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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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Von der Zweyseitigkeit aller Dinge.
Und fröhlich hüpfen, tanzen, springen; bald vorn, bald
seitenwärts, sich drehn:

Sie liessen bald die schwarze Seite, und bald die weisse
wieder, sehn.
Jch dachte diesem Handel nach; und fiel, bey die-
sem Spiel, mir bey:

"Wie es, in unsrer ganzen Welt, nicht anders fast
bestellet sey.

"Es hat ein jedes Ding zwo Seiten: halb ist es häß-
lich, und halb schön.

"Wer klug ist, suchet stets von sich die weisse Seite
vorzudrehn.
"Wenn wir nun recht vernünftig wären; so müßten
wir uns auch bemühen,

"Von allen Gegenwürfen stets die beste Seite vorzu-
ziehen:

"Weil, da doch nichts hier völlig weiß, wir, wenigstens
mit größern Freuden,

"Am Nächsten uns vergnügen könnten, und unser Aug'
am Weissen weiden.


Die
F f 3
Von der Zweyſeitigkeit aller Dinge.
Und froͤhlich huͤpfen, tanzen, ſpringen; bald vorn, bald
ſeitenwaͤrts, ſich drehn:

Sie lieſſen bald die ſchwarze Seite, und bald die weiſſe
wieder, ſehn.
Jch dachte dieſem Handel nach; und fiel, bey die-
ſem Spiel, mir bey:

“Wie es, in unſrer ganzen Welt, nicht anders faſt
beſtellet ſey.

“Es hat ein jedes Ding zwo Seiten: halb iſt es haͤß-
lich, und halb ſchoͤn.

“Wer klug iſt, ſuchet ſtets von ſich die weiſſe Seite
vorzudrehn.
“Wenn wir nun recht vernuͤnftig waͤren; ſo muͤßten
wir uns auch bemuͤhen,

“Von allen Gegenwuͤrfen ſtets die beſte Seite vorzu-
ziehen:

“Weil, da doch nichts hier voͤllig weiß, wir, wenigſtens
mit groͤßern Freuden,

“Am Naͤchſten uns vergnuͤgen koͤnnten, und unſer Aug’
am Weiſſen weiden.


Die
F f 3
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[453/0467] Von der Zweyſeitigkeit aller Dinge. Und froͤhlich huͤpfen, tanzen, ſpringen; bald vorn, bald ſeitenwaͤrts, ſich drehn: Sie lieſſen bald die ſchwarze Seite, und bald die weiſſe wieder, ſehn. Jch dachte dieſem Handel nach; und fiel, bey die- ſem Spiel, mir bey: “Wie es, in unſrer ganzen Welt, nicht anders faſt beſtellet ſey. “Es hat ein jedes Ding zwo Seiten: halb iſt es haͤß- lich, und halb ſchoͤn. “Wer klug iſt, ſuchet ſtets von ſich die weiſſe Seite vorzudrehn. “Wenn wir nun recht vernuͤnftig waͤren; ſo muͤßten wir uns auch bemuͤhen, “Von allen Gegenwuͤrfen ſtets die beſte Seite vorzu- ziehen: “Weil, da doch nichts hier voͤllig weiß, wir, wenigſtens mit groͤßern Freuden, “Am Naͤchſten uns vergnuͤgen koͤnnten, und unſer Aug’ am Weiſſen weiden. Die F f 3

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/467>, abgerufen am 24.11.2024.