Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
Pflichten gewidmet, die Er schon seit vielen Jahren
als ein vernünftiger Zuschauer der Werke Gottes
und als ein Lehrer der Natur ausgeübet hat. Neue
Vorwürfe haben Jhm zu neuen Gedanken Anlaß
gegeben. Die besondere Lage des Orts und die
ungemässene Weite des angrenzenden Meers haben
den Jnhalt derer Betrachtungen hervorgebracht,
die der vernünftige Leser in nachfolgenden Blättern
finden wird.

Die Welt ist in ihrer ganzen Anlage wunder-
bar. Das unendliche Gute auf dem Erdboden
und die unendliche Mannigfaltigkeit derer Geschöpfe
auf demselben wirken bey einem aufmerksamen Zu-
schauer, daß er an allen Orten neue Süßigkeiten
der göttlichen Liebe fühlet und schmecket.

Das Landleben hat indessen seine besondere Vor-
züge. Es giebt tausend Vorwürfe, die zu einem
zärtlichen und vernünftigen Vergnügen anreizen,
und die der Seele eine gewisse sanfte Ruhe und eine
Freyheit verstatten, der sie so oft in der Stadt und
unter dem Gewühl der Menschen entbehren muß.
Daher haben zu allen Zeiten so viele grosse Männer
und Weltweisen das Stadtleben mit der Lieblich-
keit der Wiesen und Stille der Wälder vertauschet,
und an einem rauschenden Bache den Wundern der
Natur nachgedacht. Und eben diesem vernünftigen

Fleiß

Vorbericht.
Pflichten gewidmet, die Er ſchon ſeit vielen Jahren
als ein vernuͤnftiger Zuſchauer der Werke Gottes
und als ein Lehrer der Natur ausgeuͤbet hat. Neue
Vorwuͤrfe haben Jhm zu neuen Gedanken Anlaß
gegeben. Die beſondere Lage des Orts und die
ungemaͤſſene Weite des angrenzenden Meers haben
den Jnhalt derer Betrachtungen hervorgebracht,
die der vernuͤnftige Leſer in nachfolgenden Blaͤttern
finden wird.

Die Welt iſt in ihrer ganzen Anlage wunder-
bar. Das unendliche Gute auf dem Erdboden
und die unendliche Mannigfaltigkeit derer Geſchoͤpfe
auf demſelben wirken bey einem aufmerkſamen Zu-
ſchauer, daß er an allen Orten neue Suͤßigkeiten
der goͤttlichen Liebe fuͤhlet und ſchmecket.

Das Landleben hat indeſſen ſeine beſondere Vor-
zuͤge. Es giebt tauſend Vorwuͤrfe, die zu einem
zaͤrtlichen und vernuͤnftigen Vergnuͤgen anreizen,
und die der Seele eine gewiſſe ſanfte Ruhe und eine
Freyheit verſtatten, der ſie ſo oft in der Stadt und
unter dem Gewuͤhl der Menſchen entbehren muß.
Daher haben zu allen Zeiten ſo viele groſſe Maͤnner
und Weltweiſen das Stadtleben mit der Lieblich-
keit der Wieſen und Stille der Waͤlder vertauſchet,
und an einem rauſchenden Bache den Wundern der
Natur nachgedacht. Und eben dieſem vernuͤnftigen

Fleiß
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht.</hi></fw><lb/>
Pflichten gewidmet, die Er &#x017F;chon &#x017F;eit vielen Jahren<lb/>
als ein vernu&#x0364;nftiger Zu&#x017F;chauer der Werke Gottes<lb/>
und als ein Lehrer der Natur ausgeu&#x0364;bet hat. Neue<lb/>
Vorwu&#x0364;rfe haben Jhm zu neuen Gedanken Anlaß<lb/>
gegeben. Die be&#x017F;ondere Lage des Orts und die<lb/>
ungema&#x0364;&#x017F;&#x017F;ene Weite des angrenzenden Meers haben<lb/>
den Jnhalt derer Betrachtungen hervorgebracht,<lb/>
die der vernu&#x0364;nftige Le&#x017F;er in nachfolgenden Bla&#x0364;ttern<lb/>
finden wird.</p><lb/>
        <p>Die Welt i&#x017F;t in ihrer ganzen Anlage wunder-<lb/>
bar. Das unendliche Gute auf dem Erdboden<lb/>
und die unendliche Mannigfaltigkeit derer Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/>
auf dem&#x017F;elben wirken bey einem aufmerk&#x017F;amen Zu-<lb/>
&#x017F;chauer, daß er an allen Orten neue Su&#x0364;ßigkeiten<lb/>
der go&#x0364;ttlichen Liebe fu&#x0364;hlet und &#x017F;chmecket.</p><lb/>
        <p>Das Landleben hat inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine be&#x017F;ondere Vor-<lb/>
zu&#x0364;ge. Es giebt tau&#x017F;end Vorwu&#x0364;rfe, die zu einem<lb/>
za&#x0364;rtlichen und vernu&#x0364;nftigen Vergnu&#x0364;gen anreizen,<lb/>
und die der Seele eine gewi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;anfte Ruhe und eine<lb/>
Freyheit ver&#x017F;tatten, der &#x017F;ie &#x017F;o oft in der Stadt und<lb/>
unter dem Gewu&#x0364;hl der Men&#x017F;chen entbehren muß.<lb/>
Daher haben zu allen Zeiten &#x017F;o viele gro&#x017F;&#x017F;e Ma&#x0364;nner<lb/>
und Weltwei&#x017F;en das Stadtleben mit der Lieblich-<lb/>
keit der Wie&#x017F;en und Stille der Wa&#x0364;lder vertau&#x017F;chet,<lb/>
und an einem rau&#x017F;chenden Bache den Wundern der<lb/>
Natur nachgedacht. Und eben die&#x017F;em vernu&#x0364;nftigen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fleiß</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0008] Vorbericht. Pflichten gewidmet, die Er ſchon ſeit vielen Jahren als ein vernuͤnftiger Zuſchauer der Werke Gottes und als ein Lehrer der Natur ausgeuͤbet hat. Neue Vorwuͤrfe haben Jhm zu neuen Gedanken Anlaß gegeben. Die beſondere Lage des Orts und die ungemaͤſſene Weite des angrenzenden Meers haben den Jnhalt derer Betrachtungen hervorgebracht, die der vernuͤnftige Leſer in nachfolgenden Blaͤttern finden wird. Die Welt iſt in ihrer ganzen Anlage wunder- bar. Das unendliche Gute auf dem Erdboden und die unendliche Mannigfaltigkeit derer Geſchoͤpfe auf demſelben wirken bey einem aufmerkſamen Zu- ſchauer, daß er an allen Orten neue Suͤßigkeiten der goͤttlichen Liebe fuͤhlet und ſchmecket. Das Landleben hat indeſſen ſeine beſondere Vor- zuͤge. Es giebt tauſend Vorwuͤrfe, die zu einem zaͤrtlichen und vernuͤnftigen Vergnuͤgen anreizen, und die der Seele eine gewiſſe ſanfte Ruhe und eine Freyheit verſtatten, der ſie ſo oft in der Stadt und unter dem Gewuͤhl der Menſchen entbehren muß. Daher haben zu allen Zeiten ſo viele groſſe Maͤnner und Weltweiſen das Stadtleben mit der Lieblich- keit der Wieſen und Stille der Waͤlder vertauſchet, und an einem rauſchenden Bache den Wundern der Natur nachgedacht. Und eben dieſem vernuͤnftigen Fleiß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/8
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/8>, abgerufen am 21.11.2024.