Warum will man denn unser Denken Auf der Natur Music nicht lenken, Und, uns zur Freude, GOtt zu Ehren, Nicht ihren süssen Wohllaut hören?
Daß mancher Mensch sich nicht daran, Wenn er auch will, vergnügen kann, Beweiset nicht, daß in der That Die Symphonie nichts lieblichs hat; Die Schuld liegt nicht an der Natur, Nein, bloß an ihm alleine nur. Wie können Menschen doch begehren, An Melodeyen Lust zu finden, Wenn sie nach selbigen nicht hören, Und folglich nichts davon empfinden? Wie sehr muß man sich nicht bemüh'n, Durch Kunst erregte Harmonien, Und was in selben süß und schön, Zu kennen und sie zu verstehn! Wie sehr muß man sich nicht bestreben, Bedachtsam darauf Acht zu geben! Ja, wenn wir auch noch einst so süß, So schön und künstlich musiciren, Wird das Concert doch ganz gewiß, Ein Mohr-noch Türkisch Ohr nicht rühren, Weil solches sich, zu andern Tönen, Bemüht gewesen, zu gewöhnen. Dieß Beyspiel zeiget klärlich an, Daß man nicht, sonder Mühe, kann Die Harmonie vernünftig hören. So wundre dich nicht, daß das Schallen Von der Natur Music dir nicht
Ge-
Anmuht des Gehoͤrs.
Warum will man denn unſer Denken Auf der Natur Muſic nicht lenken, Und, uns zur Freude, GOtt zu Ehren, Nicht ihren ſuͤſſen Wohllaut hoͤren?
Daß mancher Menſch ſich nicht daran, Wenn er auch will, vergnuͤgen kann, Beweiſet nicht, daß in der That Die Symphonie nichts lieblichs hat; Die Schuld liegt nicht an der Natur, Nein, bloß an ihm alleine nur. Wie koͤnnen Menſchen doch begehren, An Melodeyen Luſt zu finden, Wenn ſie nach ſelbigen nicht hoͤren, Und folglich nichts davon empfinden? Wie ſehr muß man ſich nicht bemuͤh’n, Durch Kunſt erregte Harmonien, Und was in ſelben ſuͤß und ſchoͤn, Zu kennen und ſie zu verſtehn! Wie ſehr muß man ſich nicht beſtreben, Bedachtſam darauf Acht zu geben! Ja, wenn wir auch noch einſt ſo ſuͤß, So ſchoͤn und kuͤnſtlich muſiciren, Wird das Concert doch ganz gewiß, Ein Mohr-noch Tuͤrkiſch Ohr nicht ruͤhren, Weil ſolches ſich, zu andern Toͤnen, Bemuͤht geweſen, zu gewoͤhnen. Dieß Beyſpiel zeiget klaͤrlich an, Daß man nicht, ſonder Muͤhe, kann Die Harmonie vernuͤnftig hoͤren. So wundre dich nicht, daß das Schallen Von der Natur Muſic dir nicht
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Anmuht des Gehoͤrs.
Warum will man denn unſer Denken
Auf der Natur Muſic nicht lenken,
Und, uns zur Freude, GOtt zu Ehren,
Nicht ihren ſuͤſſen Wohllaut hoͤren?
Daß mancher Menſch ſich nicht daran,
Wenn er auch will, vergnuͤgen kann,
Beweiſet nicht, daß in der That
Die Symphonie nichts lieblichs hat;
Die Schuld liegt nicht an der Natur,
Nein, bloß an ihm alleine nur.
Wie koͤnnen Menſchen doch begehren,
An Melodeyen Luſt zu finden,
Wenn ſie nach ſelbigen nicht hoͤren,
Und folglich nichts davon empfinden?
Wie ſehr muß man ſich nicht bemuͤh’n,
Durch Kunſt erregte Harmonien,
Und was in ſelben ſuͤß und ſchoͤn,
Zu kennen und ſie zu verſtehn!
Wie ſehr muß man ſich nicht beſtreben,
Bedachtſam darauf Acht zu geben!
Ja, wenn wir auch noch einſt ſo ſuͤß,
So ſchoͤn und kuͤnſtlich muſiciren,
Wird das Concert doch ganz gewiß,
Ein Mohr-noch Tuͤrkiſch Ohr nicht ruͤhren,
Weil ſolches ſich, zu andern Toͤnen,
Bemuͤht geweſen, zu gewoͤhnen.
Dieß Beyſpiel zeiget klaͤrlich an,
Daß man nicht, ſonder Muͤhe, kann
Die Harmonie vernuͤnftig hoͤren.
So wundre dich nicht, daß das Schallen
Von der Natur Muſic dir nicht
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/77>, abgerufen am 21.11.2024.
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