Da, wo das Grün am Rothen gränzet, Jn einem sanften Schimmer glänzet; Wodurch ein sanft Gemisch entsteht, Das, von dem sanften Roth- und Grünen, die Lieblich- keit noch mehr erhöht.
Bey dieser fröhlichen Betrachtung ward ich, von unge- fehr, gewahr, Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein' abgefallne Blätter-Schaar Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der Vergänglichkeit Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwischen ward, durch ihren Fall, Und flüchtige Beschaffenheit, Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen überall Vergänglich und veränderlich, dacht ich, muß nicht getadelt werden: Es ist des Schöpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns auf dieser Erden, Durch die Vergänglichkeit belehrt, uns unsrer Zeit gebrauchen lernen, Die uns der Schöpfer schenkt und gönnt. Weil wir aus der Erfahrung wissen, Daß, so wie alles sich verändert, wir selbst uns auch verändern müssen; So laßt uns doch, so viel wir können, uns oft am Jr- dischen vergnügen, Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und Danken fügen!
Je
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Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock.
Da, wo das Gruͤn am Rothen graͤnzet, Jn einem ſanften Schimmer glaͤnzet; Wodurch ein ſanft Gemiſch entſteht, Das, von dem ſanften Roth- und Gruͤnen, die Lieblich- keit noch mehr erhoͤht.
Bey dieſer froͤhlichen Betrachtung ward ich, von unge- fehr, gewahr, Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein’ abgefallne Blaͤtter-Schaar Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der Vergaͤnglichkeit Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwiſchen ward, durch ihren Fall, Und fluͤchtige Beſchaffenheit, Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen uͤberall Vergaͤnglich und veraͤnderlich, dacht ich, muß nicht getadelt werden: Es iſt des Schoͤpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns auf dieſer Erden, Durch die Vergaͤnglichkeit belehrt, uns unſrer Zeit gebrauchen lernen, Die uns der Schoͤpfer ſchenkt und goͤnnt. Weil wir aus der Erfahrung wiſſen, Daß, ſo wie alles ſich veraͤndert, wir ſelbſt uns auch veraͤndern muͤſſen; So laßt uns doch, ſo viel wir koͤnnen, uns oft am Jr- diſchen vergnuͤgen, Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und Danken fuͤgen!
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Der fruͤh bluͤhende Roſenſtock.
Da, wo das Gruͤn am Rothen graͤnzet,
Jn einem ſanften Schimmer glaͤnzet;
Wodurch ein ſanft Gemiſch entſteht,
Das, von dem ſanften Roth- und Gruͤnen, die Lieblich-
keit noch mehr erhoͤht.
Bey dieſer froͤhlichen Betrachtung ward ich, von unge-
fehr, gewahr,
Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein’ abgefallne
Blaͤtter-Schaar
Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der
Vergaͤnglichkeit
Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwiſchen ward,
durch ihren Fall,
Und fluͤchtige Beſchaffenheit,
Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen
uͤberall
Vergaͤnglich und veraͤnderlich, dacht ich, muß nicht
getadelt werden:
Es iſt des Schoͤpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns
auf dieſer Erden,
Durch die Vergaͤnglichkeit belehrt, uns unſrer Zeit
gebrauchen lernen,
Die uns der Schoͤpfer ſchenkt und goͤnnt. Weil wir
aus der Erfahrung wiſſen,
Daß, ſo wie alles ſich veraͤndert, wir ſelbſt uns auch
veraͤndern muͤſſen;
So laßt uns doch, ſo viel wir koͤnnen, uns oft am Jr-
diſchen vergnuͤgen,
Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und
Danken fuͤgen!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/81>, abgerufen am 26.06.2024.
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