dahin kam, hörte und sahe ich nichts von Truppen. Jch begab mich daher zu unserm Restdenten nach Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anstatt etwas von Kreistruppen, die sich wider uns zusammen zögen, zu vernehmen, wurde gesagt, daß unsre Ar- mee einen Einfall ins Churfürstenthum Hannover thun wollte. Dieses falsche Gerücht setzte die Hanno- veraner in ein solches Schrecken, daß viele vermögende Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere sich- re Oerter schafften, um sie daselbst in Sicherheit zu bringen. Dieses Gerücht rührte indessen daher, daß wir bey Gadebusch ein Lager aufgeschlagen hatten, und uns also auf beyden Seiten ohne die geringste Ursache fürchteten. Nachdem ich nach Güstrow zu- rück gekommen war und erzählet hatte, was vorge- gangen war, wurde ich sogleich in unser Lager mit dem Befehl abgeschickt, daß unsere Armee wieder aufbre- chen und in ihre Quartiere zurück gehen sollte. Als dieses falsche Schrecken vorüber war, beruhigte sich auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen Mecklenburgischen Unterthanen wurden auf Befehl ihres unbarmherzigen Herzogs von unsern Truppen täglich immer mehr gequälet, welches denn machte, daß viele Bittschriften von adelichen und andern Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem elenden Zustande Mitleiden zu haben. Sie hatte auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den Herzog nicht bewegen, ihnen die geringste Gnade wi- derfahren zu lassen. Sie entschloß sich hierauf, ei- nen Expressen an den Czar abzuschicken, für das arme Volk zu bitten, und ihm einige Beschwerden, die sie selbst betrafen, vorzutragen. Da sie nun keinen von
ihren
dahin kam, hoͤrte und ſahe ich nichts von Truppen. Jch begab mich daher zu unſerm Reſtdenten nach Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anſtatt etwas von Kreistruppen, die ſich wider uns zuſammen zoͤgen, zu vernehmen, wurde geſagt, daß unſre Ar- mee einen Einfall ins Churfuͤrſtenthum Hannover thun wollte. Dieſes falſche Geruͤcht ſetzte die Hanno- veraner in ein ſolches Schrecken, daß viele vermoͤgende Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere ſich- re Oerter ſchafften, um ſie daſelbſt in Sicherheit zu bringen. Dieſes Geruͤcht ruͤhrte indeſſen daher, daß wir bey Gadebuſch ein Lager aufgeſchlagen hatten, und uns alſo auf beyden Seiten ohne die geringſte Urſache fuͤrchteten. Nachdem ich nach Guͤſtrow zu- ruͤck gekommen war und erzaͤhlet hatte, was vorge- gangen war, wurde ich ſogleich in unſer Lager mit dem Befehl abgeſchickt, daß unſere Armee wieder aufbre- chen und in ihre Quartiere zuruͤck gehen ſollte. Als dieſes falſche Schrecken voruͤber war, beruhigte ſich auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen Mecklenburgiſchen Unterthanen wurden auf Befehl ihres unbarmherzigen Herzogs von unſern Truppen taͤglich immer mehr gequaͤlet, welches denn machte, daß viele Bittſchriften von adelichen und andern Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem elenden Zuſtande Mitleiden zu haben. Sie hatte auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den Herzog nicht bewegen, ihnen die geringſte Gnade wi- derfahren zu laſſen. Sie entſchloß ſich hierauf, ei- nen Expreſſen an den Czar abzuſchicken, fuͤr das arme Volk zu bitten, und ihm einige Beſchwerden, die ſie ſelbſt betrafen, vorzutragen. Da ſie nun keinen von
ihren
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0206"n="196"/>
dahin kam, hoͤrte und ſahe ich nichts von Truppen.<lb/>
Jch begab mich daher zu unſerm Reſtdenten nach<lb/>
Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anſtatt<lb/>
