Jch weis, was du noch sagen kannst, dieß nämlich: "Bey noch längerm Leben "Hätt' er sich doch noch bessern können." O ja vielleicht! dieß geb ich zu. Doch sage mir, vermeynest du, Er hätte solches auch gethan? Chrysostomus sagt hie- von schön: "Hätt' er sein Leben ändern wollen; so hätt' es Gott vorhergesehn, "Und würd' ihn also vor der Zeit gewiß nicht weggerissen haben." Und noch an einem andern Ort: "Jndem ein frecher Sünder fällt, "Sind viele Sünden unterdrückt. Denn hätte Gott, der Herr der Welt, "Gesehn, er würde Buße thun: würd' er ihn, eh die Stunde kommen, "Nicht haben von der Welt genommen."
So sey denn ruhig, wer du seyst, und unbekümmert um die Stunde, Die Gott in seinen Händen hat. Vielmehr bemüh' dich, die Secunde Des Lebens, die in deiner Hand, so viel du kannst, wohl anzuwenden. Du wünschest einen guten Tod, daß sich dein Leben wohl mag enden, Thu itzo recht, du machst ihn gut, es steht in deinen eignen Händen.
Jnzwi-
Q q 5
zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Jch weis, was du noch ſagen kannſt, dieß naͤmlich: „Bey noch laͤngerm Leben „Haͤtt’ er ſich doch noch beſſern koͤnnen.“ O ja vielleicht! dieß geb ich zu. Doch ſage mir, vermeyneſt du, Er haͤtte ſolches auch gethan? Chryſoſtomus ſagt hie- von ſchoͤn: „Haͤtt’ er ſein Leben aͤndern wollen; ſo haͤtt’ es Gott vorhergeſehn, „Und wuͤrd’ ihn alſo vor der Zeit gewiß nicht weggeriſſen haben.“ Und noch an einem andern Ort: „Jndem ein frecher Suͤnder faͤllt, „Sind viele Suͤnden unterdruͤckt. Denn haͤtte Gott, der Herr der Welt, „Geſehn, er wuͤrde Buße thun: wuͤrd’ er ihn, eh die Stunde kommen, „Nicht haben von der Welt genommen.“
So ſey denn ruhig, wer du ſeyſt, und unbekuͤmmert um die Stunde, Die Gott in ſeinen Haͤnden hat. Vielmehr bemuͤh’ dich, die Secunde Des Lebens, die in deiner Hand, ſo viel du kannſt, wohl anzuwenden. Du wuͤnſcheſt einen guten Tod, daß ſich dein Leben wohl mag enden, Thu itzo recht, du machſt ihn gut, es ſteht in deinen eignen Haͤnden.
Jnzwi-
Q q 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lg><l><pbfacs="#f0637"n="617"/><fwplace="top"type="header">zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.</fw></l><lb/><l>Jch weis, was du noch ſagen kannſt, dieß naͤmlich:<lb/><hirendition="#et">„Bey noch laͤngerm Leben</hi></l><lb/><l>„Haͤtt’ er ſich doch noch beſſern koͤnnen.“ O ja vielleicht!<lb/><hirendition="#et">dieß geb ich zu.</hi></l><lb/><l>Doch ſage mir, vermeyneſt du,</l><lb/><l>Er haͤtte ſolches auch gethan? Chryſoſtomus ſagt hie-<lb/><hirendition="#et">von ſchoͤn:</hi><lb/>„Haͤtt’ er ſein Leben aͤndern wollen; ſo haͤtt’ es Gott<lb/><hirendition="#et">vorhergeſehn,</hi></l><lb/><l>„Und wuͤrd’ ihn alſo vor der Zeit gewiß nicht weggeriſſen<lb/><hirendition="#et">haben.“</hi></l><lb/><l>Und noch an einem andern Ort: „Jndem ein frecher<lb/><hirendition="#et">Suͤnder faͤllt,</hi></l><lb/><l>„Sind viele Suͤnden unterdruͤckt. Denn haͤtte Gott,<lb/><hirendition="#et">der Herr der Welt,</hi></l><lb/><l>„Geſehn, er wuͤrde Buße thun: wuͤrd’ er ihn, eh die<lb/><hirendition="#et">Stunde kommen,</hi></l><lb/><l>„Nicht haben von der Welt genommen.“</l></lg><lb/><lg><l>So ſey denn ruhig, wer du ſeyſt, und unbekuͤmmert<lb/><hirendition="#et">um die Stunde,</hi></l><lb/><l>Die Gott in ſeinen Haͤnden hat. Vielmehr bemuͤh’ dich,<lb/><hirendition="#et">die Secunde</hi></l><lb/><l>Des Lebens, die in deiner Hand, ſo viel du kannſt,<lb/><hirendition="#et">wohl anzuwenden.</hi></l><lb/><l>Du wuͤnſcheſt einen guten Tod, daß ſich dein Leben wohl<lb/><hirendition="#et">mag enden,</hi></l><lb/><l>Thu itzo recht, du machſt ihn gut, es ſteht in deinen<lb/><hirendition="#et">eignen Haͤnden.</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q q 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jnzwi-</fw><lb/></l></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[617/0637]
zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Jch weis, was du noch ſagen kannſt, dieß naͤmlich:
„Bey noch laͤngerm Leben
„Haͤtt’ er ſich doch noch beſſern koͤnnen.“ O ja vielleicht!
dieß geb ich zu.
Doch ſage mir, vermeyneſt du,
Er haͤtte ſolches auch gethan? Chryſoſtomus ſagt hie-
von ſchoͤn:
„Haͤtt’ er ſein Leben aͤndern wollen; ſo haͤtt’ es Gott
vorhergeſehn,
„Und wuͤrd’ ihn alſo vor der Zeit gewiß nicht weggeriſſen
haben.“
Und noch an einem andern Ort: „Jndem ein frecher
Suͤnder faͤllt,
„Sind viele Suͤnden unterdruͤckt. Denn haͤtte Gott,
der Herr der Welt,
„Geſehn, er wuͤrde Buße thun: wuͤrd’ er ihn, eh die
Stunde kommen,
„Nicht haben von der Welt genommen.“
So ſey denn ruhig, wer du ſeyſt, und unbekuͤmmert
um die Stunde,
Die Gott in ſeinen Haͤnden hat. Vielmehr bemuͤh’ dich,
die Secunde
Des Lebens, die in deiner Hand, ſo viel du kannſt,
wohl anzuwenden.
Du wuͤnſcheſt einen guten Tod, daß ſich dein Leben wohl
mag enden,
Thu itzo recht, du machſt ihn gut, es ſteht in deinen
eignen Haͤnden.
Jnzwi-
Q q 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/637>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.