war. Allein Phidias hatte auf Perikles Rath den Goldschmuck des Bildes so eingerichtet, dass er abgenommen und nachge- wogen werden konnte. Obwohl er sich nun auf diese Weise rechtfertigte, so hatte sich doch der Hass gegen ihn so gestei- gert, dass man eine zweite Anklage auf Gotteslästerung ein- zubringen wagte, deren er sich schuldig gemacht, indem er sein eigenes Bild und das des Perikles auf dem Schilde der Göttin angebracht habe. Er ward in den Kerker geworfen und starb dort an einer Krankheit oder, wie Andere sagten, an Gift, das ihm die Feinde des Perikles beigebracht haben soll- ten, um diesem daraus einen neuen Vorwurf zu machen. Sei- nem Angeber Menon aber wurde vom Volke Abgabenfreiheit ertheilt und den Strategen eine besondere Fürsorge für seine persönliche Sicherheit zur Pflicht gemacht.
Ehe wir nun zur Beurtheilung des riesenhaften Fortschrit- tes übergehen, welcher in der Kunst durch den Genius des Phidias bewirkt wurde, wird es gut sein, dass wir uns zu- vörderst mit den einzelnen Werken bekannt machen, so weit wir von ihnen Kenntniss haben. Wir befolgen dabei die auch früher beobachtete Ordnung nach den Gegenständen der Dar- stellung, und beginnen daher sogleich mit einem der letzten, aber auch mit dem gewaltigsten Werke.
Der Zeus zu Olympia.
Die ausführliche Beschreibung, welche uns Pausanias 1) von diesem Bilde hinterlassen hat, ist Veranlassung geworden, dass sich die neueren Forscher vorzugsweise mit diesem Werke des Phidias beschäftigt haben. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, ihre Ansichten, die zuweilen auf sehr unhaltbaren Vor- aussetzungen beruhen, hier sämmtlich anzuführen und zu prü- fen. Das grosse Werk von Quatremere de Quincy: Jupiter Olympien hat sein Hauptverdienst in den Erörterungen über die Technik. Unter den Neueren verweise ich, ausser auf Preller, auch auf Rathgeber 2), welcher in vielen Punkten von Schubart 3) gründlich widerlegt worden ist. Dort finden sich auch über die frühere Literatur ausführliche Nachweisungen. Meine eigene Ansicht habe ich bereits in den Annalen des archaeologischen Instituts 4) ausgesprochen, und zugleich einen,
1) V, 12.
2) in der Hallischen Encyclopaedie III, 3, S. 256--293.
3) in der Ztschr. f. Altw. 1849, S. 385 flgd.
4) 1851, p. 108 sqq.
war. Allein Phidias hatte auf Perikles Rath den Goldschmuck des Bildes so eingerichtet, dass er abgenommen und nachge- wogen werden konnte. Obwohl er sich nun auf diese Weise rechtfertigte, so hatte sich doch der Hass gegen ihn so gestei- gert, dass man eine zweite Anklage auf Gotteslästerung ein- zubringen wagte, deren er sich schuldig gemacht, indem er sein eigenes Bild und das des Perikles auf dem Schilde der Göttin angebracht habe. Er ward in den Kerker geworfen und starb dort an einer Krankheit oder, wie Andere sagten, an Gift, das ihm die Feinde des Perikles beigebracht haben soll- ten, um diesem daraus einen neuen Vorwurf zu machen. Sei- nem Angeber Menon aber wurde vom Volke Abgabenfreiheit ertheilt und den Strategen eine besondere Fürsorge für seine persönliche Sicherheit zur Pflicht gemacht.
Ehe wir nun zur Beurtheilung des riesenhaften Fortschrit- tes übergehen, welcher in der Kunst durch den Genius des Phidias bewirkt wurde, wird es gut sein, dass wir uns zu- vörderst mit den einzelnen Werken bekannt machen, so weit wir von ihnen Kenntniss haben. Wir befolgen dabei die auch früher beobachtete Ordnung nach den Gegenständen der Dar- stellung, und beginnen daher sogleich mit einem der letzten, aber auch mit dem gewaltigsten Werke.
