Ertragen müßt'; ist es gewiß, es würde dann die To- despein, Gleich einer wahren Folterbank, unleidlich, unerträglich seyn. Dieß zeigt der unglückselge Saul: wie ihm, noch voller Kraft, sein Schwerdt Das Fleisch zerreißt, und dessen Schärfe durch die noch frische Glieder fährt; Konnt' er die überhäuften Schmerzen, die ihn versehrten, nicht ertragen, Man hört ihn sterbend also klagen: Die Marter ist nicht auszusprechen zusammt der Angst, die ich verspür, Es ist die ganze Seel' in mir. Dem Elend wußte nun bey uns der weise Schöpfer vor- zubeugen Durch Krankheit, die sich insgemein vorher vor unserm Tode zeigen, Wodurch sich unsre Lebensgeister erschöpfen, sich gemach verlieren, Als die die Quellen unsers Fühlens, durch die wir ei- gentlich nur spüren. Das Fleisch und das Gefühl wird stumpf, ja selbst die Phantasey verwirrt, (Jn welcher eigentlich der Sitz des Fühlens angetroffen wird) Und öfters gänzlich unterbrochen, so daß, von Sinnen unbewegt, Sie, aller ihrer Kraft beraubt, zu stutzen und zu stocken pflegt. Wann nun die größte Kraft des Fühlens den Muskeln und den Nerven fehlet, Als die die Krantheit weggenommen, so wird der Körper zwar entseelet,
Jn-
Anleitung
Ertragen muͤßt’; iſt es gewiß, es wuͤrde dann die To- despein, Gleich einer wahren Folterbank, unleidlich, unertraͤglich ſeyn. Dieß zeigt der ungluͤckſelge Saul: wie ihm, noch voller Kraft, ſein Schwerdt Das Fleiſch zerreißt, und deſſen Schaͤrfe durch die noch friſche Glieder faͤhrt; Konnt’ er die uͤberhaͤuften Schmerzen, die ihn verſehrten, nicht ertragen, Man hoͤrt ihn ſterbend alſo klagen: Die Marter iſt nicht auszuſprechen zuſammt der Angſt, die ich verſpuͤr, Es iſt die ganze Seel’ in mir. Dem Elend wußte nun bey uns der weiſe Schoͤpfer vor- zubeugen Durch Krankheit, die ſich insgemein vorher vor unſerm Tode zeigen, Wodurch ſich unſre Lebensgeiſter erſchoͤpfen, ſich gemach verlieren, Als die die Quellen unſers Fuͤhlens, durch die wir ei- gentlich nur ſpuͤren. Das Fleiſch und das Gefuͤhl wird ſtumpf, ja ſelbſt die Phantaſey verwirrt, (Jn welcher eigentlich der Sitz des Fuͤhlens angetroffen wird) Und oͤfters gaͤnzlich unterbrochen, ſo daß, von Sinnen unbewegt, Sie, aller ihrer Kraft beraubt, zu ſtutzen und zu ſtocken pflegt. Wann nun die groͤßte Kraft des Fuͤhlens den Muskeln und den Nerven fehlet, Als die die Krantheit weggenommen, ſo wird der Koͤrper zwar entſeelet,
Jn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lg><l><pbfacs="#f0622"n="602"/><fwplace="top"type="header">Anleitung</fw></l><lb/><l>Ertragen muͤßt’; iſt es gewiß, es wuͤrde dann die To-<lb/><hirendition="#et">despein,</hi></l><lb/><l>Gleich einer wahren Folterbank, unleidlich, unertraͤglich<lb/><hirendition="#et">ſeyn.