Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Betrachtungen Die Natur, auch hier zu zeigen, Wie so mild und reich sie sey, Zeuget auf den Maulbeerzweigen Dieser Früchte zweyerley. Sie schenkt mehr, als wir begehren, Es giebt schwarz', auch weiße, Beeren, Die sind, theilt man sie genau, Röthlich theils, theils gelb, theils grau. Sind nun gleich der weißen Säfte Am Geschmack so lieblich nicht, Sind doch ihrer Blätter Kräfte Desto besser zugericht, Daß sie mit dem zarten Grünen Dem Gewürm zur Nahrung dienen, Welches uns die Seide webt, Wo so mancher Mensch von lebt. Um uns lange Zeit zu dienen, Reifen sie nicht auf einmal; Dieß ist sonderlich an ihnen, Daß sie in gemeßner Zahl Mehr als in die sieben Wochen Jmmer werden abgebrochen; Sie vergehen allgemach; Sie erscheinen nach und nach. Gottheit, die du deine Liebe, Und wie sehr du uns geneigt, Nebst dem Macht- und Weisheitstriebe, Auch in dieser Frucht gezeigt, Gieb, daß, wenn ich Maulbeer' esse, Jch dein Wunderwerk ermesse, So in ihrem holden Saft, Als in meiner Zunge Kraft. Apri-
Betrachtungen Die Natur, auch hier zu zeigen, Wie ſo mild und reich ſie ſey, Zeuget auf den Maulbeerzweigen Dieſer Fruͤchte zweyerley. Sie ſchenkt mehr, als wir begehren, Es giebt ſchwarz’, auch weiße, Beeren, Die ſind, theilt man ſie genau, Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau. Sind nun gleich der weißen Saͤfte Am Geſchmack ſo lieblich nicht, Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte Deſto beſſer zugericht, Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen, Welches uns die Seide webt, Wo ſo mancher Menſch von lebt. Um uns lange Zeit zu dienen, Reifen ſie nicht auf einmal; Dieß iſt ſonderlich an ihnen, Daß ſie in gemeßner Zahl Mehr als in die ſieben Wochen Jmmer werden abgebrochen; Sie vergehen allgemach; Sie erſcheinen nach und nach. Gottheit, die du deine Liebe, Und wie ſehr du uns geneigt, Nebſt dem Macht- und Weisheitstriebe, Auch in dieſer Frucht gezeigt, Gieb, daß, wenn ich Maulbeer’ eſſe, Jch dein Wunderwerk ermeſſe, So in ihrem holden Saft, Als in meiner Zunge Kraft. Apri-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0194" n="174"/> <fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/> <lg n="678"> <l>Die Natur, auch hier zu zeigen,</l><lb/> <l>Wie ſo mild und reich ſie ſey,</l><lb/> <l>Zeuget auf den Maulbeerzweigen</l><lb/> <l>Dieſer Fruͤchte zweyerley.</l><lb/> <l>Sie ſchenkt mehr, als wir begehren,</l><lb/> <l>Es giebt ſchwarz’, auch weiße, Beeren,</l><lb/> <l>Die ſind, theilt man ſie genau,</l><lb/> <l>Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau.</l> </lg><lb/> <lg n="679"> <l>Sind nun gleich der weißen Saͤfte</l><lb/> <l>Am Geſchmack ſo lieblich nicht,</l><lb/> <l>Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte</l><lb/> <l>Deſto beſſer zugericht,</l><lb/> <l>Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen</l><lb/> <l>Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen,</l><lb/> <l>Welches uns die Seide webt,</l><lb/> <l>Wo ſo mancher Menſch von lebt.</l> </lg><lb/> <lg n="680"> <l>Um uns lange Zeit zu dienen,</l><lb/> <l>Reifen ſie nicht auf einmal;</l><lb/> <l>Dieß iſt ſonderlich an ihnen,</l><lb/> <l>Daß ſie in gemeßner Zahl</l><lb/> <l>Mehr als in die ſieben Wochen</l><lb/> <l>Jmmer werden abgebrochen;</l><lb/> <l>Sie vergehen allgemach;</l><lb/> <l>Sie erſcheinen nach und nach.</l> </lg><lb/> <lg n="681"> <l>Gottheit, die du deine Liebe,</l><lb/> <l>Und wie ſehr du uns geneigt,</l><lb/> <l>Nebſt dem Macht- und Weisheitstriebe,</l><lb/> <l>Auch in dieſer Frucht gezeigt,</l><lb/> <l>Gieb, daß, wenn ich Maulbeer’ eſſe,</l><lb/> <l>Jch dein Wunderwerk ermeſſe,</l><lb/> <l>So in ihrem holden Saft,</l><lb/> <l>Als in meiner Zunge Kraft.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Apri-</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [174/0194]
Betrachtungen
Die Natur, auch hier zu zeigen,
Wie ſo mild und reich ſie ſey,
Zeuget auf den Maulbeerzweigen
Dieſer Fruͤchte zweyerley.
Sie ſchenkt mehr, als wir begehren,
Es giebt ſchwarz’, auch weiße, Beeren,
Die ſind, theilt man ſie genau,
Roͤthlich theils, theils gelb, theils grau.
Sind nun gleich der weißen Saͤfte
Am Geſchmack ſo lieblich nicht,
Sind doch ihrer Blaͤtter Kraͤfte
Deſto beſſer zugericht,
Daß ſie mit dem zarten Gruͤnen
Dem Gewuͤrm zur Nahrung dienen,
Welches uns die Seide webt,
Wo ſo mancher Menſch von lebt.
Um uns lange Zeit zu dienen,
Reifen ſie nicht auf einmal;
Dieß iſt ſonderlich an ihnen,
Daß ſie in gemeßner Zahl
Mehr als in die ſieben Wochen
Jmmer werden abgebrochen;
Sie vergehen allgemach;
Sie erſcheinen nach und nach.
Gottheit, die du deine Liebe,
Und wie ſehr du uns geneigt,
Nebſt dem Macht- und Weisheitstriebe,
Auch in dieſer Frucht gezeigt,
Gieb, daß, wenn ich Maulbeer’ eſſe,
Jch dein Wunderwerk ermeſſe,
So in ihrem holden Saft,
Als in meiner Zunge Kraft.
Apri-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |