,
Jn unſerm aufgeblaſ’nen Flug, des Schoͤpfers Ordnung
zu ermeſſen,
Die uns zur Richtſchnur dienen ſollte, und zwar, ohn’
Ausnahm, ganz allein.
GOtt will uns hier auf Erden haben, wir wollen nicht
auf Erden ſeyn.
Der Geiſt verſchmaͤht das uns von GOtt allhier gegoͤn-
nete Vergnuͤgen,
Und ſucht, auf ſeine Weiſ’, ihm Fluͤgel (koͤnnt’ er) ſelbſt
uͤber GOtt zu fliegen.
Ach, moͤgten wir doch unſre Pflicht, und in derſelben
GOttes Willen,
Jm angewieſ’nen Brauch des Geiſtes, und nicht der Wiſ-
ſens-Sucht, erfuͤllen!
Ach,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/721>, abgerufen am 22.11.2024.
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