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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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Abend-Vergnügen
Beherrschte, wie das schnelle Heer der Schatten sich
verlohren hatte,
Fast sonder Schwärz und Dunkelheit, ein allgemeiner
klarer Schatte,
Der unvermerkt sich sanft vermehrte, und mählig immer
starker kam,
Jnzwischen der vergeh'nde Glanz die schönen Farben mit
sich nahm.
Ein ungewisses dämmrigt Licht umgab, durchdrang, be-
saß, bedeckte
Die Wipfel, Aeste, Blätter, Zweige und Stämm' an ei-
nem jeden Baum,
An diesem angenehmen Ort, erfüllete den ganzen Raum
Mit einer sanften holden Stille und süssem Grauen, das
nicht schreckte,
Wohl aber, nebst der linden Kühlung, dem Geist und
Cörper Lust erweckte,
Die uns zu einer innern sanften und linden Anmuht An-
laß gab.

Wir gingen denn, voll stillen Freuden, die viel' Alleen
auf und ab,
Wobey ein angestecktes Pfeifchen verschiednen auch Ver-
gnügen gab.
Wir überlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten
Triebe,
Die weise Ordnung der Natur, und Dessen Weisheit,
Macht und Liebe,
Der, zu der Creaturen Besten, die Aenderung von Tag
und Nacht,
Auf so verwunderliche Weise, geordnet und hervorgebracht.
Zumahl

Abend-Vergnuͤgen
Beherrſchte, wie das ſchnelle Heer der Schatten ſich
verlohren hatte,
Faſt ſonder Schwaͤrz und Dunkelheit, ein allgemeiner
klarer Schatte,
Der unvermerkt ſich ſanft vermehrte, und maͤhlig immer
ſtarker kam,
Jnzwiſchen der vergeh’nde Glanz die ſchoͤnen Farben mit
ſich nahm.
Ein ungewiſſes daͤmmrigt Licht umgab, durchdrang, be-
ſaß, bedeckte
Die Wipfel, Aeſte, Blaͤtter, Zweige und Staͤmm’ an ei-
nem jeden Baum,
An dieſem angenehmen Ort, erfuͤllete den ganzen Raum
Mit einer ſanften holden Stille und ſuͤſſem Grauen, das
nicht ſchreckte,
Wohl aber, nebſt der linden Kuͤhlung, dem Geiſt und
Coͤrper Luſt erweckte,
Die uns zu einer innern ſanften und linden Anmuht An-
laß gab.

Wir gingen denn, voll ſtillen Freuden, die viel’ Alleen
auf und ab,
Wobey ein angeſtecktes Pfeifchen verſchiednen auch Ver-
gnuͤgen gab.
Wir uͤberlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten
Triebe,
Die weiſe Ordnung der Natur, und Deſſen Weisheit,
Macht und Liebe,
Der, zu der Creaturen Beſten, die Aenderung von Tag
und Nacht,
Auf ſo verwunderliche Weiſe, geordnet und hervorgebracht.
Zumahl
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[74/0092] Abend-Vergnuͤgen Beherrſchte, wie das ſchnelle Heer der Schatten ſich verlohren hatte, Faſt ſonder Schwaͤrz und Dunkelheit, ein allgemeiner klarer Schatte, Der unvermerkt ſich ſanft vermehrte, und maͤhlig immer ſtarker kam, Jnzwiſchen der vergeh’nde Glanz die ſchoͤnen Farben mit ſich nahm. Ein ungewiſſes daͤmmrigt Licht umgab, durchdrang, be- ſaß, bedeckte Die Wipfel, Aeſte, Blaͤtter, Zweige und Staͤmm’ an ei- nem jeden Baum, An dieſem angenehmen Ort, erfuͤllete den ganzen Raum Mit einer ſanften holden Stille und ſuͤſſem Grauen, das nicht ſchreckte, Wohl aber, nebſt der linden Kuͤhlung, dem Geiſt und Coͤrper Luſt erweckte, Die uns zu einer innern ſanften und linden Anmuht An- laß gab. Wir gingen denn, voll ſtillen Freuden, die viel’ Alleen auf und ab, Wobey ein angeſtecktes Pfeifchen verſchiednen auch Ver- gnuͤgen gab. Wir uͤberlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten Triebe, Die weiſe Ordnung der Natur, und Deſſen Weisheit, Macht und Liebe, Der, zu der Creaturen Beſten, die Aenderung von Tag und Nacht, Auf ſo verwunderliche Weiſe, geordnet und hervorgebracht. Zumahl

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/92>, abgerufen am 18.05.2024.