hier begnügen, die blosse Thatsache hinzustellen. Die Nach- weisung der Gründe derselben gehört in eine Geschichte der Entwickelung griechischer Cultus- und Religionsbegriffe.
In der Bildung der Heroen bemerken wir in dieser Periode einen bedeutenden Umschwung: sie ist nicht mehr auf das Re- lief beschränkt, wir finden vielmehr eine Reihe von Statuen. Allein es ist nicht sowohl ihre grössere oder geringere Tüch- tigkeit für künstlerische Darstellung, welche ihr Erscheinen in der Plastik bedingt, als ihre nationale Bedeutung. Dahin ge- hören die phokischen Heroen des Aristomedon, Taras und Pha- lanthos, die Achaeer vor Troja von Onatas. Nur in etwas an- derer Richtung reihen sich ihnen an Homer, Hesiod, Orpheus, gewissermaassen Heroen der Musik und Poesie, so wie die Per- sonification des Agon von Dionysios. Auf nationalem Boden ruhen denn auch die Darstellungen wirklich geschichtlicher Personen, wie wir sie unter den Werken eines Ageladas, Ona- tas, Aristomedon finden. Ihretwegen dürfen wir indessen nicht annehmen, dass jetzt schon die historische Kunst im strengen Sinn, insofern sie wirkliche Begebenheiten in voller Cha- rakteristik darstellt, auch auf dem Gebiete der Plastik Ein- gang gefunden habe. Sie stehen vielmehr auf gleicher Linie mit den Bildern der Heroen, mit denen sie auch äusserlich verbunden sind, mehr um an bestimmte Begebenheiten zu er- innern, als sie darzustellen. Auch an eine scharfe Individua- lisirung der einzelnen Gestalten wagen wir deshalb in dieser Zeit noch nicht zu denken und begnügten uns daher schon früher, bei den Barbarenbildungen des Onatas und Ageladas auf die Nichtgriechen der aeginetischen Giebelstatuen zu ver- weisen.
Dass man sich indessen im Laufe der Zeit dem wirklichen Leben, der Nachahmung der Natur immer mehr näherte, dafür bürgt eine ganze Klasse von Denkmälern, die Ehrenstatuen der olympischen Sieger. Sie sind es, die, obwohl nicht ausser Beziehung zu religiöser Sitte, doch die Kunst zuerst von re- ligiösen Schranken befreien und zu ihrem Urquell, der Natur, zurückführen. In wieweit sie Portraitbildungen waren, ist bei dem Mangel sicherer Denkmäler oder der Nachrichten dar- über noch immer nicht ausgemacht1). Doch lehrt uns wenig-
1) Vgl. Krause Ol. S. 176.
hier begnügen, die blosse Thatsache hinzustellen. Die Nach- weisung der Gründe derselben gehört in eine Geschichte der Entwickelung griechischer Cultus- und Religionsbegriffe.
In der Bildung der Heroen bemerken wir in dieser Periode einen bedeutenden Umschwung: sie ist nicht mehr auf das Re- lief beschränkt, wir finden vielmehr eine Reihe von Statuen. Allein es ist nicht sowohl ihre grössere oder geringere Tüch- tigkeit für künstlerische Darstellung, welche ihr Erscheinen in der Plastik bedingt, als ihre nationale Bedeutung. Dahin ge- hören die phokischen Heroen des Aristomedon, Taras und Pha- lanthos, die Achaeer vor Troja von Onatas. Nur in etwas an- derer Richtung reihen sich ihnen an Homer, Hesiod, Orpheus, gewissermaassen Heroen der Musik und Poesie, so wie die Per- sonification des Agon von Dionysios. Auf nationalem Boden ruhen denn auch die Darstellungen wirklich geschichtlicher Personen, wie wir sie unter den Werken eines Ageladas, Ona- tas, Aristomedon finden. Ihretwegen dürfen wir indessen nicht annehmen, dass jetzt schon die historische Kunst im strengen Sinn, insofern sie wirkliche Begebenheiten in voller Cha- rakteristik darstellt, auch auf dem Gebiete der Plastik Ein- gang gefunden habe. Sie stehen vielmehr auf gleicher Linie mit den Bildern der Heroen, mit denen sie auch äusserlich verbunden sind, mehr um an bestimmte Begebenheiten zu er- innern, als sie darzustellen. Auch an eine scharfe Individua- lisirung der einzelnen Gestalten wagen wir deshalb in dieser Zeit noch nicht zu denken und begnügten uns daher schon früher, bei den Barbarenbildungen des Onatas und Ageladas auf die Nichtgriechen der aeginetischen Giebelstatuen zu ver- weisen.
