Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Rosen.
Die Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun-
keln Roth

Entfärbt; die bunten Anemonen von aller Pracht
beraubt, und todt.

Und kurz: Der jüngst so bunte Garten, der recht bewun-
dernswürdig schön,

War, ganz von seinem Schmuck entblöst, fast öd' und
traurig anzusehn.

Mich rührte die Veränderung. Jch dacht': Ach!
ist doch alles nichtig!

Dieß ist ein Sinnbild aller Dinge. Wir selbst seyn,
wie die Bluhmen, flüchtig.
Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben diesen
meinen Garten,

Und stutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen
ungezählter Arten,

Fast mehr bedecket, als geschmückt,
Für unverhoffter Lust und Anmuth mit Recht darob
erstaunt, erblickt.
Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zählnden
Menge,

Jn einer Anmuth-reichen Röthe, und purpurfarbenem
Gepränge,

Viel aufgeblühte Rosen-Büsche. Es drang ihr lieblich
röthlichs Licht,

Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele,
durchs Gesicht.
Sie
Die Roſen.
Die Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun-
keln Roth

Entfaͤrbt; die bunten Anemonen von aller Pracht
beraubt, und todt.

Und kurz: Der juͤngſt ſo bunte Garten, der recht bewun-
dernswuͤrdig ſchoͤn,

War, ganz von ſeinem Schmuck entbloͤſt, faſt oͤd’ und
traurig anzuſehn.

Mich ruͤhrte die Veraͤnderung. Jch dacht’: Ach!
iſt doch alles nichtig!

Dieß iſt ein Sinnbild aller Dinge. Wir ſelbſt ſeyn,
wie die Bluhmen, fluͤchtig.
Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben dieſen
meinen Garten,

Und ſtutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen
ungezaͤhlter Arten,

Faſt mehr bedecket, als geſchmuͤckt,
Fuͤr unverhoffter Luſt und Anmuth mit Recht darob
erſtaunt, erblickt.
Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zaͤhlnden
Menge,

Jn einer Anmuth-reichen Roͤthe, und purpurfarbenem
Gepraͤnge,

Viel aufgebluͤhte Roſen-Buͤſche. Es drang ihr lieblich
roͤthlichs Licht,

Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele,
durchs Geſicht.
Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0121" n="107"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Ro&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun-<lb/><hi rendition="#et">keln Roth</hi></l><lb/>
                <l>Entfa&#x0364;rbt; die bunten Anemonen von aller Pracht<lb/><hi rendition="#et">beraubt, und todt.</hi></l><lb/>
                <l>Und kurz: Der ju&#x0364;ng&#x017F;t &#x017F;o bunte Garten, der recht bewun-<lb/><hi rendition="#et">dernswu&#x0364;rdig &#x017F;cho&#x0364;n,</hi></l><lb/>
                <l>War, ganz von &#x017F;einem Schmuck entblo&#x0364;&#x017F;t, fa&#x017F;t o&#x0364;d&#x2019; und<lb/><hi rendition="#et">traurig anzu&#x017F;ehn.</hi></l><lb/>
                <l>Mich ru&#x0364;hrte die Vera&#x0364;nderung. Jch dacht&#x2019;: Ach!<lb/><hi rendition="#et">i&#x017F;t doch alles nichtig!</hi></l><lb/>
                <l>Dieß i&#x017F;t ein Sinnbild aller Dinge. <hi rendition="#fr">Wir &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eyn,</hi></l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">wie die Bluhmen, flu&#x0364;chtig.</hi> </hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben die&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">meinen Garten,</hi></l><lb/>
                <l>Und &#x017F;tutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen<lb/><hi rendition="#et">ungeza&#x0364;hlter Arten,</hi></l><lb/>
                <l>Fa&#x017F;t mehr bedecket, als ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt,</l><lb/>
                <l>Fu&#x0364;r unverhoffter Lu&#x017F;t und Anmuth mit Recht darob<lb/><hi rendition="#et">er&#x017F;taunt, erblickt.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu za&#x0364;hlnden<lb/><hi rendition="#et">Menge,</hi></l><lb/>
                <l>Jn einer Anmuth-reichen Ro&#x0364;the, und purpurfarbenem<lb/><hi rendition="#et">Gepra&#x0364;nge,</hi></l><lb/>
                <l>Viel aufgeblu&#x0364;hte Ro&#x017F;en-Bu&#x0364;&#x017F;che. Es drang ihr lieblich<lb/><hi rendition="#et">ro&#x0364;thlichs Licht,</hi></l><lb/>
                <l>Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele,<lb/><hi rendition="#et">durchs Ge&#x017F;icht.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0121] Die Roſen. Die Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun- keln Roth Entfaͤrbt; die bunten Anemonen von aller Pracht beraubt, und todt. Und kurz: Der juͤngſt ſo bunte Garten, der recht bewun- dernswuͤrdig ſchoͤn, War, ganz von ſeinem Schmuck entbloͤſt, faſt oͤd’ und traurig anzuſehn. Mich ruͤhrte die Veraͤnderung. Jch dacht’: Ach! iſt doch alles nichtig! Dieß iſt ein Sinnbild aller Dinge. Wir ſelbſt ſeyn, wie die Bluhmen, fluͤchtig. Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben dieſen meinen Garten, Und ſtutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen ungezaͤhlter Arten, Faſt mehr bedecket, als geſchmuͤckt, Fuͤr unverhoffter Luſt und Anmuth mit Recht darob erſtaunt, erblickt. Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zaͤhlnden Menge, Jn einer Anmuth-reichen Roͤthe, und purpurfarbenem Gepraͤnge, Viel aufgebluͤhte Roſen-Buͤſche. Es drang ihr lieblich roͤthlichs Licht, Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele, durchs Geſicht. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/121
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/121>, abgerufen am 21.11.2024.