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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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ihrer Vorfahren abgeleget haben, sehr vergnügt, klei-
den sich nach der französischen Mode, und gehen viel
freyer als vorher mit einander um. Da auch dem
Frauenzimmer in Gesellschaft alle Freyheit erlaubt ist,
so leben sie in einem immerwährenden Vergnügen und
Ergötzen, bringen das Meiste von ihrer Zeit auf Bäl-
len und bey Gastmählern zu, und laden einander
wechselsweise in ihre Häuser ein. Da sie von ihren
Ehemännern, die meistens auswärtige Geschäfte ha-
ben, allein gelassen wurden, so nahmen die Damen
Schwedische Officiers, die bey Pultawa waren ge-
fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus-
hofmeister, andere als Hofmeister für ihre Kinder,
und andere als Musik- und Tanzmeister, so daß
endlich alle ihre Bälle aus Schwedischen Herren und
andern Ausländern, denen sie sehr gewogen waren,
bestanden.

Beschrei-
bung der
Frauenzim-
mer.

Die Russischen Frauenzimmer sind von mittel-
mäßiger Statur; die meisten sind wohl proportioniret,
und könnten in jedem Theile von Europa für schön
gehalten werden. Jhre Gesichter wären auch nicht zu
verachten, wenn sie nur nicht die häßliche Gewohnheit
hätten, sich zu schminken, welches sie in solcher Ue-
bermaaße thun, daß man sicher sagen kann, daß sie
sich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre
Schönheit zu verbergen.

Unterhal-
tung des ge-
meinen
Volks.

Was den Mittelstand des Volkes betrifft, so be-
halten sie noch viel von ihrer alten Lebensart bey.
Bey ihren Gastmahlen erscheinen bloße Mannsperso-
nen. Der Herr des Hauses wartet seinen Gästen
auf, bis der Nachtisch vom Gebackenen aufgesetzt
wird, da er sich denn zu ihnen setzt, und sein mög-

lichstes

ihrer Vorfahren abgeleget haben, ſehr vergnuͤgt, klei-
den ſich nach der franzoͤſiſchen Mode, und gehen viel
freyer als vorher mit einander um. Da auch dem
Frauenzimmer in Geſellſchaft alle Freyheit erlaubt iſt,
ſo leben ſie in einem immerwaͤhrenden Vergnuͤgen und
Ergoͤtzen, bringen das Meiſte von ihrer Zeit auf Baͤl-
len und bey Gaſtmaͤhlern zu, und laden einander
wechſelsweiſe in ihre Haͤuſer ein. Da ſie von ihren
Ehemaͤnnern, die meiſtens auswaͤrtige Geſchaͤfte ha-
ben, allein gelaſſen wurden, ſo nahmen die Damen
Schwediſche Officiers, die bey Pultawa waren ge-
fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus-
hofmeiſter, andere als Hofmeiſter fuͤr ihre Kinder,
und andere als Muſik- und Tanzmeiſter, ſo daß
endlich alle ihre Baͤlle aus Schwediſchen Herren und
andern Auslaͤndern, denen ſie ſehr gewogen waren,
beſtanden.

Beſchrei-
bung der
Frauenzim-
mer.

Die Ruſſiſchen Frauenzimmer ſind von mittel-
maͤßiger Statur; die meiſten ſind wohl proportioniret,
und koͤnnten in jedem Theile von Europa fuͤr ſchoͤn
gehalten werden. Jhre Geſichter waͤren auch nicht zu
verachten, wenn ſie nur nicht die haͤßliche Gewohnheit
haͤtten, ſich zu ſchminken, welches ſie in ſolcher Ue-
bermaaße thun, daß man ſicher ſagen kann, daß ſie
ſich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre
Schoͤnheit zu verbergen.

Unterhal-
tung des ge-
meinen
Volks.

Was den Mittelſtand des Volkes betrifft, ſo be-
halten ſie noch viel von ihrer alten Lebensart bey.
Bey ihren Gaſtmahlen erſcheinen bloße Mannsperſo-
nen. Der Herr des Hauſes wartet ſeinen Gaͤſten
auf, bis der Nachtiſch vom Gebackenen aufgeſetzt
wird, da er ſich denn zu ihnen ſetzt, und ſein moͤg-

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[98/0108] ihrer Vorfahren abgeleget haben, ſehr vergnuͤgt, klei- den ſich nach der franzoͤſiſchen Mode, und gehen viel freyer als vorher mit einander um. Da auch dem Frauenzimmer in Geſellſchaft alle Freyheit erlaubt iſt, ſo leben ſie in einem immerwaͤhrenden Vergnuͤgen und Ergoͤtzen, bringen das Meiſte von ihrer Zeit auf Baͤl- len und bey Gaſtmaͤhlern zu, und laden einander wechſelsweiſe in ihre Haͤuſer ein. Da ſie von ihren Ehemaͤnnern, die meiſtens auswaͤrtige Geſchaͤfte ha- ben, allein gelaſſen wurden, ſo nahmen die Damen Schwediſche Officiers, die bey Pultawa waren ge- fangen worden, in ihre Familien; einige als Haus- hofmeiſter, andere als Hofmeiſter fuͤr ihre Kinder, und andere als Muſik- und Tanzmeiſter, ſo daß endlich alle ihre Baͤlle aus Schwediſchen Herren und andern Auslaͤndern, denen ſie ſehr gewogen waren, beſtanden. Die Ruſſiſchen Frauenzimmer ſind von mittel- maͤßiger Statur; die meiſten ſind wohl proportioniret, und koͤnnten in jedem Theile von Europa fuͤr ſchoͤn gehalten werden. Jhre Geſichter waͤren auch nicht zu verachten, wenn ſie nur nicht die haͤßliche Gewohnheit haͤtten, ſich zu ſchminken, welches ſie in ſolcher Ue- bermaaße thun, daß man ſicher ſagen kann, daß ſie ſich der Schminke als eines Schleyers bedienen, ihre Schoͤnheit zu verbergen. Was den Mittelſtand des Volkes betrifft, ſo be- halten ſie noch viel von ihrer alten Lebensart bey. Bey ihren Gaſtmahlen erſcheinen bloße Mannsperſo- nen. Der Herr des Hauſes wartet ſeinen Gaͤſten auf, bis der Nachtiſch vom Gebackenen aufgeſetzt wird, da er ſich denn zu ihnen ſetzt, und ſein moͤg- lichſtes

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/108>, abgerufen am 23.11.2024.