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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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weit zahlreichere Armeen wohl disciplinierter, und
mit allem überflüßig versehener Truppen, welche noch
dazu von versuchten und berühmten Feldherren befeh-
liget wurden, die ihr jeden Schritt streitig machten.
Und doch konnten sie in ihren stark befestigten Städten
nicht die geringste Sicherheit finden; sie fielen in je-
dem Feldzuge in die Hände der Alliirten, und die
siegreichen Helden glänzen auf jeder Seite der kriege-
rischen Geschichte. Allein wie wenig Bewunderung
verdienen sie, nach den Grundsätzen des bürgerlichen
Lebens betrachtet, wo uns die Menschlichkeit zwinget,
die kinderlosen Aeltern, hülflosen Waisen, klagenden
Wittwen und traurenden Freunde zu bejammern, wel-
che Ludwigs XIV Ehrgeiz unglücklich und elend machte.

Wir bezogen unsere Winterquartiere in Dornick,Schreckliche
Geschichte
von den Je-
suiten zu
Dornick.

wo der Graf von Albemarle jetzt Gouverneur war.
Kurz vorher trug sich in dem Jesuiter-Collegio eine
Geschichte zu, welche die ganze Stadt in Erstaunen
setzte. Ein Schuster, welcher nahe an dem Collegio
wohnte, hatte eine hübsche Frau, und ward daher
von einem der heiligen Väter mehrmals besucht, wel-
cher Schuhe und Pantoffeln für sich und seine Colle-
gen bestellte. Endlich befahl er der Frau, wenn sie
fertig wären, sie zu ihm zu bringen, und das Geld
dafür abzuholen, welches die Frau auch that. Sie
ward in das Collegium gelassen, kam aber nicht wie-
der zurück, welches den armen Mann und seine Nach-
barn sehr beunruhigte, als welche ganz natürlich in
dem Collegio nach ihr fragten, aber zur Antwort
erhielten, daß sie das Geld empfangen habe, und
damit fortgegangen sey. Da man in die Wahr-
heit der heiligen Väter kein Mißtrauen setzte, so

durfte
C 2

weit zahlreichere Armeen wohl disciplinierter, und
mit allem uͤberfluͤßig verſehener Truppen, welche noch
dazu von verſuchten und beruͤhmten Feldherren befeh-
liget wurden, die ihr jeden Schritt ſtreitig machten.
Und doch konnten ſie in ihren ſtark befeſtigten Staͤdten
nicht die geringſte Sicherheit finden; ſie fielen in je-
dem Feldzuge in die Haͤnde der Alliirten, und die
ſiegreichen Helden glaͤnzen auf jeder Seite der kriege-
riſchen Geſchichte. Allein wie wenig Bewunderung
verdienen ſie, nach den Grundſaͤtzen des buͤrgerlichen
Lebens betrachtet, wo uns die Menſchlichkeit zwinget,
die kinderloſen Aeltern, huͤlfloſen Waiſen, klagenden
Wittwen und traurenden Freunde zu bejammern, wel-
che Ludwigs XIV Ehrgeiz ungluͤcklich und elend machte.

Wir bezogen unſere Winterquartiere in Dornick,Schreckliche
Geſchichte
von den Je-
ſuiten zu
Dornick.

wo der Graf von Albemarle jetzt Gouverneur war.
Kurz vorher trug ſich in dem Jeſuiter-Collegio eine
Geſchichte zu, welche die ganze Stadt in Erſtaunen
ſetzte. Ein Schuſter, welcher nahe an dem Collegio
wohnte, hatte eine huͤbſche Frau, und ward daher
von einem der heiligen Vaͤter mehrmals beſucht, wel-
cher Schuhe und Pantoffeln fuͤr ſich und ſeine Colle-
gen beſtellte. Endlich befahl er der Frau, wenn ſie
fertig waͤren, ſie zu ihm zu bringen, und das Geld
dafuͤr abzuholen, welches die Frau auch that. Sie
ward in das Collegium gelaſſen, kam aber nicht wie-
der zuruͤck, welches den armen Mann und ſeine Nach-
barn ſehr beunruhigte, als welche ganz natuͤrlich in
dem Collegio nach ihr fragten, aber zur Antwort
erhielten, daß ſie das Geld empfangen habe, und
damit fortgegangen ſey. Da man in die Wahr-
heit der heiligen Vaͤter kein Mißtrauen ſetzte, ſo

durfte
C 2
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[35/0045] weit zahlreichere Armeen wohl disciplinierter, und mit allem uͤberfluͤßig verſehener Truppen, welche noch dazu von verſuchten und beruͤhmten Feldherren befeh- liget wurden, die ihr jeden Schritt ſtreitig machten. Und doch konnten ſie in ihren ſtark befeſtigten Staͤdten nicht die geringſte Sicherheit finden; ſie fielen in je- dem Feldzuge in die Haͤnde der Alliirten, und die ſiegreichen Helden glaͤnzen auf jeder Seite der kriege- riſchen Geſchichte. Allein wie wenig Bewunderung verdienen ſie, nach den Grundſaͤtzen des buͤrgerlichen Lebens betrachtet, wo uns die Menſchlichkeit zwinget, die kinderloſen Aeltern, huͤlfloſen Waiſen, klagenden Wittwen und traurenden Freunde zu bejammern, wel- che Ludwigs XIV Ehrgeiz ungluͤcklich und elend machte. Wir bezogen unſere Winterquartiere in Dornick, wo der Graf von Albemarle jetzt Gouverneur war. Kurz vorher trug ſich in dem Jeſuiter-Collegio eine Geſchichte zu, welche die ganze Stadt in Erſtaunen ſetzte. Ein Schuſter, welcher nahe an dem Collegio wohnte, hatte eine huͤbſche Frau, und ward daher von einem der heiligen Vaͤter mehrmals beſucht, wel- cher Schuhe und Pantoffeln fuͤr ſich und ſeine Colle- gen beſtellte. Endlich befahl er der Frau, wenn ſie fertig waͤren, ſie zu ihm zu bringen, und das Geld dafuͤr abzuholen, welches die Frau auch that. Sie ward in das Collegium gelaſſen, kam aber nicht wie- der zuruͤck, welches den armen Mann und ſeine Nach- barn ſehr beunruhigte, als welche ganz natuͤrlich in dem Collegio nach ihr fragten, aber zur Antwort erhielten, daß ſie das Geld empfangen habe, und damit fortgegangen ſey. Da man in die Wahr- heit der heiligen Vaͤter kein Mißtrauen ſetzte, ſo durfte Schreckliche Geſchichte von den Je- ſuiten zu Dornick. C 2

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/45>, abgerufen am 21.11.2024.