Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Betrachtungen Durch grüne Bäume sieht man gelbe, durch gelb[e] grüne Bäume, prangen, Jn rothen Blättern scheinen Früchte noch an dem leere[n] Baum zu hangen. Es scheinen jetzt fast alle Blätter sich zu bemühn, bevo[r] sie sterben, Sich noch viel schöner, als vorher, ja selbst den Bluh- men gleich, zu färben. Wie denn die Sonnen-Bluhmen selbst kaum einen höhern Glanz behielten, Als viele Blätter, welche hell- und güldnem Blech fast ähnlich, spielten. Der größte Theil mischt in das Gelbe, was röthliches: hiedurch nun schien So mancher Baum, bald hie bald dort, recht wie Na- sturtium, zu blühn, Und wie die Bluhm' aus Africa, die meist ein brennend gelb- roth schmücket. Die lieblich schön gefärbten Bäume, die man jetzt überall erblicket, Die man auf Feldern, in den Gärten, zumal in dich- ten Wäldern, sieht, Erfüllen in dem kühlen Herbst, durchs Aug', ein achtsa- mes Gemüth Mit ausserordentlicher Lust. Das Gelb, das jetzt die Blätter hegen, Scheint meistens eine sanfte Wärme der kühlen Land- schaft einzuprägen, Auch bey bewölkter, trüber Luft. Wann aber, wie es oft geschicht, Durch den verdickten Dunst der Wolken, der schnelle Strahl der Sonne bricht, Und
Betrachtungen Durch gruͤne Baͤume ſieht man gelbe, durch gelb[e] gruͤne Baͤume, prangen, Jn rothen Blaͤttern ſcheinen Fruͤchte noch an dem leere[n] Baum zu hangen. Es ſcheinen jetzt faſt alle Blaͤtter ſich zu bemuͤhn, bevo[r] ſie ſterben, Sich noch viel ſchoͤner, als vorher, ja ſelbſt den Bluh- men gleich, zu faͤrben. Wie denn die Sonnen-Bluhmen ſelbſt kaum einen hoͤhern Glanz behielten, Als viele Blaͤtter, welche hell- und guͤldnem Blech faſt aͤhnlich, ſpielten. Der groͤßte Theil miſcht in das Gelbe, was roͤthliches: hiedurch nun ſchien So mancher Baum, bald hie bald dort, recht wie Na- ſturtium, zu bluͤhn, Und wie die Bluhm’ aus Africa, die meiſt ein brennend gelb- roth ſchmuͤcket. Die lieblich ſchoͤn gefaͤrbten Baͤume, die man jetzt uͤberall erblicket, Die man auf Feldern, in den Gaͤrten, zumal in dich- ten Waͤldern, ſieht, Erfuͤllen in dem kuͤhlen Herbſt, durchs Aug’, ein achtſa- mes Gemuͤth Mit auſſerordentlicher Luſt. Das Gelb, das jetzt die Blaͤtter hegen, Scheint meiſtens eine ſanfte Waͤrme der kuͤhlen Land- ſchaft einzupraͤgen, Auch bey bewoͤlkter, truͤber Luft. Wann aber, wie es oft geſchicht, Durch den verdickten Dunſt der Wolken, der ſchnelle Strahl der Sonne bricht, Und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0232" n="218"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtungen</hi> </fw><lb/> <lg n="3"> <l>Durch gruͤne Baͤume ſieht man gelbe, durch gelb<supplied>e</supplied><lb/><hi rendition="#et">gruͤne Baͤume, prangen,</hi></l><lb/> <l>Jn rothen Blaͤttern ſcheinen Fruͤchte noch an dem leere<supplied>n</supplied><lb/><hi rendition="#et">Baum zu hangen.