Nun fragt es sich, ob sie so theilbar und ob wir uns viel- leicht nicht irren, Und, durch ein solches Unterscheiden, nicht uns sowohl als sie verwirren, Oft eine für die andre nehmen? da keine doch für sich allein, Wenn man ein wenig tiefer denket, kann eigentlich be- trachtet seyn. Laßt uns den Willen untersuchen! ob wir ihn von den andern trennen, Und, ohn Vernunft und Phantasey, ihn eigentlich be- trachten können? Ob er, wenn er allein betrachtet, für sich wohl etwas anders scheine, Als eine Neigung zu der Sache, wovon ich, daß sie gut, vermeyne, Dem sie, es sey das Gute nun wahr oder falsch, gleich zu zu fallen Nicht leichtlich sich enthalten wird? und ob sie darinn unter allen Jn körperlichen Dingen, nicht fast mit der Schwere zu vergleichen, Die ungesäumt sich abwerts lenkt, Und, ohn ein überlegend Zögern, sich nach der Erden Centro senkt?
Der Will' ist bloß ein Trieb zum Guten, es sey dasselbe wirklich wahr; Es sey ein Scheingut. Beydes macht des Willens Nei- gung offenbar. Es fraget sich nun weiter noch, ob es uns mit dem Wil- len, nicht Als einem, der Toback raucht, gehet,
Da
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Nun fragt es ſich, ob ſie ſo theilbar und ob wir uns viel- leicht nicht irren, Und, durch ein ſolches Unterſcheiden, nicht uns ſowohl als ſie verwirren, Oft eine fuͤr die andre nehmen? da keine doch fuͤr ſich allein, Wenn man ein wenig tiefer denket, kann eigentlich be- trachtet ſeyn. Laßt uns den Willen unterſuchen! ob wir ihn von den andern trennen, Und, ohn Vernunft und Phantaſey, ihn eigentlich be- trachten koͤnnen? Ob er, wenn er allein betrachtet, fuͤr ſich wohl etwas anders ſcheine, Als eine Neigung zu der Sache, wovon ich, daß ſie gut, vermeyne, Dem ſie, es ſey das Gute nun wahr oder falſch, gleich zu zu fallen Nicht leichtlich ſich enthalten wird? und ob ſie darinn unter allen Jn koͤrperlichen Dingen, nicht faſt mit der Schwere zu vergleichen, Die ungeſaͤumt ſich abwerts lenkt, Und, ohn ein uͤberlegend Zoͤgern, ſich nach der Erden Centro ſenkt?
Der Will’ iſt bloß ein Trieb zum Guten, es ſey daſſelbe wirklich wahr; Es ſey ein Scheingut. Beydes macht des Willens Nei- gung offenbar. Es fraget ſich nun weiter noch, ob es uns mit dem Wil- len, nicht Als einem, der Toback raucht, gehet,
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Nun fragt es ſich, ob ſie ſo theilbar und ob wir uns viel-
leicht nicht irren,
Und, durch ein ſolches Unterſcheiden, nicht uns ſowohl
als ſie verwirren,
Oft eine fuͤr die andre nehmen? da keine doch fuͤr ſich
allein,
Wenn man ein wenig tiefer denket, kann eigentlich be-
trachtet ſeyn.
Laßt uns den Willen unterſuchen! ob wir ihn von den
andern trennen,
Und, ohn Vernunft und Phantaſey, ihn eigentlich be-
trachten koͤnnen?
Ob er, wenn er allein betrachtet, fuͤr ſich wohl etwas
anders ſcheine,
Als eine Neigung zu der Sache, wovon ich, daß ſie gut,
vermeyne,
Dem ſie, es ſey das Gute nun wahr oder falſch, gleich
zu zu fallen
Nicht leichtlich ſich enthalten wird? und ob ſie darinn
unter allen
Jn koͤrperlichen Dingen, nicht faſt mit der Schwere zu
vergleichen,
Die ungeſaͤumt ſich abwerts lenkt,
Und, ohn ein uͤberlegend Zoͤgern, ſich nach der Erden
Centro ſenkt?
Der Will’ iſt bloß ein Trieb zum Guten, es ſey daſſelbe
wirklich wahr;
Es ſey ein Scheingut. Beydes macht des Willens Nei-
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/477>, abgerufen am 18.07.2024.
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