Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.in einem Neu-Jahrs-Gedichte. "Den ganzen Tag im tiefen Schlamm, im Sumpf und hohlen Graben stehn, "Den klebrichten und zähen Boden, beständig, in die Höhe werfen; "Jm aufgebrochnen weichen Acker, beständig, hinterm Pfluge gehn; "Die Sonne mag, so stark sie will, die unbequemen Strahlen schärfen, "Jn nie versiegnem lauen Schweiß, und schwehrer Müh, beständig mähn: "Dieß wirst du ja wohl kein Vergnügen, kein ange- nehmes Leben, nennen, "Wofern du redlich richten willt, noch eine Freude heissen können. Dein Klagen hat, o lieber Mensch! vom Recht zwar wirklich einen Schein; Doch ist es, wenn mans recht ermißt, dennoch nur bloß ein Schein allein. Erweg' es aber einst mit Ernst; so wirst du, neben mir, gestehen: Dein Stand sey wirklich glücklicher, als er, von aussen, anzusehen. Jch will von denen schwarzen Sorgen, so die, vor dir, beglückten Seelen; Nicht von der Unruh, Furcht und Gram, so die geehr- tern Menschen quälen, Und welche dir, in deinem Stande, und aller Arbeit, wirklich fehlen, Die dein Gemüthe nicht zerreissen, die bloß allein die Großen plagen, Und Tag und Nacht die Ruhe rauben, und recht zer- foltern, hier nichts sagen. Jch
in einem Neu-Jahrs-Gedichte. “Den ganzen Tag im tiefen Schlamm, im Sumpf und hohlen Graben ſtehn, “Den klebrichten und zaͤhen Boden, beſtaͤndig, in die Hoͤhe werfen; “Jm aufgebrochnen weichen Acker, beſtaͤndig, hinterm Pfluge gehn; “Die Sonne mag, ſo ſtark ſie will, die unbequemen Strahlen ſchaͤrfen, “Jn nie verſiegnem lauen Schweiß, und ſchwehrer Muͤh, beſtaͤndig maͤhn: “Dieß wirſt du ja wohl kein Vergnuͤgen, kein ange- nehmes Leben, nennen, “Wofern du redlich richten willt, noch eine Freude heiſſen koͤnnen. Dein Klagen hat, o lieber Menſch! vom Recht zwar wirklich einen Schein; Doch iſt es, wenn mans recht ermißt, dennoch nur bloß ein Schein allein. Erweg’ es aber einſt mit Ernſt; ſo wirſt du, neben mir, geſtehen: Dein Stand ſey wirklich gluͤcklicher, als er, von auſſen, anzuſehen. Jch will von denen ſchwarzen Sorgen, ſo die, vor dir, begluͤckten Seelen; Nicht von der Unruh, Furcht und Gram, ſo die geehr- tern Menſchen quaͤlen, Und welche dir, in deinem Stande, und aller Arbeit, wirklich fehlen, Die dein Gemuͤthe nicht zerreiſſen, die bloß allein die Großen plagen, Und Tag und Nacht die Ruhe rauben, und recht zer- foltern, hier nichts ſagen. Jch
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in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
“Den ganzen Tag im tiefen Schlamm, im Sumpf
und hohlen Graben ſtehn,
“Den klebrichten und zaͤhen Boden, beſtaͤndig, in die
Hoͤhe werfen;
“Jm aufgebrochnen weichen Acker, beſtaͤndig, hinterm
Pfluge gehn;
“Die Sonne mag, ſo ſtark ſie will, die unbequemen
Strahlen ſchaͤrfen,
“Jn nie verſiegnem lauen Schweiß, und ſchwehrer Muͤh,
beſtaͤndig maͤhn:
“Dieß wirſt du ja wohl kein Vergnuͤgen, kein ange-
nehmes Leben, nennen,
“Wofern du redlich richten willt, noch eine Freude
heiſſen koͤnnen.
Dein Klagen hat, o lieber Menſch! vom Recht zwar
wirklich einen Schein;
Doch iſt es, wenn mans recht ermißt, dennoch nur bloß
ein Schein allein.
Erweg’ es aber einſt mit Ernſt; ſo wirſt du, neben mir,
geſtehen:
Dein Stand ſey wirklich gluͤcklicher, als er, von auſſen,
anzuſehen.
Jch will von denen ſchwarzen Sorgen, ſo die, vor dir,
begluͤckten Seelen;
Nicht von der Unruh, Furcht und Gram, ſo die geehr-
tern Menſchen quaͤlen,
Und welche dir, in deinem Stande, und aller Arbeit,
wirklich fehlen,
Die dein Gemuͤthe nicht zerreiſſen, die bloß allein die
Großen plagen,
Und Tag und Nacht die Ruhe rauben, und recht zer-
foltern, hier nichts ſagen.
Jch
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