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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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Die Nachtigall.
Es scheint, als ob sie sich verbreiten,
Um deinem Nest, aus Dankbarkeit,
Für deiner Lieder Lieblichkeit,
Ein grünes Schirm-Dach zu bereiten.

Geliebte Menschen, laßt uns doch auf ihre süße Lieder
achten,

Und besser, als bisher geschehn, dieß laute Wunder-Werk
betrachten.

Ein Ton wird einzeln wiederholt, darauf verdoppelt,
schnell vermehrt,

Ja öfters fast vertausendfacht. Oft scheints, als ob sie
uns belehrt;

Oft, daß sie lacht, oft, daß sie klaget;
Oft schliesset sie, mit kurzem Satz, im Steigen, recht
als wenn sie fraget;

Zum öftern sinkt, nach langem Kräuseln, und öfterm
Schlagen, schnell ihr Schall,

Jn einem, nach der Ton-Kunst Regeln gedehnten, recht
gemeßnen Fall;

Bald aber singt, mit neuem Feuer, sie wild, und doch
nicht minder schön.

Kaum, daß der Menschen schlanke Zunge so manches
Wort articulieret,

Als sie ein klingend Wörter-Heer verschiedlich füget und
formieret.

Jhr fehlet nichts, nur uns die Kunst, ihr klingend Spre-
chen zu verstehn.

Zuweilen deucht mich, daß ichs merke: Daß nämlich
aller Melodey,

Und ihres reinen Modulierens, Zweck, Lehr und Jnhalt
dieser sey:
ARIA.

Die Nachtigall.
Es ſcheint, als ob ſie ſich verbreiten,
Um deinem Neſt, aus Dankbarkeit,
Fuͤr deiner Lieder Lieblichkeit,
Ein gruͤnes Schirm-Dach zu bereiten.

Geliebte Menſchen, laßt uns doch auf ihre ſuͤße Lieder
achten,

Und beſſer, als bisher geſchehn, dieß laute Wunder-Werk
betrachten.

Ein Ton wird einzeln wiederholt, darauf verdoppelt,
ſchnell vermehrt,

Ja oͤfters faſt vertauſendfacht. Oft ſcheints, als ob ſie
uns belehrt;

Oft, daß ſie lacht, oft, daß ſie klaget;
Oft ſchlieſſet ſie, mit kurzem Satz, im Steigen, recht
als wenn ſie fraget;

Zum oͤftern ſinkt, nach langem Kraͤuſeln, und oͤfterm
Schlagen, ſchnell ihr Schall,

Jn einem, nach der Ton-Kunſt Regeln gedehnten, recht
gemeßnen Fall;

Bald aber ſingt, mit neuem Feuer, ſie wild, und doch
nicht minder ſchoͤn.

Kaum, daß der Menſchen ſchlanke Zunge ſo manches
Wort articulieret,

Als ſie ein klingend Woͤrter-Heer verſchiedlich fuͤget und
formieret.

Jhr fehlet nichts, nur uns die Kunſt, ihr klingend Spre-
chen zu verſtehn.

Zuweilen deucht mich, daß ichs merke: Daß naͤmlich
aller Melodey,

Und ihres reinen Modulierens, Zweck, Lehr und Jnhalt
dieſer ſey:
ARIA.
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[14/0028] Die Nachtigall. Es ſcheint, als ob ſie ſich verbreiten, Um deinem Neſt, aus Dankbarkeit, Fuͤr deiner Lieder Lieblichkeit, Ein gruͤnes Schirm-Dach zu bereiten. Geliebte Menſchen, laßt uns doch auf ihre ſuͤße Lieder achten, Und beſſer, als bisher geſchehn, dieß laute Wunder-Werk betrachten. Ein Ton wird einzeln wiederholt, darauf verdoppelt, ſchnell vermehrt, Ja oͤfters faſt vertauſendfacht. Oft ſcheints, als ob ſie uns belehrt; Oft, daß ſie lacht, oft, daß ſie klaget; Oft ſchlieſſet ſie, mit kurzem Satz, im Steigen, recht als wenn ſie fraget; Zum oͤftern ſinkt, nach langem Kraͤuſeln, und oͤfterm Schlagen, ſchnell ihr Schall, Jn einem, nach der Ton-Kunſt Regeln gedehnten, recht gemeßnen Fall; Bald aber ſingt, mit neuem Feuer, ſie wild, und doch nicht minder ſchoͤn. Kaum, daß der Menſchen ſchlanke Zunge ſo manches Wort articulieret, Als ſie ein klingend Woͤrter-Heer verſchiedlich fuͤget und formieret. Jhr fehlet nichts, nur uns die Kunſt, ihr klingend Spre- chen zu verſtehn. Zuweilen deucht mich, daß ichs merke: Daß naͤmlich aller Melodey, Und ihres reinen Modulierens, Zweck, Lehr und Jnhalt dieſer ſey: ARIA.

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/28>, abgerufen am 21.11.2024.