Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Der Hochmuth, "Und glaubet, was er denkt, sey recht. Die Ei-gen-Lieb' herrscht in uns allen, "Und fodert, es soll einem jeden nur das, was ihm gefällt, gefallen. "Ein jeder Geist scheint, auf der Welt, mit sich, und sonst mit nichts, zufrieden. Dieß scheinet nun die wahre Quelle von unsrer Noth und Plag' hienieden. Doch laß uns ernstlich untersuchen, ob diese Plagen, Noth und Pein, Der Eigen-Liebe beyzumessen, und ihr nur zuzuschreiben seyn. Jch meyn' es nicht: Denn Eigen-Liebe scheint uns, von Gott, in unserm Leben, Als eine Quelle des Vergnügens, zum Labsal und zum Trost, gegeben. Wie würde man, ohn' Eigen-Liebe, sein eignes Jch ertragen können, Wofern uns, eine weise Liebe, die Trösterinn nicht wol- len gönnen? Der Mißbrauch unsrer Eigen-Liebe, der Hochmuth, ist es bloß allein, Wodurch wir, allen andern Menschen, und uns selbst, unerträglich seyn. Wenn dir ein andrer widerspricht, kann es dein Hoch- muth nicht vertragen; Er denkt so gleich: Der Widersprecher woll' eigentlich nichts anders sagen, Als:
Der Hochmuth, “Und glaubet, was er denkt, ſey recht. Die Ei-gen-Lieb’ herrſcht in uns allen, “Und fodert, es ſoll einem jeden nur das, was ihm gefaͤllt, gefallen. “Ein jeder Geiſt ſcheint, auf der Welt, mit ſich, und ſonſt mit nichts, zufrieden. Dieß ſcheinet nun die wahre Quelle von unſrer Noth und Plag’ hienieden. Doch laß uns ernſtlich unterſuchen, ob dieſe Plagen, Noth und Pein, Der Eigen-Liebe beyzumeſſen, und ihr nur zuzuſchreiben ſeyn. Jch meyn’ es nicht: Denn Eigen-Liebe ſcheint uns, von Gott, in unſerm Leben, Als eine Quelle des Vergnuͤgens, zum Labſal und zum Troſt, gegeben. Wie wuͤrde man, ohn’ Eigen-Liebe, ſein eignes Jch ertragen koͤnnen, Wofern uns, eine weiſe Liebe, die Troͤſterinn nicht wol- len goͤnnen? Der Mißbrauch unſrer Eigen-Liebe, der Hochmuth, iſt es bloß allein, Wodurch wir, allen andern Menſchen, und uns ſelbſt, unertraͤglich ſeyn. Wenn dir ein andrer widerſpricht, kann es dein Hoch- muth nicht vertragen; Er denkt ſo gleich: Der Widerſprecher woll’ eigentlich nichts anders ſagen, Als:
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Der Hochmuth,
“Und glaubet, was er denkt, ſey recht. Die Ei-
gen-Lieb’ herrſcht in uns allen,
“Und fodert, es ſoll einem jeden nur das, was ihm
gefaͤllt, gefallen.
“Ein jeder Geiſt ſcheint, auf der Welt, mit ſich,
und ſonſt mit nichts, zufrieden.
Dieß ſcheinet nun die wahre Quelle von unſrer Noth
und Plag’ hienieden.
Doch laß uns ernſtlich unterſuchen, ob dieſe Plagen,
Noth und Pein,
Der Eigen-Liebe beyzumeſſen, und ihr nur zuzuſchreiben
ſeyn.
Jch meyn’ es nicht: Denn Eigen-Liebe ſcheint uns,
von Gott, in unſerm Leben,
Als eine Quelle des Vergnuͤgens, zum Labſal und zum
Troſt, gegeben.
Wie wuͤrde man, ohn’ Eigen-Liebe, ſein eignes Jch
ertragen koͤnnen,
Wofern uns, eine weiſe Liebe, die Troͤſterinn nicht wol-
len goͤnnen?
Der Mißbrauch unſrer Eigen-Liebe, der Hochmuth,
iſt es bloß allein,
Wodurch wir, allen andern Menſchen, und uns ſelbſt,
unertraͤglich ſeyn.
Wenn dir ein andrer widerſpricht, kann es dein Hoch-
muth nicht vertragen;
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