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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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Betrachtungen
Und die aus ungezählten harten, subtil- und dünnen Zä-
serlein

Bestehen, in, und durch einander geflochten und verbun-
den seyn,

Worinn aus aller Thiere Hirn sich, durch die Sehnen,
Geister senken,

Sie schwellen und dadurch verkürzen, wodurch die wieder
nach sich ziehn

Die Knochen, die an ihnen hangen, und sie bald hier,
bald dorthin lenken.
So lange nun gedachte Geister sie zu bewegen sich be-
mühn,

So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber diese Gei-
stigkeiten

Nach ihren anerschaffenen und eigenen Beschaffenheiten
Sich leicht erschöpfen und vermindern; ist uns und je-
dem Thier das Schlafen,

Wodurch die Geister sich erholen, bewundernswürdig an-
erschaffen.

Was lebet, schließt, sich zu erquicken, in der so ange-
nehmen Ruh'

Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen müde Lie-
der zu.

Jm Schlafe sammeln sich aufs neu, ergänzen, mehren,
zeugen, stärken

Und häufen sich die Geistigkeiten, so daß wir dann nebst
allem Vieh'

Ein ganz verändert Wesen spüren, und, mehrentheils des
Morgens früh,

Vermehrte Kräfte, Munterkeit, und neue Fähigkeit ver-
merken.
So
Betrachtungen
Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil- und duͤnnen Zaͤ-
ſerlein

Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun-
den ſeyn,

Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen,
Geiſter ſenken,

Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder
nach ſich ziehn

Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier,
bald dorthin lenken.
So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be-
muͤhn,

So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei-
ſtigkeiten

Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten
Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je-
dem Thier das Schlafen,

Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an-
erſchaffen.

Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange-
nehmen Ruh’

Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie-
der zu.

Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren,
zeugen, ſtaͤrken

Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt
allem Vieh’

Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des
Morgens fruͤh,

Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver-
merken.
So
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[216/0236] Betrachtungen Und die aus ungezaͤhlten harten, ſubtil- und duͤnnen Zaͤ- ſerlein Beſtehen, in, und durch einander geflochten und verbun- den ſeyn, Worinn aus aller Thiere Hirn ſich, durch die Sehnen, Geiſter ſenken, Sie ſchwellen und dadurch verkuͤrzen, wodurch die wieder nach ſich ziehn Die Knochen, die an ihnen hangen, und ſie bald hier, bald dorthin lenken. So lange nun gedachte Geiſter ſie zu bewegen ſich be- muͤhn, So wachen wir, und alle Thiere. Weil aber dieſe Gei- ſtigkeiten Nach ihren anerſchaffenen und eigenen Beſchaffenheiten Sich leicht erſchoͤpfen und vermindern; iſt uns und je- dem Thier das Schlafen, Wodurch die Geiſter ſich erholen, bewundernswuͤrdig an- erſchaffen. Was lebet, ſchließt, ſich zu erquicken, in der ſo ange- nehmen Ruh’ Mit Anmuth, auch oft wider Willen, der Augen muͤde Lie- der zu. Jm Schlafe ſammeln ſich aufs neu, ergaͤnzen, mehren, zeugen, ſtaͤrken Und haͤufen ſich die Geiſtigkeiten, ſo daß wir dann nebſt allem Vieh’ Ein ganz veraͤndert Weſen ſpuͤren, und, mehrentheils des Morgens fruͤh, Vermehrte Kraͤfte, Munterkeit, und neue Faͤhigkeit ver- merken. So

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/236>, abgerufen am 24.11.2024.