Betrachtungen über den Zustand eines Armen u. eines Reichen beym Abschiede aus der Welt, aus der Vernunft.
Laßt uns den Stand der Sterblichen in dieser Welt mit Ernst betrachten, Auf den so großen Unterscheid, der zwischen Arm- und Reichen, achten! Um in der Aenderung von beyden, in diesem, und nach diesem Leben, Den letzten eine treue Warnung, den ersten einen Trost, zu geben.
Wenn wir, von vielen Millionen, ihr ganzes Leben übersehn, Mit ihnen von der Wiegen an bis ganz zu ihrem Grabe gehn, So wird man nicht begreifen können, zu welchem Zweck ihr Leben ihnen Gegeben worden, und wozu ihr ganzes Hieseyn sollen dienen.
Alles, was hier die Natur lieblichs hat und an- genehm, Alles, was auf dieser Erden süß, ergetzlich und bequem, Jst denselben untersaget. Alle Pein von Frost und Winden, Alle Noth von schwüler Hitze müssen sie allein em- pfinden;
Sie
Vermiſchte Gedichte
Betrachtungen uͤber den Zuſtand eines Armen u. eines Reichen beym Abſchiede aus der Welt, aus der Vernunft.
Laßt uns den Stand der Sterblichen in dieſer Welt mit Ernſt betrachten, Auf den ſo großen Unterſcheid, der zwiſchen Arm- und Reichen, achten! Um in der Aenderung von beyden, in dieſem, und nach dieſem Leben, Den letzten eine treue Warnung, den erſten einen Troſt, zu geben.
Wenn wir, von vielen Millionen, ihr ganzes Leben uͤberſehn, Mit ihnen von der Wiegen an bis ganz zu ihrem Grabe gehn, So wird man nicht begreifen koͤnnen, zu welchem Zweck ihr Leben ihnen Gegeben worden, und wozu ihr ganzes Hieſeyn ſollen dienen.
Alles, was hier die Natur lieblichs hat und an- genehm, Alles, was auf dieſer Erden ſuͤß, ergetzlich und bequem, Jſt denſelben unterſaget. Alle Pein von Froſt und Winden, Alle Noth von ſchwuͤler Hitze muͤſſen ſie allein em- pfinden;
Sie
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Vermiſchte Gedichte
Betrachtungen
uͤber den
Zuſtand eines Armen u. eines Reichen
beym Abſchiede aus der Welt, aus der
Vernunft.
Laßt uns den Stand der Sterblichen in dieſer Welt mit
Ernſt betrachten,
Auf den ſo großen Unterſcheid, der zwiſchen Arm- und
Reichen, achten!
Um in der Aenderung von beyden, in dieſem, und nach
dieſem Leben,
Den letzten eine treue Warnung, den erſten einen Troſt,
zu geben.
Wenn wir, von vielen Millionen, ihr ganzes Leben
uͤberſehn,
Mit ihnen von der Wiegen an bis ganz zu ihrem Grabe
gehn,
So wird man nicht begreifen koͤnnen, zu welchem Zweck
ihr Leben ihnen
Gegeben worden, und wozu ihr ganzes Hieſeyn ſollen
dienen.
Alles, was hier die Natur lieblichs hat und an-
genehm,
Alles, was auf dieſer Erden ſuͤß, ergetzlich und bequem,
Jſt denſelben unterſaget. Alle Pein von Froſt und
Winden,
Alle Noth von ſchwuͤler Hitze muͤſſen ſie allein em-
pfinden;
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/510>, abgerufen am 22.11.2024.
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