Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.zum irdischen Vergnügen in Gott. Gehobener Zweifel. A. Jch mag, so viel ich will, mich zwingen, zu glauben, daß nach diesem Leben Den Seelen die Unsterblichkeit und eine stete Daur gege- ben; Wenn alles andre auch erwiesen, fällt mir der Zweifel immer bey, Ob nicht die Quelle dieses Glaubens allein die Eigenlie- be sey? Die Eigenliebe prägt allein, Da jeder lieber lebt als stirbet, Und lieber dauret als verdirbet, Die Hoffnung den Gedanken ein; Die Hoffnung wird zuletzt zum Glauben, Und diesen, weil er uns ersprießlich, läßt man sich nicht so leichtlich rauben. Du magst denn sagen, was du willt, so lang' als man dieß wahr befindet, Daß die Unsterblichkeit der Seelen sich bloß auf Eigenlie- be gründet; So bleibt mir stets ein Zweifel übrig. B. Auch die- ser Zweifel ist zu heben, Und will ich, um ihn zu vertilgen, dir ein unfehlbar Mittel geben. Bemerke diese große Wahrheit, erwäge sie genau, und denke: Die Eigenlieb' ist selbst nicht unser, sie ist ein göttliches Geschenke. Ver- D d 4
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Gehobener Zweifel. A. Jch mag, ſo viel ich will, mich zwingen, zu glauben, daß nach dieſem Leben Den Seelen die Unſterblichkeit und eine ſtete Daur gege- ben; Wenn alles andre auch erwieſen, faͤllt mir der Zweifel immer bey, Ob nicht die Quelle dieſes Glaubens allein die Eigenlie- be ſey? Die Eigenliebe praͤgt allein, Da jeder lieber lebt als ſtirbet, Und lieber dauret als verdirbet, Die Hoffnung den Gedanken ein; Die Hoffnung wird zuletzt zum Glauben, Und dieſen, weil er uns erſprießlich, laͤßt man ſich nicht ſo leichtlich rauben. Du magſt denn ſagen, was du willt, ſo lang’ als man dieß wahr befindet, Daß die Unſterblichkeit der Seelen ſich bloß auf Eigenlie- be gruͤndet; So bleibt mir ſtets ein Zweifel uͤbrig. B. Auch die- ſer Zweifel iſt zu heben, Und will ich, um ihn zu vertilgen, dir ein unfehlbar Mittel geben. Bemerke dieſe große Wahrheit, erwaͤge ſie genau, und denke: Die Eigenlieb’ iſt ſelbſt nicht unſer, ſie iſt ein goͤttliches Geſchenke. Ver- D d 4
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
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A.
Jch mag, ſo viel ich will, mich zwingen, zu glauben,
daß nach dieſem Leben
Den Seelen die Unſterblichkeit und eine ſtete Daur gege-
ben;
Wenn alles andre auch erwieſen, faͤllt mir der Zweifel
immer bey,
Ob nicht die Quelle dieſes Glaubens allein die Eigenlie-
be ſey?
Die Eigenliebe praͤgt allein,
Da jeder lieber lebt als ſtirbet,
Und lieber dauret als verdirbet,
Die Hoffnung den Gedanken ein;
Die Hoffnung wird zuletzt zum Glauben,
Und dieſen, weil er uns erſprießlich, laͤßt man ſich nicht
ſo leichtlich rauben.
Du magſt denn ſagen, was du willt, ſo lang’ als man
dieß wahr befindet,
Daß die Unſterblichkeit der Seelen ſich bloß auf Eigenlie-
be gruͤndet;
So bleibt mir ſtets ein Zweifel uͤbrig. B. Auch die-
ſer Zweifel iſt zu heben,
Und will ich, um ihn zu vertilgen, dir ein unfehlbar
Mittel geben.
Bemerke dieſe große Wahrheit, erwaͤge ſie genau, und
denke:
Die Eigenlieb’ iſt ſelbſt nicht unſer, ſie iſt ein goͤttliches
Geſchenke.
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