Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Reich der Thiere.
Der Biber.
Wo eins von allen andern Thieren den Menschen was
Beträchtlichs zeiget,
So ist es dieß besondre Thier; indem, was man an ihm
erblickt,
Fast alles das, was Thierisch heißt, in seinem Bauen
übersteiget,
Da solches nicht allein von ihm bewundernswürdig zuge-
schickt,
Da es die größten Bäume fällt, das Holz in richt'ge
Stücke theilet,
Sie auf die breite Schwänze legt, mit ihnen nach der
Wohnung eilet,
Sie künstlich, regelmäßig fügt; ja, daß die Flut sie
nicht verschwemmet,
Mit großer Vorsicht, Müh und Fleiß oft einen ganzen
Fluß verdämmet.
Sie theilen ihre Wohnung selbst in unterschiedne Stock-
werk ein,
Damit sie in dem obersten, bey feuchten Zeiten, sicher
seyn.
Verwunderlich ist die Geduld, da, wenn sie sich, ge-
scheucht, verstecken,
Sie sich in zwey bis dreyen Tagen nicht wieder aus der
Flut entdecken.
Die Wilden, welche diesen Vorthel denselbigen nun ab-
gemerkt,
Sind durch dieß Beyspiel der Geduld, in einer Art Ge-
duld gestärkt,
Da sie sich für geschimpfet halten, von Bibern sich be-
siegt zu sehn:
Da-
U 3
uͤber das Reich der Thiere.
Der Biber.
Wo eins von allen andern Thieren den Menſchen was
Betraͤchtlichs zeiget,
So iſt es dieß beſondre Thier; indem, was man an ihm
erblickt,
Faſt alles das, was Thieriſch heißt, in ſeinem Bauen
uͤberſteiget,
Da ſolches nicht allein von ihm bewundernswuͤrdig zuge-
ſchickt,
Da es die groͤßten Baͤume faͤllt, das Holz in richt’ge
Stuͤcke theilet,
Sie auf die breite Schwaͤnze legt, mit ihnen nach der
Wohnung eilet,
Sie kuͤnſtlich, regelmaͤßig fuͤgt; ja, daß die Flut ſie
nicht verſchwemmet,
Mit großer Vorſicht, Muͤh und Fleiß oft einen ganzen
Fluß verdaͤmmet.
Sie theilen ihre Wohnung ſelbſt in unterſchiedne Stock-
werk ein,
Damit ſie in dem oberſten, bey feuchten Zeiten, ſicher
ſeyn.
Verwunderlich iſt die Geduld, da, wenn ſie ſich, ge-
ſcheucht, verſtecken,
Sie ſich in zwey bis dreyen Tagen nicht wieder aus der
Flut entdecken.
Die Wilden, welche dieſen Vorthel denſelbigen nun ab-
gemerkt,
Sind durch dieß Beyſpiel der Geduld, in einer Art Ge-
duld geſtaͤrkt,
Da ſie ſich fuͤr geſchimpfet halten, von Bibern ſich be-
ſiegt zu ſehn:
Da-
U 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0329" n="309"/>
        <fw place="top" type="header">u&#x0364;ber das Reich der Thiere.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Der Biber.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>o eins von allen andern Thieren den Men&#x017F;chen was</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Betra&#x0364;chtlichs zeiget,</hi> </l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t es dieß be&#x017F;ondre Thier; indem, was man an ihm</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">erblickt,</hi> </l><lb/>
            <l>Fa&#x017F;t alles das, was Thieri&#x017F;ch heißt, in &#x017F;einem Bauen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">u&#x0364;ber&#x017F;teiget,</hi> </l><lb/>
            <l>Da &#x017F;olches nicht allein von ihm bewundernswu&#x0364;rdig zuge-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chickt,</hi> </l><lb/>
            <l>Da es die gro&#x0364;ßten Ba&#x0364;ume fa&#x0364;llt, das Holz in richt&#x2019;ge</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Stu&#x0364;cke theilet,</hi> </l><lb/>
            <l>Sie auf die breite Schwa&#x0364;nze legt, mit ihnen nach der</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Wohnung eilet,</hi> </l><lb/>
            <l>Sie ku&#x0364;n&#x017F;tlich, regelma&#x0364;ßig fu&#x0364;gt; ja, daß die Flut &#x017F;ie</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">nicht ver&#x017F;chwemmet,</hi> </l><lb/>
            <l>Mit großer Vor&#x017F;icht, Mu&#x0364;h und Fleiß oft einen ganzen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Fluß verda&#x0364;mmet.</hi> </l><lb/>
            <l>Sie theilen ihre Wohnung &#x017F;elb&#x017F;t in unter&#x017F;chiedne Stock-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">werk ein,</hi> </l><lb/>
            <l>Damit &#x017F;ie in dem ober&#x017F;ten, bey feuchten Zeiten, &#x017F;icher</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;eyn.</hi> </l><lb/>
            <l>Verwunderlich i&#x017F;t die Geduld, da, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich, ge-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;cheucht, ver&#x017F;tecken,</hi> </l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;ich in zwey bis dreyen Tagen nicht wieder aus der</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Flut entdecken.</hi> </l><lb/>
            <l>Die Wilden, welche die&#x017F;en Vorthel den&#x017F;elbigen nun ab-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">gemerkt,</hi> </l><lb/>
            <l>Sind durch dieß Bey&#x017F;piel der Geduld, in einer Art Ge-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">duld ge&#x017F;ta&#x0364;rkt,</hi> </l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;r ge&#x017F;chimpfet halten, von Bibern &#x017F;ich be-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;iegt zu &#x017F;ehn:</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">U 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Da-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0329] uͤber das Reich der Thiere. Der Biber. Wo eins von allen andern Thieren den Menſchen was Betraͤchtlichs zeiget, So iſt es dieß beſondre Thier; indem, was man an ihm erblickt, Faſt alles das, was Thieriſch heißt, in ſeinem Bauen uͤberſteiget, Da ſolches nicht allein von ihm bewundernswuͤrdig zuge- ſchickt, Da es die groͤßten Baͤume faͤllt, das Holz in richt’ge Stuͤcke theilet, Sie auf die breite Schwaͤnze legt, mit ihnen nach der Wohnung eilet, Sie kuͤnſtlich, regelmaͤßig fuͤgt; ja, daß die Flut ſie nicht verſchwemmet, Mit großer Vorſicht, Muͤh und Fleiß oft einen ganzen Fluß verdaͤmmet. Sie theilen ihre Wohnung ſelbſt in unterſchiedne Stock- werk ein, Damit ſie in dem oberſten, bey feuchten Zeiten, ſicher ſeyn. Verwunderlich iſt die Geduld, da, wenn ſie ſich, ge- ſcheucht, verſtecken, Sie ſich in zwey bis dreyen Tagen nicht wieder aus der Flut entdecken. Die Wilden, welche dieſen Vorthel denſelbigen nun ab- gemerkt, Sind durch dieß Beyſpiel der Geduld, in einer Art Ge- duld geſtaͤrkt, Da ſie ſich fuͤr geſchimpfet halten, von Bibern ſich be- ſiegt zu ſehn: Da- U 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/329
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/329>, abgerufen am 22.11.2024.