Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Das lehrende Kerzen-Licht.
Mir strahlte jüngst ein Kerzen-Licht,
Jm Dunklen, plötzlich ins Gesicht.
Es traff desselben Glanz und Schein
Nicht meines Körpers Aug' allein;
Mein Geist ward ebenfals gerührt,
Und, durch desselben helle Klarheit,
Zu einer unleugbaren Wahrheit,
Auf einen neuen Weg, geführt.
Jch dachte: "Kömmt die helle Gluht,
"Die solche Wunder bey uns thut,
"Vielleicht von einem Ungefehr,
"Und also von sich selber, her?
"O nein! sie hat der Menschen Hand,
"Und einen menschlichen Verstand,
"Zur Ursach' und zu ihrem Grunde:
"Der eine solche Kunst erfunde,
"Daß man, aus Jnschlitt, Wachs und Dacht,
"So nutzbar, in der dunklen Nacht,
"Uns eine kleine Sonne macht.
"Wie kann es dann doch möglich seyn,
"Daß man der Sonnen Wunder-Schein,
"Das ungemeßne Licht-Gefäße,
"Von solcher Ordnung, Pracht und Größe,
"Das Leben, Aug' und Schmuck der Welt,
"Von ungefehr entstanden hält?
"Dieß wär, von ihrer Kraft und Pracht,
"Weit ärger, als ein Vieh, gedacht.
"Wo
Das lehrende Kerzen-Licht.
Mir ſtrahlte juͤngſt ein Kerzen-Licht,
Jm Dunklen, ploͤtzlich ins Geſicht.
Es traff deſſelben Glanz und Schein
Nicht meines Koͤrpers Aug’ allein;
Mein Geiſt ward ebenfals geruͤhrt,
Und, durch deſſelben helle Klarheit,
Zu einer unleugbaren Wahrheit,
Auf einen neuen Weg, gefuͤhrt.
Jch dachte: “Koͤmmt die helle Gluht,
“Die ſolche Wunder bey uns thut,
“Vielleicht von einem Ungefehr,
“Und alſo von ſich ſelber, her?
“O nein! ſie hat der Menſchen Hand,
“Und einen menſchlichen Verſtand,
“Zur Urſach’ und zu ihrem Grunde:
“Der eine ſolche Kunſt erfunde,
“Daß man, aus Jnſchlitt, Wachs und Dacht,
“So nutzbar, in der dunklen Nacht,
“Uns eine kleine Sonne macht.
“Wie kann es dann doch moͤglich ſeyn,
“Daß man der Sonnen Wunder-Schein,
“Das ungemeßne Licht-Gefaͤße,
“Von ſolcher Ordnung, Pracht und Groͤße,
“Das Leben, Aug’ und Schmuck der Welt,
“Von ungefehr entſtanden haͤlt?
“Dieß waͤr, von ihrer Kraft und Pracht,
“Weit aͤrger, als ein Vieh, gedacht.
“Wo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0472" n="458"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Das lehrende Kerzen-Licht.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">M</hi>ir &#x017F;trahlte ju&#x0364;ng&#x017F;t ein Kerzen-Licht,</l><lb/>
                <l>Jm Dunklen, plo&#x0364;tzlich ins Ge&#x017F;icht.</l><lb/>
                <l>Es traff de&#x017F;&#x017F;elben Glanz und Schein</l><lb/>
                <l>Nicht meines Ko&#x0364;rpers Aug&#x2019; allein;</l><lb/>
                <l>Mein Gei&#x017F;t ward ebenfals geru&#x0364;hrt,</l><lb/>
                <l>Und, durch de&#x017F;&#x017F;elben helle Klarheit,</l><lb/>
                <l>Zu einer unleugbaren Wahrheit,</l><lb/>
                <l>Auf einen neuen Weg, gefu&#x0364;hrt.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Jch dachte: &#x201C;Ko&#x0364;mmt die helle Gluht,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Die &#x017F;olche Wunder bey uns thut,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Vielleicht von einem Ungefehr,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Und al&#x017F;o von &#x017F;ich &#x017F;elber, her?</l><lb/>
                <l>&#x201C;O nein! &#x017F;ie hat der Men&#x017F;chen Hand,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Und einen men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tand,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Zur Ur&#x017F;ach&#x2019; und zu ihrem Grunde:</l><lb/>
                <l>&#x201C;Der eine &#x017F;olche Kun&#x017F;t erfunde,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß man, aus Jn&#x017F;chlitt, Wachs und Dacht,</l><lb/>
                <l>&#x201C;So nutzbar, in der dunklen Nacht,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Uns eine kleine Sonne macht.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>&#x201C;Wie kann es dann doch mo&#x0364;glich &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß man der Sonnen Wunder-Schein,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Das ungemeßne Licht-Gefa&#x0364;ße,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Von &#x017F;olcher Ordnung, Pracht und Gro&#x0364;ße,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Das Leben, Aug&#x2019; und Schmuck der Welt,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Von ungefehr ent&#x017F;tanden ha&#x0364;lt?</l><lb/>
                <l>&#x201C;Dieß wa&#x0364;r, von ihrer Kraft und Pracht,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Weit a&#x0364;rger, als ein Vieh, gedacht.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201C;Wo</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0472] Das lehrende Kerzen-Licht. Mir ſtrahlte juͤngſt ein Kerzen-Licht, Jm Dunklen, ploͤtzlich ins Geſicht. Es traff deſſelben Glanz und Schein Nicht meines Koͤrpers Aug’ allein; Mein Geiſt ward ebenfals geruͤhrt, Und, durch deſſelben helle Klarheit, Zu einer unleugbaren Wahrheit, Auf einen neuen Weg, gefuͤhrt. Jch dachte: “Koͤmmt die helle Gluht, “Die ſolche Wunder bey uns thut, “Vielleicht von einem Ungefehr, “Und alſo von ſich ſelber, her? “O nein! ſie hat der Menſchen Hand, “Und einen menſchlichen Verſtand, “Zur Urſach’ und zu ihrem Grunde: “Der eine ſolche Kunſt erfunde, “Daß man, aus Jnſchlitt, Wachs und Dacht, “So nutzbar, in der dunklen Nacht, “Uns eine kleine Sonne macht. “Wie kann es dann doch moͤglich ſeyn, “Daß man der Sonnen Wunder-Schein, “Das ungemeßne Licht-Gefaͤße, “Von ſolcher Ordnung, Pracht und Groͤße, “Das Leben, Aug’ und Schmuck der Welt, “Von ungefehr entſtanden haͤlt? “Dieß waͤr, von ihrer Kraft und Pracht, “Weit aͤrger, als ein Vieh, gedacht. “Wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/472
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/472>, abgerufen am 24.11.2024.