Würd' man so dann für Laster seyn, als itzt, da in dem lieben Streit, Wenn wir noch dann und wann einst siegen, Wir dennoch mehrentheils erliegen. Was liegt noch überdem an Kräften der Kunst uns vor- zustellen, nicht! Da uns die Phantasey ja meist, wenn uns was Widri- ges geschicht, Der Sachen Widrigkeit vergrößert, und sie daher noch schwerer macht, Als wie sie an sich selber sind. Wir können also deut- lich sehen, Daß wir selbst unsers Unglücks Schmiede. Die meisten Dinge, die geschehen, Sind ohne das nicht, was sie sind; sie sind das, wozu man sie macht. Und dieß geschiehet durch den Misbrauch der Phantasey fast ganz allein, Durch die doch, wenn man sie recht brauchte, man fähig wär, beglückt zu seyn: Jndem ein Mensch, der eine Kraft besitzt, sich etwas vorzustellen, Vermögend ist, sie zu verzuckern, und ebenfalls sie zu vergällen. Besitzen wir nun dieß Vermögen, wie wir es in der That besitzen; Warum bemühen wir uns nicht, sie zu gebrauchen, uns zu nützen, Anstatt, daß, durch dieselbe Kraft, Man, durch derselben Misbrauch bloß, sich tausend Un- vergnügen schafft?
Da
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wuͤrd’ man ſo dann fuͤr Laſter ſeyn, als itzt, da in dem lieben Streit, Wenn wir noch dann und wann einſt ſiegen, Wir dennoch mehrentheils erliegen. Was liegt noch uͤberdem an Kraͤften der Kunſt uns vor- zuſtellen, nicht! Da uns die Phantaſey ja meiſt, wenn uns was Widri- ges geſchicht, Der Sachen Widrigkeit vergroͤßert, und ſie daher noch ſchwerer macht, Als wie ſie an ſich ſelber ſind. Wir koͤnnen alſo deut- lich ſehen, Daß wir ſelbſt unſers Ungluͤcks Schmiede. Die meiſten Dinge, die geſchehen, Sind ohne das nicht, was ſie ſind; ſie ſind das, wozu man ſie macht. Und dieß geſchiehet durch den Misbrauch der Phantaſey faſt ganz allein, Durch die doch, wenn man ſie recht brauchte, man faͤhig waͤr, begluͤckt zu ſeyn: Jndem ein Menſch, der eine Kraft beſitzt, ſich etwas vorzuſtellen, Vermoͤgend iſt, ſie zu verzuckern, und ebenfalls ſie zu vergaͤllen. Beſitzen wir nun dieß Vermoͤgen, wie wir es in der That beſitzen; Warum bemuͤhen wir uns nicht, ſie zu gebrauchen, uns zu nuͤtzen, Anſtatt, daß, durch dieſelbe Kraft, Man, durch derſelben Misbrauch bloß, ſich tauſend Un- vergnuͤgen ſchafft?
Da
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wuͤrd’ man ſo dann fuͤr Laſter ſeyn, als itzt, da in dem
lieben Streit,
Wenn wir noch dann und wann einſt ſiegen,
Wir dennoch mehrentheils erliegen.
Was liegt noch uͤberdem an Kraͤften der Kunſt uns vor-
zuſtellen, nicht!
Da uns die Phantaſey ja meiſt, wenn uns was Widri-
ges geſchicht,
Der Sachen Widrigkeit vergroͤßert, und ſie daher noch
ſchwerer macht,
Als wie ſie an ſich ſelber ſind. Wir koͤnnen alſo deut-
lich ſehen,
Daß wir ſelbſt unſers Ungluͤcks Schmiede. Die meiſten
Dinge, die geſchehen,
Sind ohne das nicht, was ſie ſind; ſie ſind das, wozu
man ſie macht.
Und dieß geſchiehet durch den Misbrauch der Phantaſey
faſt ganz allein,
Durch die doch, wenn man ſie recht brauchte, man faͤhig
waͤr, begluͤckt zu ſeyn:
Jndem ein Menſch, der eine Kraft beſitzt, ſich etwas
vorzuſtellen,
Vermoͤgend iſt, ſie zu verzuckern, und ebenfalls ſie zu
vergaͤllen.
Beſitzen wir nun dieß Vermoͤgen, wie wir es in der That
beſitzen;
Warum bemuͤhen wir uns nicht, ſie zu gebrauchen, uns
zu nuͤtzen,
Anſtatt, daß, durch dieſelbe Kraft,
Man, durch derſelben Misbrauch bloß, ſich tauſend Un-
vergnuͤgen ſchafft?
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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