Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.seines vielen Schreibens. Dieß sind die Meynungen der Menschen, wornach die mehresten sich lenken, Und darinn ihr Vergnügen suchen. Nun soll mein Le- ser nicht gedenken, Daß ich dieselben ganz verwerfe. Ein solcher Zeno bin ich nicht, Und kein so strenger Sitten-Lehrer: indem ich einem jeden gönne, Daß er an Ehre, Geld, und Wein, und Liebe, sich ver- gnügen könne; Wenn es nach Ordnung, Regeln, Maß' und Ueberle- gung nur geschicht. Jch halte diese Gegenwürfe vielmehr für Mittel zum Vergnügen, Jn welchen Quellen vieler Anmuth, zum Labsal unsers Lebens, liegen. Sie sind es aber nicht allein. "Erwegt die Wege der Natur! "Seht Euch, die Welt, den Himmel, an; so kommt ihr auf die rechte Spuhr. "Jhr selbst besteht aus Geist und Körper. Der Geist ist sinnlich und vernünftig. "Der Körper ist für die fünf Sinnen bewunderns- würdig zugericht. "Die Welt hat Millionen Vorwürf für sie. Der Himmel hat das Licht. "Der Geist, wär' er auch noch so klug, begriff von aller Erden Schätzen, "Wofern er keine Sinnen hätte, nichts, und es könnt ihn nichts ergetzen. "Darum E e 3
ſeines vielen Schreibens. Dieß ſind die Meynungen der Menſchen, wornach die mehreſten ſich lenken, Und darinn ihr Vergnuͤgen ſuchen. Nun ſoll mein Le- ſer nicht gedenken, Daß ich dieſelben ganz verwerfe. Ein ſolcher Zeno bin ich nicht, Und kein ſo ſtrenger Sitten-Lehrer: indem ich einem jeden goͤnne, Daß er an Ehre, Geld, und Wein, und Liebe, ſich ver- gnuͤgen koͤnne; Wenn es nach Ordnung, Regeln, Maß’ und Ueberle- gung nur geſchicht. Jch halte dieſe Gegenwuͤrfe vielmehr fuͤr Mittel zum Vergnuͤgen, Jn welchen Quellen vieler Anmuth, zum Labſal unſers Lebens, liegen. Sie ſind es aber nicht allein. “Erwegt die Wege der Natur! “Seht Euch, die Welt, den Himmel, an; ſo kommt ihr auf die rechte Spuhr. “Jhr ſelbſt beſteht aus Geiſt und Koͤrper. Der Geiſt iſt ſinnlich und vernuͤnftig. “Der Koͤrper iſt fuͤr die fuͤnf Sinnen bewunderns- wuͤrdig zugericht. “Die Welt hat Millionen Vorwuͤrf fuͤr ſie. Der Himmel hat das Licht. “Der Geiſt, waͤr’ er auch noch ſo klug, begriff von aller Erden Schaͤtzen, “Wofern er keine Sinnen haͤtte, nichts, und es koͤnnt ihn nichts ergetzen. “Darum E e 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0451" n="437"/> <fw place="top" type="header">ſeines vielen Schreibens.</fw><lb/> <lg n="7"> <l>Dieß ſind die Meynungen der Menſchen, wornach<lb/><hi rendition="#et">die mehreſten ſich lenken,</hi></l><lb/> <l>Und darinn ihr Vergnuͤgen ſuchen. Nun ſoll mein Le-<lb/><hi rendition="#et">ſer nicht gedenken,</hi></l><lb/> <l>Daß ich dieſelben ganz verwerfe. Ein ſolcher <hi rendition="#fr">Zeno</hi> bin<lb/><hi rendition="#et">ich nicht,</hi></l><lb/> <l>Und kein ſo ſtrenger Sitten-Lehrer: indem ich einem<lb/><hi rendition="#et">jeden goͤnne,</hi></l><lb/> <l>Daß er an Ehre, Geld, und Wein, und Liebe, ſich ver-<lb/><hi rendition="#et">gnuͤgen koͤnne;</hi></l><lb/> <l>Wenn es nach Ordnung, Regeln, Maß’ und Ueberle-<lb/><hi rendition="#et">gung nur geſchicht.