Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.des 1740sten Jahres. Verschiedne haben ihre Beine; verschiedne, Füße, Fin- ger, Ohren, Auch andre Glieder, unglückselig, in diesem harten Frost, verlohren. Dem unerhörten Winter folgt ein nie erlebter Früh- ling nach. Die Kälte wollte nicht entweichen, es wollte sich kein Eis verlieren: Aus der annoch gefrornen Erd' erschien' annoch kein Gras; es brach Kein Laub aus noch erstarrten Bäumen; im May war noch kein Grün zu spühren. Nun sahe man im Junius zwar wohl kein wirklich Eis nicht mehr; Doch war, im Julius so gar, die Luft noch nicht von Kälte leer. Kein Regen fiel, kein Gras erschien: So wie die Kälte erst gethan; So hinderte die strenge Dürre und Regen-Mangel nun daran: Wodurch das Vieh, so fast verkam, annoch in äusserster Gefahr, Für Hunger umzukommen, war. Den Frühling fühlt' und sah man nicht; es war kein Sommer fast zu spühren; Es schien der Herbst, in diesem Jahr, den vorgen Win- ter zu berühren: Ja, wie das Korn kaum eingeführt, das heuer tief im Herbst geschah, War allbereit, zu unserm Schrecken, ein neuer Winter wieder da. Es Y 4
des 1740ſten Jahres. Verſchiedne haben ihre Beine; verſchiedne, Fuͤße, Fin- ger, Ohren, Auch andre Glieder, ungluͤckſelig, in dieſem harten Froſt, verlohren. Dem unerhoͤrten Winter folgt ein nie erlebter Fruͤh- ling nach. Die Kaͤlte wollte nicht entweichen, es wollte ſich kein Eis verlieren: Aus der annoch gefrornen Erd’ erſchien’ annoch kein Gras; es brach Kein Laub aus noch erſtarrten Baͤumen; im May war noch kein Gruͤn zu ſpuͤhren. Nun ſahe man im Junius zwar wohl kein wirklich Eis nicht mehr; Doch war, im Julius ſo gar, die Luft noch nicht von Kaͤlte leer. Kein Regen fiel, kein Gras erſchien: So wie die Kaͤlte erſt gethan; So hinderte die ſtrenge Duͤrre und Regen-Mangel nun daran: Wodurch das Vieh, ſo faſt verkam, annoch in aͤuſſerſter Gefahr, Fuͤr Hunger umzukommen, war. Den Fruͤhling fuͤhlt’ und ſah man nicht; es war kein Sommer faſt zu ſpuͤhren; Es ſchien der Herbſt, in dieſem Jahr, den vorgen Win- ter zu beruͤhren: Ja, wie das Korn kaum eingefuͤhrt, das heuer tief im Herbſt geſchah, War allbereit, zu unſerm Schrecken, ein neuer Winter wieder da. Es Y 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0357" n="343"/> <fw place="top" type="header">des 1740ſten Jahres.</fw><lb/> <lg n="10"> <l>Verſchiedne haben ihre Beine; verſchiedne, Fuͤße, Fin-<lb/><hi rendition="#et">ger, Ohren,</hi></l><lb/> <l>Auch andre Glieder, ungluͤckſelig, in dieſem harten Froſt,<lb/><hi rendition="#et">verlohren.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Dem unerhoͤrten Winter folgt ein nie erlebter Fruͤh-<lb/><hi rendition="#et">ling nach.</hi></l><lb/> <l>Die Kaͤlte wollte nicht entweichen, es wollte ſich kein Eis<lb/><hi rendition="#et">verlieren:</hi></l><lb/> <l>Aus der annoch gefrornen Erd’ erſchien’ annoch kein Gras;<lb/><hi rendition="#et">es brach</hi></l><lb/> <l>Kein Laub aus noch erſtarrten Baͤumen; im May war<lb/><hi rendition="#et">noch kein Gruͤn zu ſpuͤhren.</hi></l><lb/> <l>Nun ſahe man im Junius zwar wohl kein wirklich Eis<lb/><hi rendition="#et">nicht mehr;</hi></l><lb/> <l>Doch war, im Julius ſo gar, die Luft noch nicht von<lb/><hi rendition="#et">Kaͤlte leer.</hi></l><lb/> <l>Kein Regen fiel, kein Gras erſchien: So wie die Kaͤlte<lb/><hi rendition="#et">erſt gethan;</hi></l><lb/> <l>So hinderte die ſtrenge Duͤrre und Regen-Mangel nun<lb/><hi rendition="#et">daran:</hi></l><lb/> <l>Wodurch das Vieh, ſo faſt verkam, annoch in aͤuſſerſter<lb/><hi rendition="#et">Gefahr,</hi></l><lb/> <l>Fuͤr Hunger umzukommen, war.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Den Fruͤhling fuͤhlt’ und ſah man nicht; es war kein<lb/><hi rendition="#et">Sommer faſt zu ſpuͤhren;</hi></l><lb/> <l>Es ſchien der Herbſt, in dieſem Jahr, den vorgen Win-<lb/><hi rendition="#et">ter zu beruͤhren:</hi></l><lb/> <l>Ja, wie das Korn kaum eingefuͤhrt, das heuer tief im<lb/><hi rendition="#et">Herbſt geſchah,</hi></l><lb/> <l>War allbereit, zu unſerm Schrecken, ein neuer Winter<lb/><hi rendition="#et">wieder da.</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Y 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0357]
des 1740ſten Jahres.
Verſchiedne haben ihre Beine; verſchiedne, Fuͤße, Fin-
ger, Ohren,
Auch andre Glieder, ungluͤckſelig, in dieſem harten Froſt,
verlohren.
Dem unerhoͤrten Winter folgt ein nie erlebter Fruͤh-
ling nach.
Die Kaͤlte wollte nicht entweichen, es wollte ſich kein Eis
verlieren:
Aus der annoch gefrornen Erd’ erſchien’ annoch kein Gras;
es brach
Kein Laub aus noch erſtarrten Baͤumen; im May war
noch kein Gruͤn zu ſpuͤhren.
Nun ſahe man im Junius zwar wohl kein wirklich Eis
nicht mehr;
Doch war, im Julius ſo gar, die Luft noch nicht von
Kaͤlte leer.
Kein Regen fiel, kein Gras erſchien: So wie die Kaͤlte
erſt gethan;
So hinderte die ſtrenge Duͤrre und Regen-Mangel nun
daran:
Wodurch das Vieh, ſo faſt verkam, annoch in aͤuſſerſter
Gefahr,
Fuͤr Hunger umzukommen, war.
Den Fruͤhling fuͤhlt’ und ſah man nicht; es war kein
Sommer faſt zu ſpuͤhren;
Es ſchien der Herbſt, in dieſem Jahr, den vorgen Win-
ter zu beruͤhren:
Ja, wie das Korn kaum eingefuͤhrt, das heuer tief im
Herbſt geſchah,
War allbereit, zu unſerm Schrecken, ein neuer Winter
wieder da.
Es
Y 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |