Beherrschte, wie das schnelle Heer der Schatten sich verlohren hatte, Fast sonder Schwärz und Dunkelheit, ein allgemeiner klarer Schatte, Der unvermerkt sich sanft vermehrte, und mählig immer starker kam, Jnzwischen der vergeh'nde Glanz die schönen Farben mit sich nahm. Ein ungewisses dämmrigt Licht umgab, durchdrang, be- saß, bedeckte Die Wipfel, Aeste, Blätter, Zweige und Stämm' an ei- nem jeden Baum, An diesem angenehmen Ort, erfüllete den ganzen Raum Mit einer sanften holden Stille und süssem Grauen, das nicht schreckte, Wohl aber, nebst der linden Kühlung, dem Geist und Cörper Lust erweckte, Die uns zu einer innern sanften und linden Anmuht An- laß gab.
Wir gingen denn, voll stillen Freuden, die viel' Alleen auf und ab, Wobey ein angestecktes Pfeifchen verschiednen auch Ver- gnügen gab. Wir überlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten Triebe, Die weise Ordnung der Natur, und Dessen Weisheit, Macht und Liebe, Der, zu der Creaturen Besten, die Aenderung von Tag und Nacht, Auf so verwunderliche Weise, geordnet und hervorgebracht.
Zumahl
Abend-Vergnuͤgen
Beherrſchte, wie das ſchnelle Heer der Schatten ſich verlohren hatte, Faſt ſonder Schwaͤrz und Dunkelheit, ein allgemeiner klarer Schatte, Der unvermerkt ſich ſanft vermehrte, und maͤhlig immer ſtarker kam, Jnzwiſchen der vergeh’nde Glanz die ſchoͤnen Farben mit ſich nahm. Ein ungewiſſes daͤmmrigt Licht umgab, durchdrang, be- ſaß, bedeckte Die Wipfel, Aeſte, Blaͤtter, Zweige und Staͤmm’ an ei- nem jeden Baum, An dieſem angenehmen Ort, erfuͤllete den ganzen Raum Mit einer ſanften holden Stille und ſuͤſſem Grauen, das nicht ſchreckte, Wohl aber, nebſt der linden Kuͤhlung, dem Geiſt und Coͤrper Luſt erweckte, Die uns zu einer innern ſanften und linden Anmuht An- laß gab.
Wir gingen denn, voll ſtillen Freuden, die viel’ Alleen auf und ab, Wobey ein angeſtecktes Pfeifchen verſchiednen auch Ver- gnuͤgen gab. Wir uͤberlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten Triebe, Die weiſe Ordnung der Natur, und Deſſen Weisheit, Macht und Liebe, Der, zu der Creaturen Beſten, die Aenderung von Tag und Nacht, Auf ſo verwunderliche Weiſe, geordnet und hervorgebracht.
Zumahl
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0092"n="74"/><fwplace="top"type="header">Abend-Vergnuͤgen</fw><lb/><l>Beherrſchte, wie das ſchnelle Heer der Schatten ſich</l><lb/><l><hirendition="#et">verlohren hatte,</hi></l><lb/><l>Faſt ſonder Schwaͤrz und Dunkelheit, ein allgemeiner</l><lb/><l><hirendition="#et">klarer Schatte,</hi></l><lb/><l>Der unvermerkt ſich ſanft vermehrte, und maͤhlig immer</l><lb/><l><hirendition="#et">ſtarker kam,</hi></l><lb/><l>Jnzwiſchen der vergeh’nde Glanz die ſchoͤnen Farben mit</l><lb/><l><hirendition="#et">ſich nahm.</hi></l><lb/><l>Ein ungewiſſes daͤmmrigt Licht umgab, durchdrang, be-</l><lb/><l><hirendition="#et">ſaß, bedeckte</hi></l><lb/><l>Die Wipfel, Aeſte, Blaͤtter, Zweige und Staͤmm’ an ei-</l><lb/><l><hirendition="#et">nem jeden Baum,</hi></l><lb/><l>An dieſem angenehmen Ort, erfuͤllete den ganzen Raum</l><lb/><l>Mit einer ſanften holden Stille und ſuͤſſem Grauen, das</l><lb/><l><hirendition="#et">nicht ſchreckte,</hi></l><lb/><l>Wohl aber, nebſt der linden Kuͤhlung, dem Geiſt und</l><lb/><l><hirendition="#et">Coͤrper Luſt erweckte,</hi></l><lb/><l>Die uns zu einer innern ſanften und linden Anmuht An-</l><lb/><l><hirendition="#et">laß gab.</hi></l></lg><lb/><lgn="4"><l>Wir gingen denn, voll ſtillen Freuden, die viel’ Alleen</l><lb/><l><hirendition="#et">auf und ab,</hi></l><lb/><l>Wobey ein angeſtecktes Pfeifchen verſchiednen auch Ver-</l><lb/><l><hirendition="#et">gnuͤgen gab.</hi></l><lb/><l>Wir uͤberlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten</l><lb/><l><hirendition="#et">Triebe,</hi></l><lb/><l>Die weiſe Ordnung der Natur, und Deſſen Weisheit,</l><lb/><l><hirendition="#et">Macht und Liebe,</hi></l><lb/><l>Der, zu der Creaturen Beſten, die Aenderung von Tag</l><lb/><l><hirendition="#et">und Nacht,</hi></l><lb/><l>Auf ſo verwunderliche Weiſe, geordnet und hervorgebracht.</l><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Zumahl</fw><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[74/0092]
Abend-Vergnuͤgen
Beherrſchte, wie das ſchnelle Heer der Schatten ſich
verlohren hatte,
Faſt ſonder Schwaͤrz und Dunkelheit, ein allgemeiner
klarer Schatte,
Der unvermerkt ſich ſanft vermehrte, und maͤhlig immer
ſtarker kam,
Jnzwiſchen der vergeh’nde Glanz die ſchoͤnen Farben mit
ſich nahm.
Ein ungewiſſes daͤmmrigt Licht umgab, durchdrang, be-
ſaß, bedeckte
Die Wipfel, Aeſte, Blaͤtter, Zweige und Staͤmm’ an ei-
nem jeden Baum,
An dieſem angenehmen Ort, erfuͤllete den ganzen Raum
Mit einer ſanften holden Stille und ſuͤſſem Grauen, das
nicht ſchreckte,
Wohl aber, nebſt der linden Kuͤhlung, dem Geiſt und
Coͤrper Luſt erweckte,
Die uns zu einer innern ſanften und linden Anmuht An-
laß gab.
Wir gingen denn, voll ſtillen Freuden, die viel’ Alleen
auf und ab,
Wobey ein angeſtecktes Pfeifchen verſchiednen auch Ver-
gnuͤgen gab.
Wir uͤberlegten hin und wieder, mit einem aufgeweckten
Triebe,
Die weiſe Ordnung der Natur, und Deſſen Weisheit,
Macht und Liebe,
Der, zu der Creaturen Beſten, die Aenderung von Tag
und Nacht,
Auf ſo verwunderliche Weiſe, geordnet und hervorgebracht.
Zumahl
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/92>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.