Daß du denn nicht lieber dem ein so zweifelhaftes Wesen Ueberträgst und überlässest, der vor aller Zeiten Zeit Die Secunden aller Zeiten sich zum Gegenwurf erlesen, Dem es alles offenbar, was für Glück und Widrigkeit Mit jedwedem Tag verbunden, und was du in deinen Tagen Von den Lasten jedes Tages wirst geschickt seyn zu ertragen? Laß doch den dein Leben enden, oder weiter noch erstrecken, Welcher dir dein Leben gab, in der Absicht bloß allein, Daß das Ende für dich gut und beglücket sollte seyn; Wenn du dich nur selbst nicht streubst, wie man es wird dort entdecken, Leb' indessen sonder Ekel, trau ihm, und daß du den Tod Nicht mit gar zu großer Abkehr scheu'st und fürchtest; dulde Gott. B. "Ja ich dulde Tod und Gott, und bin gar nicht un- zufrieden "Mit dem Leben, welches Er, als mein Vater, mir be- schieden. "Aber dieses quälet mich, daß fast nie zu rechter Zeit "Unser Tod uns überfällt, auch wenn die Gelegenheit, "Etwas Gutes auszurichten, es am allerbesten leidet, "Er uns auf die Bahre reißt, und den Lebensdrat zer- schneidet. A. Diese Klag ist unvernünftig. Du wilt sterben: und ein Leben Länger, als es dir der Schöpfer einst bestimmt und dir ge- geben, Foderst und verlangst du nicht: aber daß sichs ändern sollte Zu der Zeit, da es jedoch der, so es bestimmet, wollte, Damit bist du nicht zufrieden. Funfzig Jahr sind dir beschieden,
Und
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Daß du denn nicht lieber dem ein ſo zweifelhaftes Weſen Uebertraͤgſt und uͤberlaͤſſeſt, der vor aller Zeiten Zeit Die Secunden aller Zeiten ſich zum Gegenwurf erleſen, Dem es alles offenbar, was fuͤr Gluͤck und Widrigkeit Mit jedwedem Tag verbunden, und was du in deinen Tagen Von den Laſten jedes Tages wirſt geſchickt ſeyn zu ertragen? Laß doch den dein Leben enden, oder weiter noch erſtrecken, Welcher dir dein Leben gab, in der Abſicht bloß allein, Daß das Ende fuͤr dich gut und begluͤcket ſollte ſeyn; Wenn du dich nur ſelbſt nicht ſtreubſt, wie man es wird dort entdecken, Leb’ indeſſen ſonder Ekel, trau ihm, und daß du den Tod Nicht mit gar zu großer Abkehr ſcheu’ſt und fuͤrchteſt; dulde Gott. B. „Ja ich dulde Tod und Gott, und bin gar nicht un- zufrieden „Mit dem Leben, welches Er, als mein Vater, mir be- ſchieden. „Aber dieſes quaͤlet mich, daß faſt nie zu rechter Zeit „Unſer Tod uns uͤberfaͤllt, auch wenn die Gelegenheit, „Etwas Gutes auszurichten, es am allerbeſten leidet, „Er uns auf die Bahre reißt, und den Lebensdrat zer- ſchneidet. A. Dieſe Klag iſt unvernuͤnftig. Du wilt ſterben: und ein Leben Laͤnger, als es dir der Schoͤpfer einſt beſtimmt und dir ge- geben, Foderſt und verlangſt du nicht: aber daß ſichs aͤndern ſollte Zu der Zeit, da es jedoch der, ſo es beſtimmet, wollte, Damit biſt du nicht zufrieden. Funfzig Jahr ſind dir beſchieden,
Und
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Daß du denn nicht lieber dem ein ſo zweifelhaftes Weſen
Uebertraͤgſt und uͤberlaͤſſeſt, der vor aller Zeiten Zeit
Die Secunden aller Zeiten ſich zum Gegenwurf erleſen,
Dem es alles offenbar, was fuͤr Gluͤck und Widrigkeit
Mit jedwedem Tag verbunden, und was du in deinen
Tagen
Von den Laſten jedes Tages wirſt geſchickt ſeyn zu ertragen?
Laß doch den dein Leben enden, oder weiter noch erſtrecken,
Welcher dir dein Leben gab, in der Abſicht bloß allein,
Daß das Ende fuͤr dich gut und begluͤcket ſollte ſeyn;
Wenn du dich nur ſelbſt nicht ſtreubſt, wie man es wird
dort entdecken,
Leb’ indeſſen ſonder Ekel, trau ihm, und daß du den Tod
Nicht mit gar zu großer Abkehr ſcheu’ſt und fuͤrchteſt;
dulde Gott.
B. „Ja ich dulde Tod und Gott, und bin gar nicht un-
zufrieden
„Mit dem Leben, welches Er, als mein Vater, mir be-
ſchieden.
„Aber dieſes quaͤlet mich, daß faſt nie zu rechter Zeit
„Unſer Tod uns uͤberfaͤllt, auch wenn die Gelegenheit,
„Etwas Gutes auszurichten, es am allerbeſten leidet,
„Er uns auf die Bahre reißt, und den Lebensdrat zer-
ſchneidet.
A. Dieſe Klag iſt unvernuͤnftig. Du wilt ſterben:
und ein Leben
Laͤnger, als es dir der Schoͤpfer einſt beſtimmt und dir ge-
geben,
Foderſt und verlangſt du nicht: aber daß ſichs aͤndern ſollte
Zu der Zeit, da es jedoch der, ſo es beſtimmet, wollte,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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