etwas von Kreistruppen, die ſich wider uns zuſammen<lb/>
zoͤgen, zu vernehmen, wurde geſagt, daß unſre Ar-<lb/>
mee einen Einfall ins Churfuͤrſtenthum Hannover<lb/>
thun wollte. Dieſes falſche Geruͤcht ſetzte die Hanno-<lb/>
veraner in ein ſolches Schrecken, daß viele vermoͤgende<lb/>
Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere ſich-<lb/>
re Oerter ſchafften, um ſie daſelbſt in Sicherheit zu<lb/>
bringen. Dieſes Geruͤcht ruͤhrte indeſſen daher, daß<lb/>
wir bey Gadebuſch ein Lager aufgeſchlagen hatten,<lb/>
und uns alſo auf beyden Seiten ohne die geringſte<lb/>
Urſache fuͤrchteten. Nachdem ich nach Guͤſtrow zu-<lb/>
ruͤck gekommen war und erzaͤhlet hatte, was vorge-<lb/>
gangen war, wurde ich ſogleich in unſer Lager mit dem<lb/>
Befehl abgeſchickt, daß unſere Armee wieder aufbre-<lb/>
chen und in ihre Quartiere zuruͤck gehen ſollte. Als<lb/>
dieſes falſche Schrecken voruͤber war, beruhigte ſich<lb/>
auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen<lb/>
Mecklenburgiſchen Unterthanen wurden auf Befehl<lb/>
ihres unbarmherzigen Herzogs von unſern Truppen<lb/>
taͤglich immer mehr gequaͤlet, welches denn machte,<lb/>
daß viele Bittſchriften von adelichen und andern<lb/>
Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem<lb/>
elenden Zuſtande Mitleiden zu haben. Sie hatte<lb/>
auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den<lb/>
Herzog nicht bewegen, ihnen die geringſte Gnade wi-<lb/>
derfahren zu laſſen. Sie entſchloß ſich hierauf, ei-<lb/>
nen Expreſſen an den Czar abzuſchicken, fuͤr das arme<lb/>
Volk zu bitten, und ihm einige Beſchwerden, die ſie<lb/>ſelbſt betrafen, vorzutragen. Da ſie nun keinen von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ihren</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0206]
dahin kam, hoͤrte und ſahe ich nichts von Truppen.
Jch begab mich daher zu unſerm Reſtdenten nach
Hamburg, etwas von ihm zu erfahren; aber, anſtatt
etwas von Kreistruppen, die ſich wider uns zuſammen
zoͤgen, zu vernehmen, wurde geſagt, daß unſre Ar-
mee einen Einfall ins Churfuͤrſtenthum Hannover
thun wollte. Dieſes falſche Geruͤcht ſetzte die Hanno-
veraner in ein ſolches Schrecken, daß viele vermoͤgende
Leute ihre Sachen nach Hamburg, und an andere ſich-
re Oerter ſchafften, um ſie daſelbſt in Sicherheit zu
bringen. Dieſes Geruͤcht ruͤhrte indeſſen daher, daß
wir bey Gadebuſch ein Lager aufgeſchlagen hatten,
und uns alſo auf beyden Seiten ohne die geringſte
Urſache fuͤrchteten. Nachdem ich nach Guͤſtrow zu-
ruͤck gekommen war und erzaͤhlet hatte, was vorge-
gangen war, wurde ich ſogleich in unſer Lager mit dem
Befehl abgeſchickt, daß unſere Armee wieder aufbre-
chen und in ihre Quartiere zuruͤck gehen ſollte. Als
dieſes falſche Schrecken voruͤber war, beruhigte ſich
auch das Publicum in kurzem wieder; allein die armen
Mecklenburgiſchen Unterthanen wurden auf Befehl
ihres unbarmherzigen Herzogs von unſern Truppen
taͤglich immer mehr gequaͤlet, welches denn machte,
daß viele Bittſchriften von adelichen und andern
Frauenzimmern an die Herzoginn kamen, mit ihrem
elenden Zuſtande Mitleiden zu haben. Sie hatte
auch wirklich mit ihnen Mitleiden, konnte aber den
Herzog nicht bewegen, ihnen die geringſte Gnade wi-
derfahren zu laſſen. Sie entſchloß ſich hierauf, ei-
nen Expreſſen an den Czar abzuſchicken, fuͤr das arme
Volk zu bitten, und ihm einige Beſchwerden, die ſie
ſelbſt betrafen, vorzutragen. Da ſie nun keinen von
ihren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/206>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.