Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtungen
Der Chamäleon.
Auch ist der Chamäleon, mancher Ursach' halber,
werth,
Daß in seinem sondern Bau man bey ihm den Schöpfer
ehrt.
Wunderbar an diesem Thier ist die wandelbare Haut,
Als worinn man alle Farben, in beständ'ger Aendrung,
schaut,
Die dieselbe von den Körpern, die ihr nahe liegen, nimmt.
Seine Augen scheinen gleichfalls zur Verwunderung be-
stimmt,
Da die Aepfel sich nicht drehn, wie an allen andern Thieren,
Wenn er sehen will, so muß er das ganze Auge rühren,
Und zwar beyde nicht zugleich, sondern, wenn er eines dreht,
Wird man insgemein gewahr, daß das andre stille steht.
Aus dem nie geschloßnen Maul schießt er eine lange Zunge
Mit so großer Schnelligkeit, daß man sie kaum sieht.
Die Lunge
Jst an ihm besonders groß. Alle Würmer, Fliegen,
Mücken
Weis er durch die Schnelligkeit seiner Zunge zu berücken.
Zwar ist nicht viel Fleisch an ihnen,
Doch soll den Cochinchinesern es zur süßen Nahrung dienen.
Es wird auch in Arzeneyen von verschiedenen genommen,
Jn sehr vielerley Gebrechen soll es uns zu Nutzen kommen;
Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen bösen Seuchen,
Sollen sie, wie mans erfahren, öfters schnelle Hülf uns
reichen.


Der
Betrachtungen
Der Chamaͤleon.
Auch iſt der Chamaͤleon, mancher Urſach’ halber,
werth,
Daß in ſeinem ſondern Bau man bey ihm den Schoͤpfer
ehrt.
Wunderbar an dieſem Thier iſt die wandelbare Haut,
Als worinn man alle Farben, in beſtaͤnd’ger Aendrung,
ſchaut,
Die dieſelbe von den Koͤrpern, die ihr nahe liegen, nimmt.
Seine Augen ſcheinen gleichfalls zur Verwunderung be-
ſtimmt,
Da die Aepfel ſich nicht drehn, wie an allen andern Thieren,
Wenn er ſehen will, ſo muß er das ganze Auge ruͤhren,
Und zwar beyde nicht zugleich, ſondern, wenn er eines dreht,
Wird man insgemein gewahr, daß das andre ſtille ſteht.
Aus dem nie geſchloßnen Maul ſchießt er eine lange Zunge
Mit ſo großer Schnelligkeit, daß man ſie kaum ſieht.
Die Lunge
Jſt an ihm beſonders groß. Alle Wuͤrmer, Fliegen,
Muͤcken
Weis er durch die Schnelligkeit ſeiner Zunge zu beruͤcken.
Zwar iſt nicht viel Fleiſch an ihnen,
Doch ſoll den Cochinchineſern es zur ſuͤßen Nahrung dienen.
Es wird auch in Arzeneyen von verſchiedenen genommen,
Jn ſehr vielerley Gebrechen ſoll es uns zu Nutzen kommen;
Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen boͤſen Seuchen,
Sollen ſie, wie mans erfahren, oͤfters ſchnelle Huͤlf uns
reichen.


Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0314" n="294"/>
        <fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Chama&#x0364;leon.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">A</hi>uch i&#x017F;t der Chama&#x0364;leon, mancher Ur&#x017F;ach&#x2019; halber,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">werth,</hi> </l><lb/>
            <l>Daß in &#x017F;einem &#x017F;ondern Bau man bey ihm den Scho&#x0364;pfer</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">ehrt.</hi> </l><lb/>
            <l>Wunderbar an die&#x017F;em Thier i&#x017F;t die wandelbare Haut,</l><lb/>
            <l>Als worinn man alle Farben, in be&#x017F;ta&#x0364;nd&#x2019;ger Aendrung,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chaut,</hi> </l><lb/>
            <l>Die die&#x017F;elbe von den Ko&#x0364;rpern, die ihr nahe liegen, nimmt.</l><lb/>
            <l>Seine Augen &#x017F;cheinen gleichfalls zur Verwunderung be-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;timmt,</hi> </l><lb/>
            <l>Da die Aepfel &#x017F;ich nicht drehn, wie an allen andern Thieren,</l><lb/>
            <l>Wenn er &#x017F;ehen will, &#x017F;o muß er das ganze Auge ru&#x0364;hren,</l><lb/>
            <l>Und zwar beyde nicht zugleich, &#x017F;ondern, wenn er eines dreht,</l><lb/>
            <l>Wird man insgemein gewahr, daß das andre &#x017F;tille &#x017F;teht.</l><lb/>
            <l>Aus dem nie ge&#x017F;chloßnen Maul &#x017F;chießt er eine lange Zunge</l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;o großer Schnelligkeit, daß man &#x017F;ie kaum &#x017F;ieht.</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Die Lunge</hi> </l><lb/>
            <l>J&#x017F;t an ihm be&#x017F;onders groß. Alle Wu&#x0364;rmer, Fliegen,</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Mu&#x0364;cken</hi> </l><lb/>
            <l>Weis er durch die Schnelligkeit &#x017F;einer Zunge zu beru&#x0364;cken.</l><lb/>
            <l>Zwar i&#x017F;t nicht viel Flei&#x017F;ch an ihnen,</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;oll den Cochinchine&#x017F;ern es zur &#x017F;u&#x0364;ßen Nahrung dienen.</l><lb/>
            <l>Es wird auch in Arzeneyen von ver&#x017F;chiedenen genommen,</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;ehr vielerley Gebrechen &#x017F;oll es uns zu Nutzen kommen;</l><lb/>
            <l>Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen bo&#x0364;&#x017F;en Seuchen,</l><lb/>
            <l>Sollen &#x017F;ie, wie mans erfahren, o&#x0364;fters &#x017F;chnelle Hu&#x0364;lf uns</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">reichen.</hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0314] Betrachtungen Der Chamaͤleon. Auch iſt der Chamaͤleon, mancher Urſach’ halber, werth, Daß in ſeinem ſondern Bau man bey ihm den Schoͤpfer ehrt. Wunderbar an dieſem Thier iſt die wandelbare Haut, Als worinn man alle Farben, in beſtaͤnd’ger Aendrung, ſchaut, Die dieſelbe von den Koͤrpern, die ihr nahe liegen, nimmt. Seine Augen ſcheinen gleichfalls zur Verwunderung be- ſtimmt, Da die Aepfel ſich nicht drehn, wie an allen andern Thieren, Wenn er ſehen will, ſo muß er das ganze Auge ruͤhren, Und zwar beyde nicht zugleich, ſondern, wenn er eines dreht, Wird man insgemein gewahr, daß das andre ſtille ſteht. Aus dem nie geſchloßnen Maul ſchießt er eine lange Zunge Mit ſo großer Schnelligkeit, daß man ſie kaum ſieht. Die Lunge Jſt an ihm beſonders groß. Alle Wuͤrmer, Fliegen, Muͤcken Weis er durch die Schnelligkeit ſeiner Zunge zu beruͤcken. Zwar iſt nicht viel Fleiſch an ihnen, Doch ſoll den Cochinchineſern es zur ſuͤßen Nahrung dienen. Es wird auch in Arzeneyen von verſchiedenen genommen, Jn ſehr vielerley Gebrechen ſoll es uns zu Nutzen kommen; Jn den Fiebern, Podagra, auch in denen boͤſen Seuchen, Sollen ſie, wie mans erfahren, oͤfters ſchnelle Huͤlf uns reichen. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/314
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/314>, abgerufen am 22.11.2024.