Wie wär es nun, wenn unser Stand auf Erden so geord- net wär, Daß wir der schönen Welt genießen, und, durch vernünf- tigen Genuß Derselben, uns bereiten sollten, zur uns dereinst be- stimmten Klarheit, Von einer hier annoch verborgnen, und dort erst aufge- deckten Wahrheit. Dieß sey, Durchlaucht'ge Celimene, von meinem Eingang nun der Schluß.
Jtzt wend' ich mich zu deiner Frage: was ich von Träum- und Ahnden meyne? Jch meyne denn, daß es bey Seelen, die so geformt, kaum billig scheine, Solch Vorrecht ihnen zuzustehn. Doch, man beruft sich auf Erfahrung, erzählt unzählige Geschichte Von wirklich eingetroffnen Träumen und Ahndungen, man hat Gesichte, Die nicht zu leugnen sind, gesehn. So ist es meine Meynung nicht, dieß zu verwerfen, zu verneinen, Dieß wäre Richten, und nicht Meynen. Zu einem ernstlichen Verneinen kann ich mich nicht ent- schließen, nein, Man müßt auf solchen Fall verlangen, weit klüger, als ich bin, zu seyn. Doch laß uns etwas untersuchen! Zu anfangs wird man mir gestehn: Daß von viel tausend Ahndungen und Träumen, so wie von Gesichten,
Die
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wie waͤr es nun, wenn unſer Stand auf Erden ſo geord- net waͤr, Daß wir der ſchoͤnen Welt genießen, und, durch vernuͤnf- tigen Genuß Derſelben, uns bereiten ſollten, zur uns dereinſt be- ſtimmten Klarheit, Von einer hier annoch verborgnen, und dort erſt aufge- deckten Wahrheit. Dieß ſey, Durchlaucht’ge Celimene, von meinem Eingang nun der Schluß.
Jtzt wend’ ich mich zu deiner Frage: was ich von Traͤum- und Ahnden meyne? Jch meyne denn, daß es bey Seelen, die ſo geformt, kaum billig ſcheine, Solch Vorrecht ihnen zuzuſtehn. Doch, man beruft ſich auf Erfahrung, erzaͤhlt unzaͤhlige Geſchichte Von wirklich eingetroffnen Traͤumen und Ahndungen, man hat Geſichte, Die nicht zu leugnen ſind, geſehn. So iſt es meine Meynung nicht, dieß zu verwerfen, zu verneinen, Dieß waͤre Richten, und nicht Meynen. Zu einem ernſtlichen Verneinen kann ich mich nicht ent- ſchließen, nein, Man muͤßt auf ſolchen Fall verlangen, weit kluͤger, als ich bin, zu ſeyn. Doch laß uns etwas unterſuchen! Zu anfangs wird man mir geſtehn: Daß von viel tauſend Ahndungen und Traͤumen, ſo wie von Geſichten,
Die
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Wie waͤr es nun, wenn unſer Stand auf Erden ſo geord-
net waͤr,
Daß wir der ſchoͤnen Welt genießen, und, durch vernuͤnf-
tigen Genuß
Derſelben, uns bereiten ſollten, zur uns dereinſt be-
ſtimmten Klarheit,
Von einer hier annoch verborgnen, und dort erſt aufge-
deckten Wahrheit.
Dieß ſey, Durchlaucht’ge Celimene, von meinem Eingang
nun der Schluß.
Jtzt wend’ ich mich zu deiner Frage: was ich von
Traͤum- und Ahnden meyne?
Jch meyne denn, daß es bey Seelen, die ſo geformt, kaum
billig ſcheine,
Solch Vorrecht ihnen zuzuſtehn.
Doch, man beruft ſich auf Erfahrung, erzaͤhlt unzaͤhlige
Geſchichte
Von wirklich eingetroffnen Traͤumen und Ahndungen,
man hat Geſichte,
Die nicht zu leugnen ſind, geſehn.
So iſt es meine Meynung nicht, dieß zu verwerfen, zu
verneinen,
Dieß waͤre Richten, und nicht Meynen.
Zu einem ernſtlichen Verneinen kann ich mich nicht ent-
ſchließen, nein,
Man muͤßt auf ſolchen Fall verlangen, weit kluͤger, als
ich bin, zu ſeyn.
Doch laß uns etwas unterſuchen! Zu anfangs wird man
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Daß von viel tauſend Ahndungen und Traͤumen, ſo wie
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/521>, abgerufen am 22.11.2024.
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