Dass man sich indessen im Laufe der Zeit dem wirklichen Leben, der Nachahmung der Natur immer mehr näherte, dafür bürgt eine ganze Klasse von Denkmälern, die Ehrenstatuen der olympischen Sieger. Sie sind es, die, obwohl nicht ausser Beziehung zu religiöser Sitte, doch die Kunst zuerst von re- ligiösen Schranken befreien und zu ihrem Urquell, der Natur, zurückführen. In wieweit sie Portraitbildungen waren, ist bei dem Mangel sicherer Denkmäler oder der Nachrichten dar- über noch immer nicht ausgemacht1). Doch lehrt uns wenig-
1) Vgl. Krause Ol. S. 176.
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hier begnügen, die blosse Thatsache hinzustellen. Die Nach-
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Entwickelung griechischer Cultus- und Religionsbegriffe.
In der Bildung der Heroen bemerken wir in dieser Periode
einen bedeutenden Umschwung: sie ist nicht mehr auf das Re-
lief beschränkt, wir finden vielmehr eine Reihe von Statuen.
Allein es ist nicht sowohl ihre grössere oder geringere Tüch-
tigkeit für künstlerische Darstellung, welche ihr Erscheinen in
der Plastik bedingt, als ihre nationale Bedeutung. Dahin ge-
hören die phokischen Heroen des Aristomedon, Taras und Pha-
lanthos, die Achaeer vor Troja von Onatas. Nur in etwas an-
derer Richtung reihen sich ihnen an Homer, Hesiod, Orpheus,
gewissermaassen Heroen der Musik und Poesie, so wie die Per-
sonification des Agon von Dionysios. Auf nationalem Boden
ruhen denn auch die Darstellungen wirklich geschichtlicher
Personen, wie wir sie unter den Werken eines Ageladas, Ona-
tas, Aristomedon finden. Ihretwegen dürfen wir indessen nicht
annehmen, dass jetzt schon die historische Kunst im strengen
Sinn, insofern sie wirkliche Begebenheiten in voller Cha-
rakteristik darstellt, auch auf dem Gebiete der Plastik Ein-
gang gefunden habe. Sie stehen vielmehr auf gleicher Linie
mit den Bildern der Heroen, mit denen sie auch äusserlich
verbunden sind, mehr um an bestimmte Begebenheiten zu er-
innern, als sie darzustellen. Auch an eine scharfe Individua-
lisirung der einzelnen Gestalten wagen wir deshalb in dieser
Zeit noch nicht zu denken und begnügten uns daher schon
früher, bei den Barbarenbildungen des Onatas und Ageladas
auf die Nichtgriechen der aeginetischen Giebelstatuen zu ver-
weisen.
Dass man sich indessen im Laufe der Zeit dem wirklichen
Leben, der Nachahmung der Natur immer mehr näherte, dafür
bürgt eine ganze Klasse von Denkmälern, die Ehrenstatuen
der olympischen Sieger. Sie sind es, die, obwohl nicht ausser
Beziehung zu religiöser Sitte, doch die Kunst zuerst von re-
ligiösen Schranken befreien und zu ihrem Urquell, der Natur,
zurückführen. In wieweit sie Portraitbildungen waren, ist
bei dem Mangel sicherer Denkmäler oder der Nachrichten dar-
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1) Vgl. Krause Ol. S. 176.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/133>, abgerufen am 21.11.2024.
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