</hi></l><lb/> <l>Es ſcheinen jetzt faſt alle Blaͤtter ſich zu bemuͤhn, bevo<supplied>r</supplied><lb/><hi rendition="#et">ſie ſterben,</hi></l><lb/> <l>Sich noch viel ſchoͤner, als vorher, ja ſelbſt den Bluh-<lb/><hi rendition="#et">men gleich, zu faͤrben.</hi></l><lb/> <l>Wie denn die Sonnen-Bluhmen ſelbſt kaum einen hoͤhern<lb/><hi rendition="#et">Glanz behielten,</hi></l><lb/> <l>Als viele Blaͤtter, welche hell- und guͤldnem Blech faſt<lb/><hi rendition="#et">aͤhnlich, ſpielten.</hi></l><lb/> <l>Der groͤßte Theil miſcht in das Gelbe, was roͤthliches:<lb/><hi rendition="#et">hiedurch nun ſchien</hi></l><lb/> <l>So mancher Baum, bald hie bald dort, recht wie Na-<lb/><hi rendition="#et">ſturtium, zu bluͤhn,</hi></l><lb/> <l>Und wie die Bluhm’ aus Africa, die meiſt ein brennend<lb/><hi rendition="#et">gelb- roth ſchmuͤcket.</hi></l><lb/> <l>Die lieblich ſchoͤn gefaͤrbten Baͤume, die man jetzt uͤberall<lb/><hi rendition="#et">erblicket,</hi></l><lb/> <l>Die man auf Feldern, in den Gaͤrten, zumal in dich-<lb/><hi rendition="#et">ten Waͤldern, ſieht,</hi></l><lb/> <l>Erfuͤllen in dem kuͤhlen Herbſt, durchs Aug’, ein achtſa-<lb/><hi rendition="#et">mes Gemuͤth</hi></l><lb/> <l>Mit auſſerordentlicher Luſt. Das Gelb, das jetzt die<lb/><hi rendition="#et">Blaͤtter hegen,</hi></l><lb/> <l>Scheint meiſtens eine ſanfte Waͤrme der kuͤhlen Land-<lb/><hi rendition="#et">ſchaft einzupraͤgen,</hi></l><lb/> <l>Auch bey bewoͤlkter, truͤber Luft. Wann aber, wie es<lb/><hi rendition="#et">oft geſchicht,</hi></l><lb/> <l>Durch den verdickten Dunſt der Wolken, der ſchnelle<lb/><hi rendition="#et">Strahl der Sonne bricht,</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0232]
Betrachtungen
Durch gruͤne Baͤume ſieht man gelbe, durch gelbe
gruͤne Baͤume, prangen,
Jn rothen Blaͤttern ſcheinen Fruͤchte noch an dem leeren
Baum zu hangen.
Es ſcheinen jetzt faſt alle Blaͤtter ſich zu bemuͤhn, bevor
ſie ſterben,
Sich noch viel ſchoͤner, als vorher, ja ſelbſt den Bluh-
men gleich, zu faͤrben.
Wie denn die Sonnen-Bluhmen ſelbſt kaum einen hoͤhern
Glanz behielten,
Als viele Blaͤtter, welche hell- und guͤldnem Blech faſt
aͤhnlich, ſpielten.
Der groͤßte Theil miſcht in das Gelbe, was roͤthliches:
hiedurch nun ſchien
So mancher Baum, bald hie bald dort, recht wie Na-
ſturtium, zu bluͤhn,
Und wie die Bluhm’ aus Africa, die meiſt ein brennend
gelb- roth ſchmuͤcket.
Die lieblich ſchoͤn gefaͤrbten Baͤume, die man jetzt uͤberall
erblicket,
Die man auf Feldern, in den Gaͤrten, zumal in dich-
ten Waͤldern, ſieht,
Erfuͤllen in dem kuͤhlen Herbſt, durchs Aug’, ein achtſa-
mes Gemuͤth
Mit auſſerordentlicher Luſt. Das Gelb, das jetzt die
Blaͤtter hegen,
Scheint meiſtens eine ſanfte Waͤrme der kuͤhlen Land-
ſchaft einzupraͤgen,
Auch bey bewoͤlkter, truͤber Luft. Wann aber, wie es
oft geſchicht,
Durch den verdickten Dunſt der Wolken, der ſchnelle
Strahl der Sonne bricht,
Und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |