Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 7. 6. Aufl. Leipzig, 1913.
Wil heid allein bei dem Vater zurück undsuchte nun in schriftstellerischer Tätig- keit der Mutter nachzueifern, deren "Jugendgarten" sie 1877-1898 im Verein mit ihrer Schwester redigierte. Nach dem Tode ihres Vaters (1885) lebte sie mehrere Jahre zu Stetten im Remstale, wo ihr Bruder damals Dirigent der Anstalt für Epileptische u. Jdioten war, u. folgte ihm 1889 nach Stuttgart, wo sie nach seinem Tode die Leitung seiner Klinik für Nervenkranke "Ottilienhaus" übernahm und noch heute fortführt. S: Wollt ihr's hören? Wildermuth, Ottilie, wurde am Wil fällig aufgenommen ward. Bald folg-ten andere Erzählungen, die 1852 zum erstenmal in den Buchhandel kamen, und seit 1859 hat sie auch eine Reihe von Jugend- und Kinderschriften ver- öffentlicht. Aber ihr Leben ging nicht in der Schriftstellerei auf; regen Gei- stes nahm sie an allen nationalen patriotischen Ereignissen teil. Sie war eine Besucherin und Wohltäterin von Armen und Kranken; von Be- suchern und Bittstellern wurde ihr Haus nie leer, auch der Mißbrauch, der mit ihrer Mildtätigkeit getrieben wurde, verbitterte sie nicht. Rührend war die Pflege, die sie ihrer alten Mutter zuteil werden ließ, die sie nach des Vaters Tode (1847) zu sich ge- nommen hatte, und die in hohem Alter (1874) starb. Auf dem Wörth in Tübingen haben die Frauen dieser Stadt einen stattlichen Stein mit dem Bronzerelief der Dichterin am 10. August 1887 errichtet. S: Werke. *
Wil heid allein bei dem Vater zurück undſuchte nun in ſchriftſtelleriſcher Tätig- keit der Mutter nachzueifern, deren „Jugendgarten“ ſie 1877–1898 im Verein mit ihrer Schweſter redigierte. Nach dem Tode ihres Vaters (1885) lebte ſie mehrere Jahre zu Stetten im Remstale, wo ihr Bruder damals Dirigent der Anſtalt für Epileptiſche u. Jdioten war, u. folgte ihm 1889 nach Stuttgart, wo ſie nach ſeinem Tode die Leitung ſeiner Klinik für Nervenkranke „Ottilienhaus“ übernahm und noch heute fortführt. S: Wollt ihr’s hören? Wildermuth, Ottilie, wurde am Wil fällig aufgenommen ward. Bald folg-ten andere Erzählungen, die 1852 zum erſtenmal in den Buchhandel kamen, und ſeit 1859 hat ſie auch eine Reihe von Jugend- und Kinderſchriften ver- öffentlicht. Aber ihr Leben ging nicht in der Schriftſtellerei auf; regen Gei- ſtes nahm ſie an allen nationalen patriotiſchen Ereigniſſen teil. Sie war eine Beſucherin und Wohltäterin von Armen und Kranken; von Be- ſuchern und Bittſtellern wurde ihr Haus nie leer, auch der Mißbrauch, der mit ihrer Mildtätigkeit getrieben wurde, verbitterte ſie nicht. Rührend war die Pflege, die ſie ihrer alten Mutter zuteil werden ließ, die ſie nach des Vaters Tode (1847) zu ſich ge- nommen hatte, und die in hohem Alter (1874) ſtarb. Auf dem Wörth in Tübingen haben die Frauen dieſer Stadt einen ſtattlichen Stein mit dem Bronzerelief der Dichterin am 10. Auguſt 1887 errichtet. S: Werke. *
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Wil
Wil
heid allein bei dem Vater zurück und
ſuchte nun in ſchriftſtelleriſcher Tätig-
keit der Mutter nachzueifern, deren
„Jugendgarten“ ſie 1877–1898 im
Verein mit ihrer Schweſter redigierte.
Nach dem Tode ihres Vaters (1885)
lebte ſie mehrere Jahre zu Stetten
im Remstale, wo ihr Bruder damals
Dirigent der Anſtalt für Epileptiſche
u. Jdioten war, u. folgte ihm 1889 nach
Stuttgart, wo ſie nach ſeinem Tode die
Leitung ſeiner Klinik für Nervenkranke
„Ottilienhaus“ übernahm und noch
heute fortführt.
S: Wollt ihr’s hören?
(En. für junge Mädchen), 1882. 3. A.
1896. – Schule u. Leben (En.), 1883.
3. Aufl. 1890. – Gut Freund (En.),
1891. – Ottilie Wildermuths-Leben
(hrsg. mit ihrer Schweſter), 1888.
Wildermuth, Ottilie, wurde am
22. Februar 1817 zu Rottenburg am
Neckar in Württemberg als das älteſte
Kind des Gerichtsaktuars Rooſchüz
geboren, der bald darauf als Ober-
amtsrichter nach Marbach verſetzt
wurde, und hier verlebte Ottilie ihre
Jugend. Jhr Unterricht bis zum 14.
Jahre war der gewöhnliche einer
Volksſchule, in etwas ergänzt durch
den Privatunterricht eines in der
Nachbarſchaft wohnenden geiſtlichen
Onkels. Doch wirkte das freie und
fröhliche Kinderleben in der Natur,
das heitere, gaſtliche Elternhaus und
die Teilnahme an dem Bildungsgange
der Brüder ſehr anregend und för-
dernd auf die Entwicklung des Mäd-
chens. Jm 16. Jahre kam Ottilie auf
einige Monate nach Stuttgart, um
hier ihre Bildung zu ergänzen, an der
ſie dann auch in der Heimat unaus-
geſetzt weiter arbeitete. Jm Jahre
1843 vermählte ſie ſich mit dem Gym-
naſialprofeſſor Dr. Wildermuth
in Tübingen, an deſſen Seite ſie bis
zu ihrem Tode, 12. Juli 1877, in den
angenehmſten und glücklichſten Ver-
hältniſſen lebte. 1847 ſchrieb ſie auf
Anregung ihres Gatten ihre erſte
Novelle „Eine alte Jungfer“, die bei-
fällig aufgenommen ward. Bald folg-
ten andere Erzählungen, die 1852 zum
erſtenmal in den Buchhandel kamen,
und ſeit 1859 hat ſie auch eine Reihe
von Jugend- und Kinderſchriften ver-
öffentlicht. Aber ihr Leben ging nicht
in der Schriftſtellerei auf; regen Gei-
ſtes nahm ſie an allen nationalen
patriotiſchen Ereigniſſen teil. Sie
war eine Beſucherin und Wohltäterin
von Armen und Kranken; von Be-
ſuchern und Bittſtellern wurde ihr
Haus nie leer, auch der Mißbrauch,
der mit ihrer Mildtätigkeit getrieben
wurde, verbitterte ſie nicht. Rührend
war die Pflege, die ſie ihrer alten
Mutter zuteil werden ließ, die ſie nach
des Vaters Tode (1847) zu ſich ge-
nommen hatte, und die in hohem
Alter (1874) ſtarb. Auf dem Wörth
in Tübingen haben die Frauen dieſer
Stadt einen ſtattlichen Stein mit dem
Bronzerelief der Dichterin am 10.
Auguſt 1887 errichtet.
S: Werke.
Geſamtausg.; VIII, 1862. – Geſam-
melte Werke; hrsg. von ihrer Tochter
Adelheid W.; X, 1892–94 [Jnhalt:
I. Bilder und Geſchichten aus dem
ſchwäbiſchen Leben (1852: Genre-
bilder aus einer kleinen Stadt. – Bil-
der aus einer bürgerlichen Familien-
galerie. – Die alten Häuſer von K. –
Schwäbiſche Pfarrhäuſer. – Heirats-
geſchichten.) – II. Neue Bilder und
Geſchichten aus Schwaben (1854: Ge-
ſtalten a. d. Alltagswelt. – Krumme
und gerade Lebenswege. – Hageſtolze.
– Vom Dorf). – III–IV. Aus dem
Frauenleben (En. 1855–57: Ein ſon-
nenloſes Leben. – Morgen, Mittag
und Abend. – Die Verſchmähte. – Un-
abhängigkeit. – Der erſte Ehezwiſt. –
Die Lehrjahre der zwei Schweſtern. –
Mädchenbriefe. – Lebensglück. – Ein
Herbſttag bei Weinsberg. – Tote
Treue). – V. Lebensrätſel, gelöſte und
ungelöſte (En. 1863: Kloſterfräulein.
– Liebeszauber. – Mußte es ſein? -
Eine dunkle Familiengeſchichte. –
Drei Feſte). – VI. Die Heimat der
*
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