</hi></l><lb/><l>Dieß zeigt der ungluͤckſelge Saul: wie ihm, noch voller<lb/><hirendition="#et">Kraft, ſein Schwerdt</hi></l><lb/><l>Das Fleiſch zerreißt, und deſſen Schaͤrfe durch die noch<lb/><hirendition="#et">friſche Glieder faͤhrt;</hi></l><lb/><l>Konnt’ er die uͤberhaͤuften Schmerzen, die ihn verſehrten,<lb/><hirendition="#et">nicht ertragen,</hi></l><lb/><l>Man hoͤrt ihn ſterbend alſo klagen:</l><lb/><l>Die Marter iſt nicht auszuſprechen zuſammt der Angſt,<lb/><hirendition="#et">die ich verſpuͤr,</hi></l><lb/><l>Es iſt die ganze Seel’ in mir.</l><lb/><l>Dem Elend wußte nun bey uns der weiſe Schoͤpfer vor-<lb/><hirendition="#et">zubeugen</hi></l><lb/><l>Durch Krankheit, die ſich insgemein vorher vor unſerm<lb/><hirendition="#et">Tode zeigen,</hi></l><lb/><l>Wodurch ſich unſre Lebensgeiſter erſchoͤpfen, ſich gemach<lb/><hirendition="#et">verlieren,</hi></l><lb/><l>Als die die Quellen unſers Fuͤhlens, durch die wir ei-<lb/><hirendition="#et">gentlich nur ſpuͤren.</hi></l><lb/><l>Das Fleiſch und das Gefuͤhl wird ſtumpf, ja ſelbſt die<lb/><hirendition="#et">Phantaſey verwirrt,</hi><lb/>
(Jn welcher eigentlich der Sitz des Fuͤhlens angetroffen<lb/><hirendition="#et">wird)</hi></l><lb/><l>Und oͤfters gaͤnzlich unterbrochen, ſo daß, von Sinnen<lb/><hirendition="#et">unbewegt,</hi></l><lb/><l>Sie, aller ihrer Kraft beraubt, zu ſtutzen und zu ſtocken<lb/><hirendition="#et">pflegt.</hi></l><lb/><l>Wann nun die groͤßte Kraft des Fuͤhlens den Muskeln<lb/><hirendition="#et">und den Nerven fehlet,</hi></l><lb/><l>Als die die Krantheit weggenommen, ſo wird der Koͤrper<lb/><hirendition="#et">zwar entſeelet,</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jn-</fw><lb/></l></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[602/0622]
Anleitung
Ertragen muͤßt’; iſt es gewiß, es wuͤrde dann die To-
despein,
Gleich einer wahren Folterbank, unleidlich, unertraͤglich
ſeyn.
Dieß zeigt der ungluͤckſelge Saul: wie ihm, noch voller
Kraft, ſein Schwerdt
Das Fleiſch zerreißt, und deſſen Schaͤrfe durch die noch
friſche Glieder faͤhrt;
Konnt’ er die uͤberhaͤuften Schmerzen, die ihn verſehrten,
nicht ertragen,
Man hoͤrt ihn ſterbend alſo klagen:
Die Marter iſt nicht auszuſprechen zuſammt der Angſt,
die ich verſpuͤr,
Es iſt die ganze Seel’ in mir.
Dem Elend wußte nun bey uns der weiſe Schoͤpfer vor-
zubeugen
Durch Krankheit, die ſich insgemein vorher vor unſerm
Tode zeigen,
Wodurch ſich unſre Lebensgeiſter erſchoͤpfen, ſich gemach
verlieren,
Als die die Quellen unſers Fuͤhlens, durch die wir ei-
gentlich nur ſpuͤren.
Das Fleiſch und das Gefuͤhl wird ſtumpf, ja ſelbſt die
Phantaſey verwirrt,
(Jn welcher eigentlich der Sitz des Fuͤhlens angetroffen
wird)
Und oͤfters gaͤnzlich unterbrochen, ſo daß, von Sinnen
unbewegt,
Sie, aller ihrer Kraft beraubt, zu ſtutzen und zu ſtocken
pflegt.
Wann nun die groͤßte Kraft des Fuͤhlens den Muskeln
und den Nerven fehlet,
Als die die Krantheit weggenommen, ſo wird der Koͤrper
zwar entſeelet,
Jn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/622>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.