</hi></l><lb/> <l>Jch halte dieſe Gegenwuͤrfe vielmehr fuͤr Mittel zum<lb/><hi rendition="#et">Vergnuͤgen,</hi></l><lb/> <l>Jn welchen Quellen vieler Anmuth, zum Labſal unſers<lb/><hi rendition="#et">Lebens, liegen.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Sie ſind es aber nicht allein. “Erwegt die Wege<lb/><hi rendition="#et">der Natur!</hi></l><lb/> <l>“Seht <hi rendition="#fr">Euch, die Welt, den Himmel,</hi> an; ſo kommt<lb/><hi rendition="#et">ihr auf die rechte Spuhr.</hi></l><lb/> <l>“Jhr ſelbſt beſteht aus <hi rendition="#fr">Geiſt</hi> und <hi rendition="#fr">Koͤrper.</hi> Der <hi rendition="#fr">Geiſt</hi><lb/><hi rendition="#et">iſt <hi rendition="#fr">ſinnlich</hi> und <hi rendition="#fr">vernuͤnftig.</hi></hi></l><lb/> <l>“Der <hi rendition="#fr">Koͤrper</hi> iſt fuͤr die <hi rendition="#fr">fuͤnf Sinnen</hi> bewunderns-<lb/><hi rendition="#et">wuͤrdig zugericht.</hi></l><lb/> <l>“Die <hi rendition="#fr">Welt</hi> hat Millionen Vorwuͤrf fuͤr ſie. Der<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Himmel</hi> hat das <hi rendition="#fr">Licht.</hi></hi></l><lb/> <l>“Der <hi rendition="#fr">Geiſt,</hi> waͤr’ er auch noch ſo klug, begriff von<lb/><hi rendition="#et">aller Erden Schaͤtzen,</hi></l><lb/> <l>“Wofern er keine <hi rendition="#fr">Sinnen</hi> haͤtte, nichts, und es koͤnnt<lb/><hi rendition="#et">ihn nichts ergetzen.</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">E e 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">“Darum</fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [437/0451]
ſeines vielen Schreibens.
Dieß ſind die Meynungen der Menſchen, wornach
die mehreſten ſich lenken,
Und darinn ihr Vergnuͤgen ſuchen. Nun ſoll mein Le-
ſer nicht gedenken,
Daß ich dieſelben ganz verwerfe. Ein ſolcher Zeno bin
ich nicht,
Und kein ſo ſtrenger Sitten-Lehrer: indem ich einem
jeden goͤnne,
Daß er an Ehre, Geld, und Wein, und Liebe, ſich ver-
gnuͤgen koͤnne;
Wenn es nach Ordnung, Regeln, Maß’ und Ueberle-
gung nur geſchicht.
Jch halte dieſe Gegenwuͤrfe vielmehr fuͤr Mittel zum
Vergnuͤgen,
Jn welchen Quellen vieler Anmuth, zum Labſal unſers
Lebens, liegen.
Sie ſind es aber nicht allein. “Erwegt die Wege
der Natur!
“Seht Euch, die Welt, den Himmel, an; ſo kommt
ihr auf die rechte Spuhr.
“Jhr ſelbſt beſteht aus Geiſt und Koͤrper. Der Geiſt
iſt ſinnlich und vernuͤnftig.
“Der Koͤrper iſt fuͤr die fuͤnf Sinnen bewunderns-
wuͤrdig zugericht.
“Die Welt hat Millionen Vorwuͤrf fuͤr ſie. Der
Himmel hat das Licht.
“Der Geiſt, waͤr’ er auch noch ſo klug, begriff von
aller Erden Schaͤtzen,
“Wofern er keine Sinnen haͤtte, nichts, und es koͤnnt
ihn nichts ergetzen.
“Darum
E e 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |