Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
zum irdischen Vergnügen in Gott.
Es scheint, als ob, auf diese Weise, man stets in uns
zween Richterstüle,

Des Willens und Verstandes Thron, errichte, setz' und
gleichsam fühle.

Ob dieses nun die Zahl der Dinge nicht, wider Recht,
vermehren heiße,

Wird wohl zu untersuchen seyn. So viel ich mich dar-
auf befleiße,

Die dunkle Wahrheit zu ergründen, so kömmt dennoch
der Wille mir

Von unseres Verstandes Schluß nur bloß als eine Folge für.
B. So fremd mir deine Meynung klingt, so falsch
sie ist, und wenig richtig,

So halt ich, sie dir zu benehmen mich zu bemühn, mich
dennoch pflichtig.

Jch hoff', es wird dein Uebereilen aus meiner Antwort
gleich erhellen.

Bemüh dich nur, nebst mir, sie dir in ihrer Blöße vor-
zustellen.

Besäßen wir auch alle Kräfte, und alle Vorzüg' unsrer
Seelen,

Und fehlt' uns nur die einige, uns zu entschließen und zu
wählen;

Würd' alles in Verwirrung kommen. Auf Erden würde
nichts geschehn,

Und alles, in und außer uns, in einer faulen Ruhe
stehn.

Wir würden immer ungewiß, als wie im Schlaf und
Schlummer, wandeln,

Von lauter Zweifel umgetrieben,
Wir würden schlimmer, als die Thier', in allen unsern
Thaten handeln,
Und
zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Es ſcheint, als ob, auf dieſe Weiſe, man ſtets in uns
zween Richterſtuͤle,

Des Willens und Verſtandes Thron, errichte, ſetz’ und
gleichſam fuͤhle.

Ob dieſes nun die Zahl der Dinge nicht, wider Recht,
vermehren heiße,

Wird wohl zu unterſuchen ſeyn. So viel ich mich dar-
auf befleiße,

Die dunkle Wahrheit zu ergruͤnden, ſo koͤmmt dennoch
der Wille mir

Von unſeres Verſtandes Schluß nur bloß als eine Folge fuͤr.
B. So fremd mir deine Meynung klingt, ſo falſch
ſie iſt, und wenig richtig,

So halt ich, ſie dir zu benehmen mich zu bemuͤhn, mich
dennoch pflichtig.

Jch hoff’, es wird dein Uebereilen aus meiner Antwort
gleich erhellen.

Bemuͤh dich nur, nebſt mir, ſie dir in ihrer Bloͤße vor-
zuſtellen.

Beſaͤßen wir auch alle Kraͤfte, und alle Vorzuͤg’ unſrer
Seelen,

Und fehlt’ uns nur die einige, uns zu entſchließen und zu
waͤhlen;

Wuͤrd’ alles in Verwirrung kommen. Auf Erden wuͤrde
nichts geſchehn,

Und alles, in und außer uns, in einer faulen Ruhe
ſtehn.

Wir wuͤrden immer ungewiß, als wie im Schlaf und
Schlummer, wandeln,

Von lauter Zweifel umgetrieben,
Wir wuͤrden ſchlimmer, als die Thier’, in allen unſern
Thaten handeln,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0479" n="459"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Es &#x017F;cheint, als ob, auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e, man &#x017F;tets in uns<lb/><hi rendition="#et">zween Richter&#x017F;tu&#x0364;le,</hi></l><lb/>
            <l>Des Willens und Ver&#x017F;tandes Thron, errichte, &#x017F;etz&#x2019; und<lb/><hi rendition="#et">gleich&#x017F;am fu&#x0364;hle.</hi></l><lb/>
            <l>Ob die&#x017F;es nun die Zahl der Dinge nicht, wider Recht,<lb/><hi rendition="#et">vermehren heiße,</hi></l><lb/>
            <l>Wird wohl zu unter&#x017F;uchen &#x017F;eyn. So viel ich mich dar-<lb/><hi rendition="#et">auf befleiße,</hi></l><lb/>
            <l>Die dunkle Wahrheit zu ergru&#x0364;nden, &#x017F;o ko&#x0364;mmt dennoch<lb/><hi rendition="#et">der Wille mir</hi></l><lb/>
            <l>Von un&#x017F;eres Ver&#x017F;tandes Schluß nur bloß als eine Folge fu&#x0364;r.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l><hi rendition="#aq">B.</hi> So fremd mir deine Meynung klingt, &#x017F;o fal&#x017F;ch<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ie i&#x017F;t, und wenig richtig,</hi></l><lb/>
            <l>So halt ich, &#x017F;ie dir zu benehmen mich zu bemu&#x0364;hn, mich<lb/><hi rendition="#et">dennoch pflichtig.</hi></l><lb/>
            <l>Jch hoff&#x2019;, es wird dein Uebereilen aus meiner Antwort<lb/><hi rendition="#et">gleich erhellen.</hi></l><lb/>
            <l>Bemu&#x0364;h dich nur, neb&#x017F;t mir, &#x017F;ie dir in ihrer Blo&#x0364;ße vor-<lb/><hi rendition="#et">zu&#x017F;tellen.</hi></l><lb/>
            <l>Be&#x017F;a&#x0364;ßen wir auch alle Kra&#x0364;fte, und alle Vorzu&#x0364;g&#x2019; un&#x017F;rer<lb/><hi rendition="#et">Seelen,</hi></l><lb/>
            <l>Und fehlt&#x2019; uns nur die einige, uns zu ent&#x017F;chließen und zu<lb/><hi rendition="#et">wa&#x0364;hlen;</hi></l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;rd&#x2019; alles in Verwirrung kommen. Auf Erden wu&#x0364;rde<lb/><hi rendition="#et">nichts ge&#x017F;chehn,</hi></l><lb/>
            <l>Und alles, in und außer uns, in einer faulen Ruhe<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tehn.</hi></l><lb/>
            <l>Wir wu&#x0364;rden immer ungewiß, als wie im Schlaf und<lb/><hi rendition="#et">Schlummer, wandeln,</hi></l><lb/>
            <l>Von lauter Zweifel umgetrieben,</l><lb/>
            <l>Wir wu&#x0364;rden &#x017F;chlimmer, als die Thier&#x2019;, in allen un&#x017F;ern<lb/><hi rendition="#et">Thaten handeln,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0479] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Es ſcheint, als ob, auf dieſe Weiſe, man ſtets in uns zween Richterſtuͤle, Des Willens und Verſtandes Thron, errichte, ſetz’ und gleichſam fuͤhle. Ob dieſes nun die Zahl der Dinge nicht, wider Recht, vermehren heiße, Wird wohl zu unterſuchen ſeyn. So viel ich mich dar- auf befleiße, Die dunkle Wahrheit zu ergruͤnden, ſo koͤmmt dennoch der Wille mir Von unſeres Verſtandes Schluß nur bloß als eine Folge fuͤr. B. So fremd mir deine Meynung klingt, ſo falſch ſie iſt, und wenig richtig, So halt ich, ſie dir zu benehmen mich zu bemuͤhn, mich dennoch pflichtig. Jch hoff’, es wird dein Uebereilen aus meiner Antwort gleich erhellen. Bemuͤh dich nur, nebſt mir, ſie dir in ihrer Bloͤße vor- zuſtellen. Beſaͤßen wir auch alle Kraͤfte, und alle Vorzuͤg’ unſrer Seelen, Und fehlt’ uns nur die einige, uns zu entſchließen und zu waͤhlen; Wuͤrd’ alles in Verwirrung kommen. Auf Erden wuͤrde nichts geſchehn, Und alles, in und außer uns, in einer faulen Ruhe ſtehn. Wir wuͤrden immer ungewiß, als wie im Schlaf und Schlummer, wandeln, Von lauter Zweifel umgetrieben, Wir wuͤrden ſchlimmer, als die Thier’, in allen unſern Thaten handeln, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/479
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/479>, abgerufen am 31.10.2024.