So betriegen wir uns immer, nimmer ist die rechte Zeit, Unser Leben abzulegen, weil wir nimmer sterben wollen. Hier schon zur Unsterblichkeit Zu gelangen, können wir auf der Welt nicht, und wir sollen Hier auch nicht dazu gelangen. Sterblich will der Mensch zwar seyn, Aber sterben will er nicht. Was soll nun die Gottheit machen? Sie kann dich in diesen Sachen Selber nicht zu Rathe ziehen, denn es ist bey dir kein Rath. Laß dann also den bestimmen, es sey zeitig oder spat, Der nach seiner ew'gen Weisheit alles wohl bestimmet hat. Wenn wir sollen, laßt uns sterben, und dabey gewißlich glauben, Man soll dann nichts anders thun, so wird uns der Tod das Leben Nimmermehr zur Unzeit rauben. Hast du Kinder zu berathen; Gott wird ihr Berather seyn. Setzet sie dein Tod in Armuth und Bedürfniß; Gott hat wollen, Daß sie arm auf Erden seyn, daß sie Mangel haben sollen: Und vielleicht, damit sie nicht hier zu großem Reichthum kommen, Wirst du eben zu der Zeit durch den Tod hinweggenommen. Also denk von allen Dingen, welche dich am Sterben hin- dern, So wirst du vergnügter sterben: und dein Gram wird sich vermindern. Der hat lange gnug gelebet, welcher seinem Gott gelebt, Und die beste Zeit zu sterben ist, wenn ihr euch dem ergebt, Dessen Wege Licht und Recht, dessen Wesen lauter Liebe, Folgt im Sterben nicht dem euren, folget seinem Vater- triebe!
B. "Du
Anleitung
So betriegen wir uns immer, nimmer iſt die rechte Zeit, Unſer Leben abzulegen, weil wir nimmer ſterben wollen. Hier ſchon zur Unſterblichkeit Zu gelangen, koͤnnen wir auf der Welt nicht, und wir ſollen Hier auch nicht dazu gelangen. Sterblich will der Menſch zwar ſeyn, Aber ſterben will er nicht. Was ſoll nun die Gottheit machen? Sie kann dich in dieſen Sachen Selber nicht zu Rathe ziehen, denn es iſt bey dir kein Rath. Laß dann alſo den beſtimmen, es ſey zeitig oder ſpat, Der nach ſeiner ew’gen Weisheit alles wohl beſtimmet hat. Wenn wir ſollen, laßt uns ſterben, und dabey gewißlich glauben, Man ſoll dann nichts anders thun, ſo wird uns der Tod das Leben Nimmermehr zur Unzeit rauben. Haſt du Kinder zu berathen; Gott wird ihr Berather ſeyn. Setzet ſie dein Tod in Armuth und Beduͤrfniß; Gott hat wollen, Daß ſie arm auf Erden ſeyn, daß ſie Mangel haben ſollen: Und vielleicht, damit ſie nicht hier zu großem Reichthum kommen, Wirſt du eben zu der Zeit durch den Tod hinweggenommen. Alſo denk von allen Dingen, welche dich am Sterben hin- dern, So wirſt du vergnuͤgter ſterben: und dein Gram wird ſich vermindern. Der hat lange gnug gelebet, welcher ſeinem Gott gelebt, Und die beſte Zeit zu ſterben iſt, wenn ihr euch dem ergebt, Deſſen Wege Licht und Recht, deſſen Weſen lauter Liebe, Folgt im Sterben nicht dem euren, folget ſeinem Vater- triebe!
B. „Du
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Anleitung
So betriegen wir uns immer, nimmer iſt die rechte Zeit,
Unſer Leben abzulegen, weil wir nimmer ſterben wollen.
Hier ſchon zur Unſterblichkeit
Zu gelangen, koͤnnen wir auf der Welt nicht, und wir ſollen
Hier auch nicht dazu gelangen. Sterblich will der Menſch
zwar ſeyn,
Aber ſterben will er nicht. Was ſoll nun die Gottheit
machen?
Sie kann dich in dieſen Sachen
Selber nicht zu Rathe ziehen, denn es iſt bey dir kein Rath.
Laß dann alſo den beſtimmen, es ſey zeitig oder ſpat,
Der nach ſeiner ew’gen Weisheit alles wohl beſtimmet hat.
Wenn wir ſollen, laßt uns ſterben, und dabey gewißlich
glauben,
Man ſoll dann nichts anders thun, ſo wird uns der Tod
das Leben
Nimmermehr zur Unzeit rauben.
Haſt du Kinder zu berathen; Gott wird ihr Berather ſeyn.
Setzet ſie dein Tod in Armuth und Beduͤrfniß; Gott hat
wollen,
Daß ſie arm auf Erden ſeyn, daß ſie Mangel haben ſollen:
Und vielleicht, damit ſie nicht hier zu großem Reichthum
kommen,
Wirſt du eben zu der Zeit durch den Tod hinweggenommen.
Alſo denk von allen Dingen, welche dich am Sterben hin-
dern,
So wirſt du vergnuͤgter ſterben: und dein Gram wird
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Der hat lange gnug gelebet, welcher ſeinem Gott gelebt,
Und die beſte Zeit zu ſterben iſt, wenn ihr euch dem ergebt,
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/608>, abgerufen am 22.11.2024.
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