Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Gleichniß. Jndem ich, nach verfloßner Nacht, Und einer sanften Ruh', erwacht; Erblickt' ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel, Von einem Linden-Baum, den Phöbus Licht bestrahlt, Und den der Wind bewegt, ein scherzend Schatten-Spiel; Jndem der Blätter Heer daran sich deutlich mahlt, Und, unaufhörlich, eine Stelle Bald dunkel macht, bald wieder helle. Jch dachte diesem nach, und fand, daß auf der Erden, Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht, Jn Tag und Nacht, Beständig, auch gefunden werden. Denn, daß sie langsamer, und nicht so schnell, geschehn, Wie wir es hier im Spiel der Blätter sehn, Bestreitet dieses Gleichniß nicht. Die Zeit, worinn die Aenderung geschicht, Thut, an und für sich selbst, fast nichts dazu; da man, Mit Recht, von unsrer Zeit ja sagen kann: Daß eigentlich Die Zeit, für sich, (Aufs wenigste, wie wir sie kennen) Nicht kurz, nicht lang, zu nennen. Wenn wir demnach, nach dieser Zeit, Nicht eine Ewigkeit Zu hoffen hätten; könnten wir, Nebst unsrer Zeit und Dauer hier, So wie der Tag und Nacht auf Erden, Mit diesem Licht- und Schatten-Spiel, Nicht ungereimt, verglichen werden. Zu-
Gleichniß. Jndem ich, nach verfloßner Nacht, Und einer ſanften Ruh’, erwacht; Erblickt’ ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel, Von einem Linden-Baum, den Phoͤbus Licht beſtrahlt, Und den der Wind bewegt, ein ſcherzend Schatten-Spiel; Jndem der Blaͤtter Heer daran ſich deutlich mahlt, Und, unaufhoͤrlich, eine Stelle Bald dunkel macht, bald wieder helle. Jch dachte dieſem nach, und fand, daß auf der Erden, Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht, Jn Tag und Nacht, Beſtaͤndig, auch gefunden werden. Denn, daß ſie langſamer, und nicht ſo ſchnell, geſchehn, Wie wir es hier im Spiel der Blaͤtter ſehn, Beſtreitet dieſes Gleichniß nicht. Die Zeit, worinn die Aenderung geſchicht, Thut, an und fuͤr ſich ſelbſt, faſt nichts dazu; da man, Mit Recht, von unſrer Zeit ja ſagen kann: Daß eigentlich Die Zeit, fuͤr ſich, (Aufs wenigſte, wie wir ſie kennen) Nicht kurz, nicht lang, zu nennen. Wenn wir demnach, nach dieſer Zeit, Nicht eine Ewigkeit Zu hoffen haͤtten; koͤnnten wir, Nebſt unſrer Zeit und Dauer hier, So wie der Tag und Nacht auf Erden, Mit dieſem Licht- und Schatten-Spiel, Nicht ungereimt, verglichen werden. Zu-
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Gleichniß.
Jndem ich, nach verfloßner Nacht,
Und einer ſanften Ruh’, erwacht;
Erblickt’ ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel,
Von einem Linden-Baum, den Phoͤbus Licht beſtrahlt,
Und den der Wind bewegt, ein ſcherzend Schatten-Spiel;
Jndem der Blaͤtter Heer daran ſich deutlich mahlt,
Und, unaufhoͤrlich, eine Stelle
Bald dunkel macht, bald wieder helle.
Jch dachte dieſem nach, und fand, daß auf der Erden,
Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht,
Jn Tag und Nacht,
Beſtaͤndig, auch gefunden werden.
Denn, daß ſie langſamer, und nicht ſo ſchnell, geſchehn,
Wie wir es hier im Spiel der Blaͤtter ſehn,
Beſtreitet dieſes Gleichniß nicht.
Die Zeit, worinn die Aenderung geſchicht,
Thut, an und fuͤr ſich ſelbſt, faſt nichts dazu; da man,
Mit Recht, von unſrer Zeit ja ſagen kann:
Daß eigentlich
Die Zeit, fuͤr ſich,
(Aufs wenigſte, wie wir ſie kennen)
Nicht kurz, nicht lang, zu nennen.
Wenn wir demnach, nach dieſer Zeit,
Nicht eine Ewigkeit
Zu hoffen haͤtten; koͤnnten wir,
Nebſt unſrer Zeit und Dauer hier,
So wie der Tag und Nacht auf Erden,
Mit dieſem Licht- und Schatten-Spiel,
Nicht ungereimt, verglichen werden.
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