Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Die Ausschweifungen der Leidenschaften. Der andre Weg ist weich und schlüpfrig, ein uner- gründlicher Morast: Auf welchem die, so ihn beschritten, von einem Hügel- chen zum andern, Jn einer stetigen Gefahr, bald springen, bald geruhig wandern; Bis sie zuletzt, ermüdet, schwach, gedruckt von ihrer eignen Last, Fast alle, nach und nach, versunken, Und, im verfaulten Wust, ertrunken. Der dritte senkte sich stets abwärts; und die densel- bigen erwählen, Bemühen sich, die hohle Tiefe beständig mehr noch aus- zuhöhlen: Sie suchen sich hindurch zu graben, sie wollen durch, sie müssen fort; Und dennoch graben sie mit Fleiß, und stets am aller- härtsten Ort. Sie suchen, sonder Ruh' und Rast, bey ihrer Gräberey, von allen, Die Stellen sich vor andern aus, woselbst ergiebige Metallen: Da sie dann theils der giftge Duft, der aus den Minen stieg, erstickte, Und theils die eingeschoßne Last des schwehren Erzes sie erdrückte. Guter
Die Ausſchweifungen der Leidenſchaften. Der andre Weg iſt weich und ſchluͤpfrig, ein uner- gruͤndlicher Moraſt: Auf welchem die, ſo ihn beſchritten, von einem Huͤgel- chen zum andern, Jn einer ſtetigen Gefahr, bald ſpringen, bald geruhig wandern; Bis ſie zuletzt, ermuͤdet, ſchwach, gedruckt von ihrer eignen Laſt, Faſt alle, nach und nach, verſunken, Und, im verfaulten Wuſt, ertrunken. Der dritte ſenkte ſich ſtets abwaͤrts; und die denſel- bigen erwaͤhlen, Bemuͤhen ſich, die hohle Tiefe beſtaͤndig mehr noch aus- zuhoͤhlen: Sie ſuchen ſich hindurch zu graben, ſie wollen durch, ſie muͤſſen fort; Und dennoch graben ſie mit Fleiß, und ſtets am aller- haͤrtſten Ort. Sie ſuchen, ſonder Ruh’ und Raſt, bey ihrer Graͤberey, von allen, Die Stellen ſich vor andern aus, woſelbſt ergiebige Metallen: Da ſie dann theils der giftge Duft, der aus den Minen ſtieg, erſtickte, Und theils die eingeſchoßne Laſt des ſchwehren Erzes ſie erdruͤckte. Guter
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Die Ausſchweifungen der Leidenſchaften.
Der andre Weg iſt weich und ſchluͤpfrig, ein uner-
gruͤndlicher Moraſt:
Auf welchem die, ſo ihn beſchritten, von einem Huͤgel-
chen zum andern,
Jn einer ſtetigen Gefahr, bald ſpringen, bald geruhig
wandern;
Bis ſie zuletzt, ermuͤdet, ſchwach, gedruckt von ihrer
eignen Laſt,
Faſt alle, nach und nach, verſunken,
Und, im verfaulten Wuſt, ertrunken.
Der dritte ſenkte ſich ſtets abwaͤrts; und die denſel-
bigen erwaͤhlen,
Bemuͤhen ſich, die hohle Tiefe beſtaͤndig mehr noch aus-
zuhoͤhlen:
Sie ſuchen ſich hindurch zu graben, ſie wollen durch, ſie
muͤſſen fort;
Und dennoch graben ſie mit Fleiß, und ſtets am aller-
haͤrtſten Ort.
Sie ſuchen, ſonder Ruh’ und Raſt, bey ihrer Graͤberey,
von allen,
Die Stellen ſich vor andern aus, woſelbſt ergiebige
Metallen:
Da ſie dann theils der giftge Duft, der aus den Minen
ſtieg, erſtickte,
Und theils die eingeſchoßne Laſt des ſchwehren Erzes
ſie erdruͤckte.
Guter
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