Der Zeus zu Olympia.
Die ausführliche Beschreibung, welche uns Pausanias 1) von diesem Bilde hinterlassen hat, ist Veranlassung geworden, dass sich die neueren Forscher vorzugsweise mit diesem Werke des Phidias beschäftigt haben. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, ihre Ansichten, die zuweilen auf sehr unhaltbaren Vor- aussetzungen beruhen, hier sämmtlich anzuführen und zu prü- fen. Das grosse Werk von Quatremere de Quincy: Jupiter Olympien hat sein Hauptverdienst in den Erörterungen über die Technik. Unter den Neueren verweise ich, ausser auf Preller, auch auf Rathgeber 2), welcher in vielen Punkten von Schubart 3) gründlich widerlegt worden ist. Dort finden sich auch über die frühere Literatur ausführliche Nachweisungen. Meine eigene Ansicht habe ich bereits in den Annalen des archaeologischen Instituts 4) ausgesprochen, und zugleich einen,
1) V, 12.
2) in der Hallischen Encyclopaedie III, 3, S. 256—293.
3) in der Ztschr. f. Altw. 1849, S. 385 flgd.
4) 1851, p. 108 sqq.
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war. Allein Phidias hatte auf Perikles Rath den Goldschmuck
des Bildes so eingerichtet, dass er abgenommen und nachge-
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rechtfertigte, so hatte sich doch der Hass gegen ihn so gestei-
gert, dass man eine zweite Anklage auf Gotteslästerung ein-
zubringen wagte, deren er sich schuldig gemacht, indem er
sein eigenes Bild und das des Perikles auf dem Schilde der
Göttin angebracht habe. Er ward in den Kerker geworfen und
starb dort an einer Krankheit oder, wie Andere sagten, an
Gift, das ihm die Feinde des Perikles beigebracht haben soll-
ten, um diesem daraus einen neuen Vorwurf zu machen. Sei-
nem Angeber Menon aber wurde vom Volke Abgabenfreiheit
ertheilt und den Strategen eine besondere Fürsorge für seine
persönliche Sicherheit zur Pflicht gemacht.
Ehe wir nun zur Beurtheilung des riesenhaften Fortschrit-
tes übergehen, welcher in der Kunst durch den Genius des
Phidias bewirkt wurde, wird es gut sein, dass wir uns zu-
vörderst mit den einzelnen Werken bekannt machen, so weit
wir von ihnen Kenntniss haben. Wir befolgen dabei die auch
früher beobachtete Ordnung nach den Gegenständen der Dar-
stellung, und beginnen daher sogleich mit einem der letzten,
aber auch mit dem gewaltigsten Werke.
Der Zeus zu Olympia.
Die ausführliche Beschreibung, welche uns Pausanias 1)
von diesem Bilde hinterlassen hat, ist Veranlassung geworden,
dass sich die neueren Forscher vorzugsweise mit diesem Werke
des Phidias beschäftigt haben. Es kann nicht unsere Aufgabe
sein, ihre Ansichten, die zuweilen auf sehr unhaltbaren Vor-
aussetzungen beruhen, hier sämmtlich anzuführen und zu prü-
fen. Das grosse Werk von Quatremere de Quincy: Jupiter
Olympien hat sein Hauptverdienst in den Erörterungen über
die Technik. Unter den Neueren verweise ich, ausser auf
Preller, auch auf Rathgeber 2), welcher in vielen Punkten von
Schubart 3) gründlich widerlegt worden ist. Dort finden sich
auch über die frühere Literatur ausführliche Nachweisungen.
Meine eigene Ansicht habe ich bereits in den Annalen des
archaeologischen Instituts 4) ausgesprochen, und zugleich einen,
1) V, 12.
2) in der Hallischen Encyclopaedie III, 3, S. 256—293.
3) in der Ztschr. f. Altw. 1849, S. 385 flgd.
4) 1851, p. 108 sqq.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/181>, abgerufen am 24.11.2024.
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