Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Unempfindlichkeit
über Göttliche Wohlthaten,
ein Verbrechen.
Wenn ich den Menschen recht mit Ernst, was um
und an ihm ist, erwege,

Und, daß er eigentlich ein Wesen, ein solches Wesen, überlege,
Das riechen, schmecken, fühlen, hören, auch sehen, und
gedenken, kann;

So seh' ich ihn nicht anders an,
Als daß ihm, hier in diesem Leben,
Die Sinnen, nebst der Kraft zu denken, zum sicheren
Beweis gegeben:

Daß, Der sie ihm gegeben, wolle,
Daß er sie anders, als ein Thier, das nicht gedenket,
brauchen solle.
Soll denn die Absicht, Pflicht und Vorzug, von einer
so begabten Seelen,

Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu häufen,
Geld zu zählen,

Wie es doch meist geschicht, bestehn?
"Was kann denn für ein Endzweck seyn,
"Daß wir so vielerley erhalten, in diesem Leben, als allein:
"Zu Dessen Preis und Ruhm und Ehren,
"Der uns dieß alles wollen schenken,
"Bedachtsam, süße Bluhmen riechen; was schön ist,
sehen; Töne hören;

"Was sanft ist, fühlen; Früchte schmecken, mit An-
muth; und dabey gedenken:

"Daß
Unempfindlichkeit
uͤber Goͤttliche Wohlthaten,
ein Verbrechen.
Wenn ich den Menſchen recht mit Ernſt, was um
und an ihm iſt, erwege,

Und, daß er eigentlich ein Weſen, ein ſolches Weſen, uͤberlege,
Das riechen, ſchmecken, fuͤhlen, hoͤren, auch ſehen, und
gedenken, kann;

So ſeh’ ich ihn nicht anders an,
Als daß ihm, hier in dieſem Leben,
Die Sinnen, nebſt der Kraft zu denken, zum ſicheren
Beweis gegeben:

Daß, Der ſie ihm gegeben, wolle,
Daß er ſie anders, als ein Thier, das nicht gedenket,
brauchen ſolle.
Soll denn die Abſicht, Pflicht und Vorzug, von einer
ſo begabten Seelen,

Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu haͤufen,
Geld zu zaͤhlen,

Wie es doch meiſt geſchicht, beſtehn?
“Was kann denn fuͤr ein Endzweck ſeyn,
“Daß wir ſo vielerley erhalten, in dieſem Leben, als allein:
“Zu Deſſen Preis und Ruhm und Ehren,
“Der uns dieß alles wollen ſchenken,
“Bedachtſam, ſuͤße Bluhmen riechen; was ſchoͤn iſt,
ſehen; Toͤne hoͤren;

“Was ſanft iſt, fuͤhlen; Fruͤchte ſchmecken, mit An-
muth; und dabey gedenken:

Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0518" n="504"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Unempfindlichkeit<lb/>
u&#x0364;ber Go&#x0364;ttliche Wohlthaten,<lb/>
ein Verbrechen.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>enn ich den Men&#x017F;chen recht mit Ern&#x017F;t, was um<lb/><hi rendition="#et">und an ihm i&#x017F;t, erwege,</hi></l><lb/>
                <l>Und, daß er eigentlich ein We&#x017F;en, ein &#x017F;olches We&#x017F;en, u&#x0364;berlege,</l><lb/>
                <l>Das riechen, &#x017F;chmecken, fu&#x0364;hlen, ho&#x0364;ren, auch &#x017F;ehen, und<lb/><hi rendition="#et">gedenken, kann;</hi></l><lb/>
                <l>So &#x017F;eh&#x2019; ich ihn nicht anders an,</l><lb/>
                <l>Als daß ihm, hier in die&#x017F;em Leben,</l><lb/>
                <l>Die Sinnen, neb&#x017F;t der Kraft zu denken, zum &#x017F;icheren<lb/><hi rendition="#et">Beweis gegeben:</hi></l><lb/>
                <l>Daß, Der &#x017F;ie ihm gegeben, wolle,</l><lb/>
                <l>Daß er &#x017F;ie anders, als ein Thier, das nicht gedenket,<lb/><hi rendition="#et">brauchen &#x017F;olle.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Soll denn die Ab&#x017F;icht, Pflicht und Vorzug, von einer<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o begabten Seelen,</hi></l><lb/>
                <l>Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu ha&#x0364;ufen,<lb/><hi rendition="#et">Geld zu za&#x0364;hlen,</hi></l><lb/>
                <l>Wie es doch mei&#x017F;t ge&#x017F;chicht, be&#x017F;tehn?</l><lb/>
                <l>&#x201C;Was kann denn fu&#x0364;r ein Endzweck &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß wir &#x017F;o vielerley erhalten, in die&#x017F;em Leben, als allein:</l><lb/>
                <l>&#x201C;Zu De&#x017F;&#x017F;en Preis und Ruhm und Ehren,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Der uns dieß alles wollen &#x017F;chenken,</l><lb/>
                <l>&#x201C;Bedacht&#x017F;am, &#x017F;u&#x0364;ße Bluhmen riechen; was &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ehen; To&#x0364;ne ho&#x0364;ren;</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Was &#x017F;anft i&#x017F;t, fu&#x0364;hlen; Fru&#x0364;chte &#x017F;chmecken, mit An-<lb/><hi rendition="#et">muth; und dabey gedenken:</hi></l><lb/>
                <fw place="bottom" type="catch">&#x201C;<hi rendition="#fr">Daß</hi></fw><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[504/0518] Unempfindlichkeit uͤber Goͤttliche Wohlthaten, ein Verbrechen. Wenn ich den Menſchen recht mit Ernſt, was um und an ihm iſt, erwege, Und, daß er eigentlich ein Weſen, ein ſolches Weſen, uͤberlege, Das riechen, ſchmecken, fuͤhlen, hoͤren, auch ſehen, und gedenken, kann; So ſeh’ ich ihn nicht anders an, Als daß ihm, hier in dieſem Leben, Die Sinnen, nebſt der Kraft zu denken, zum ſicheren Beweis gegeben: Daß, Der ſie ihm gegeben, wolle, Daß er ſie anders, als ein Thier, das nicht gedenket, brauchen ſolle. Soll denn die Abſicht, Pflicht und Vorzug, von einer ſo begabten Seelen, Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu haͤufen, Geld zu zaͤhlen, Wie es doch meiſt geſchicht, beſtehn? “Was kann denn fuͤr ein Endzweck ſeyn, “Daß wir ſo vielerley erhalten, in dieſem Leben, als allein: “Zu Deſſen Preis und Ruhm und Ehren, “Der uns dieß alles wollen ſchenken, “Bedachtſam, ſuͤße Bluhmen riechen; was ſchoͤn iſt, ſehen; Toͤne hoͤren; “Was ſanft iſt, fuͤhlen; Fruͤchte ſchmecken, mit An- muth; und dabey gedenken: “Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/518
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/518>, abgerufen am 22.11.2024.