Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.zum irdischen Vergnügen in Gott. Herbstgedanken. Zu Blättern gewordene Säfte der Erden, Die ihr, uns Menschen zu vergnügen, Von unten in die Höh gestiegen, Jn tausend Röhren circulirt, Vom Finger der Natur geziert, So schön geformt, gefügt, gewebet, Uns Kühlung, Lust und Schatten gebet! Jhr habt bisher so schön gegrünt, Den Sommer über uns gedient, Und oft uns, inniglich gerühret, Zu eurem allmächtigen Schöpfer geführet. Jtzt scheinet euer lieblich Grün, Das vor Smaragden ähnlich schien, Sich zu entfärben, zu erbleichen. Ja, es bereitet sich so gar, Wie mich bedeucht, die ganze Schaar Uns zu verlassen, zu entweichen. Jch seh, im Geist, die Wipfel leer, Und abgestreiften Ruthen gleichen. Doch eh' ihr fallt, will ich vorher An euren itzt fast güldnen Schätzen, Mich noch, so lang' ihr da, ergetzen. Wie lieblich wird der Sonnen Licht, Wann sichs auf euren Flächen bricht, Jn einem gelben Glanz, gemildert! Vom Pinsel der Natur geschildert, Kommt ihr uns öfters als Drap'd'or, Jn dunkelblauen Lüften, vor, Die B b 5
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Herbſtgedanken. Zu Blaͤttern gewordene Saͤfte der Erden, Die ihr, uns Menſchen zu vergnuͤgen, Von unten in die Hoͤh geſtiegen, Jn tauſend Roͤhren circulirt, Vom Finger der Natur geziert, So ſchoͤn geformt, gefuͤgt, gewebet, Uns Kuͤhlung, Luſt und Schatten gebet! Jhr habt bisher ſo ſchoͤn gegruͤnt, Den Sommer uͤber uns gedient, Und oft uns, inniglich geruͤhret, Zu eurem allmaͤchtigen Schoͤpfer gefuͤhret. Jtzt ſcheinet euer lieblich Gruͤn, Das vor Smaragden aͤhnlich ſchien, Sich zu entfaͤrben, zu erbleichen. Ja, es bereitet ſich ſo gar, Wie mich bedeucht, die ganze Schaar Uns zu verlaſſen, zu entweichen. Jch ſeh, im Geiſt, die Wipfel leer, Und abgeſtreiften Ruthen gleichen. Doch eh’ ihr fallt, will ich vorher An euren itzt faſt guͤldnen Schaͤtzen, Mich noch, ſo lang’ ihr da, ergetzen. Wie lieblich wird der Sonnen Licht, Wann ſichs auf euren Flaͤchen bricht, Jn einem gelben Glanz, gemildert! Vom Pinſel der Natur geſchildert, Kommt ihr uns oͤfters als Drap’d’or, Jn dunkelblauen Luͤften, vor, Die B b 5
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Herbſtgedanken.
Zu Blaͤttern gewordene Saͤfte der Erden,
Die ihr, uns Menſchen zu vergnuͤgen,
Von unten in die Hoͤh geſtiegen,
Jn tauſend Roͤhren circulirt,
Vom Finger der Natur geziert,
So ſchoͤn geformt, gefuͤgt, gewebet,
Uns Kuͤhlung, Luſt und Schatten gebet!
Jhr habt bisher ſo ſchoͤn gegruͤnt,
Den Sommer uͤber uns gedient,
Und oft uns, inniglich geruͤhret,
Zu eurem allmaͤchtigen Schoͤpfer gefuͤhret.
Jtzt ſcheinet euer lieblich Gruͤn,
Das vor Smaragden aͤhnlich ſchien,
Sich zu entfaͤrben, zu erbleichen.
Ja, es bereitet ſich ſo gar,
Wie mich bedeucht, die ganze Schaar
Uns zu verlaſſen, zu entweichen.
Jch ſeh, im Geiſt, die Wipfel leer,
Und abgeſtreiften Ruthen gleichen.
Doch eh’ ihr fallt, will ich vorher
An euren itzt faſt guͤldnen Schaͤtzen,
Mich noch, ſo lang’ ihr da, ergetzen.
Wie lieblich wird der Sonnen Licht,
Wann ſichs auf euren Flaͤchen bricht,
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Vom Pinſel der Natur geſchildert,
Kommt ihr uns oͤfters als Drap’d’or,
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