Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unserer gewöhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewöhnet, an allen unsern Werkzeugen die Materie als eine göttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuschickung derselben, so zum verschiedenen Gebrauche, als eine Probe der unserm Geiste von Gott zugelegten Geschick- lichkeit, und mannigfaltiger Fähigkeit, zu betrachten; da wir denn zugleich einen unstreitigen Vorzug vor andern Thieren in demselben befinden. Die bewun- dernswürdige Zubereitung unserer Hände dienen uns beständig, und oft bey jedweder veränderlichen Be- wegung, zu einem Vorwurfe und Beweise eines weisen Wesens, der uns selbige nicht allein, sondern auch dazu unserm Geiste eine so bewundernswürdige Fähig- keit, uns derselben nützlich zu gebrauchen, gegeben hat.
Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen etwas schwer an; aber durch öftere Wiederholung derselben, fallen sie uns gleichsam von selbst bey: und kann ich euch nicht sagen, was für ein inniges Ver- gnügen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen Vorstellungen als Erfüllungen derjenigen Pflichten, wozu wir gemacht seyn, und zugleich als ein Theil eines zwar schwachen, doch schuldigen, Gottes-Dienstes ansehen. Ja, indem wir unsere Arbeit mit unserm Vergnügen, und mit letzterem zugleich eine dem Schöp- fer aller Dinge zu leistende Pflicht verbinden; so ist es mir schwer, diejenigen süßen Empfindungen aus- zudrücken, welche bey dergleichen Betrachtungen sich durch unser ganzes Wesen ausbreiten, und was wir für ein inniges, sanftes und ruhiges Vergnügen da- durch empfinden.
Bey
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Eine Lehr-reiche Geſchichte.
Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unſerer gewoͤhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewoͤhnet, an allen unſern Werkzeugen die Materie als eine goͤttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuſchickung derſelben, ſo zum verſchiedenen Gebrauche, als eine Probe der unſerm Geiſte von Gott zugelegten Geſchick- lichkeit, und mannigfaltiger Faͤhigkeit, zu betrachten; da wir denn zugleich einen unſtreitigen Vorzug vor andern Thieren in demſelben befinden. Die bewun- dernswuͤrdige Zubereitung unſerer Haͤnde dienen uns beſtaͤndig, und oft bey jedweder veraͤnderlichen Be- wegung, zu einem Vorwurfe und Beweiſe eines weiſen Weſens, der uns ſelbige nicht allein, ſondern auch dazu unſerm Geiſte eine ſo bewundernswuͤrdige Faͤhig- keit, uns derſelben nuͤtzlich zu gebrauchen, gegeben hat.
Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen etwas ſchwer an; aber durch oͤftere Wiederholung derſelben, fallen ſie uns gleichſam von ſelbſt bey: und kann ich euch nicht ſagen, was fuͤr ein inniges Ver- gnuͤgen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen Vorſtellungen als Erfuͤllungen derjenigen Pflichten, wozu wir gemacht ſeyn, und zugleich als ein Theil eines zwar ſchwachen, doch ſchuldigen, Gottes-Dienſtes anſehen. Ja, indem wir unſere Arbeit mit unſerm Vergnuͤgen, und mit letzterem zugleich eine dem Schoͤp- fer aller Dinge zu leiſtende Pflicht verbinden; ſo iſt es mir ſchwer, diejenigen ſuͤßen Empfindungen aus- zudruͤcken, welche bey dergleichen Betrachtungen ſich durch unſer ganzes Weſen ausbreiten, und was wir fuͤr ein inniges, ſanftes und ruhiges Vergnuͤgen da- durch empfinden.
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Eine Lehr-reiche Geſchichte.
Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unſerer
gewoͤhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewoͤhnet,
an allen unſern Werkzeugen die Materie als eine
goͤttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuſchickung
derſelben, ſo zum verſchiedenen Gebrauche, als eine
Probe der unſerm Geiſte von Gott zugelegten Geſchick-
lichkeit, und mannigfaltiger Faͤhigkeit, zu betrachten;
da wir denn zugleich einen unſtreitigen Vorzug vor
andern Thieren in demſelben befinden. Die bewun-
dernswuͤrdige Zubereitung unſerer Haͤnde dienen uns
beſtaͤndig, und oft bey jedweder veraͤnderlichen Be-
wegung, zu einem Vorwurfe und Beweiſe eines weiſen
Weſens, der uns ſelbige nicht allein, ſondern auch
dazu unſerm Geiſte eine ſo bewundernswuͤrdige Faͤhig-
keit, uns derſelben nuͤtzlich zu gebrauchen, gegeben hat.
Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen
etwas ſchwer an; aber durch oͤftere Wiederholung
derſelben, fallen ſie uns gleichſam von ſelbſt bey: und
kann ich euch nicht ſagen, was fuͤr ein inniges Ver-
gnuͤgen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen
Vorſtellungen als Erfuͤllungen derjenigen Pflichten,
wozu wir gemacht ſeyn, und zugleich als ein Theil
eines zwar ſchwachen, doch ſchuldigen, Gottes-Dienſtes
anſehen. Ja, indem wir unſere Arbeit mit unſerm
Vergnuͤgen, und mit letzterem zugleich eine dem Schoͤp-
fer aller Dinge zu leiſtende Pflicht verbinden; ſo iſt
es mir ſchwer, diejenigen ſuͤßen Empfindungen aus-
zudruͤcken, welche bey dergleichen Betrachtungen ſich
durch unſer ganzes Weſen ausbreiten, und was wir
fuͤr ein inniges, ſanftes und ruhiges Vergnuͤgen da-
durch empfinden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/647>, abgerufen am 22.11.2024.
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