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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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abgehen, nemlich Kraft und Nachdruck, welche für gewaltige
Bildungen nothwendig sind. Ueber seine geistigen Eigenthüm-
lichkeiten indessen lässt sich aus Lobsprüchen, wie in primis
nobilis bei Plinius 1), Zusammenstellungen mit Phidias, Poly-
klet, Myron, Praxiteles bei Dionys von Halikarnass 2) und bei
Lucian zu wenig schliessen, als dass sie die Kenntniss seiner
Persönlichkeit zu erweitern vermöchten. Sie legen nur Zeug-
niss ab für das hohe Ansehen, in welchem Alkamenes als ein
den Ersten ebenbürtiger Geist bei den Alten stand. Ja es
mag sogar in seiner Verwandtschaft mit Phidias der Grund
liegen, dass wir über seine Verdienste im Einzelnen so wenig
erfahren. Die Statuen eines Hephaestos, Ares, Dionysos, As-
klepios mochten für die Ausbildung des Ideals dieser Götter
das Höchste geleistet haben. Aber im Ganzen betrachtet, ge-
schah dies immer in dem Geiste, den Phidias erweckt hatte;
es handelte sich dabei nur um die weitere Ausbildung einer
gegebenen Richtung, nicht um die Begründung einer neuen,
wie es z. B. später bei Praxiteles der Fall war. Mag dieser
letztere auch nicht entfernt die Erhabenheit erreicht haben,
welche der Kunst des Alkamenes, wie der eines Phidias, eigen
war, so musste er doch, weil neu und eigenthümlich, die Auf-
merksamkeit der Kunstforscher mehr auf sich lenken, als Al-
kamenes, der trotz aller Verdienste doch immer nur die zweite
Stelle in einer schon begründeten Kunstrichtung einnahm.

Agorakritos.

Das Vaterland des Agorakritos war nach den übereinstim-
menden Zeugnissen der Alten die Insel Paros. Die Zeit sei-
ner Thätigkeit ergiebt sich nur allgemein aus seinem Verhält-
niss zu Phidias: er war der Lieblingsschüler desselben, und
dürfen wir den Andeutungen der Alten Glauben schenken, so
war die Zuneigung des Lehrers zum Theil in der körperlichen
Schönheit des Schülers begründet. Ist nun sein Name durch
diese Verbindung mit dem Meister zu hohem Ansehen gelangt,
so hat andererseits gerade dieser Umstand seinem selbststän-
digen Ruhm auch wesentlich geschadet. Denn es ging im Al-
terthum die Sage, Phidias habe dem Agorakritos mehrere aus-
gezeichnete Werke in der Weise zum Geschenk gemacht, dass

1) 36, 16.
2) de Demosth. acum. p. 193 Sylb.

abgehen, nemlich Kraft und Nachdruck, welche für gewaltige
Bildungen nothwendig sind. Ueber seine geistigen Eigenthüm-
lichkeiten indessen lässt sich aus Lobsprüchen, wie in primis
nobilis bei Plinius 1), Zusammenstellungen mit Phidias, Poly-
klet, Myron, Praxiteles bei Dionys von Halikarnass 2) und bei
Lucian zu wenig schliessen, als dass sie die Kenntniss seiner
Persönlichkeit zu erweitern vermöchten. Sie legen nur Zeug-
niss ab für das hohe Ansehen, in welchem Alkamenes als ein
den Ersten ebenbürtiger Geist bei den Alten stand. Ja es
mag sogar in seiner Verwandtschaft mit Phidias der Grund
liegen, dass wir über seine Verdienste im Einzelnen so wenig
erfahren. Die Statuen eines Hephaestos, Ares, Dionysos, As-
klepios mochten für die Ausbildung des Ideals dieser Götter
das Höchste geleistet haben. Aber im Ganzen betrachtet, ge-
schah dies immer in dem Geiste, den Phidias erweckt hatte;
es handelte sich dabei nur um die weitere Ausbildung einer
gegebenen Richtung, nicht um die Begründung einer neuen,
wie es z. B. später bei Praxiteles der Fall war. Mag dieser
letztere auch nicht entfernt die Erhabenheit erreicht haben,
welche der Kunst des Alkamenes, wie der eines Phidias, eigen
war, so musste er doch, weil neu und eigenthümlich, die Auf-
merksamkeit der Kunstforscher mehr auf sich lenken, als Al-
kamenes, der trotz aller Verdienste doch immer nur die zweite
Stelle in einer schon begründeten Kunstrichtung einnahm.

Agorakritos.

Das Vaterland des Agorakritos war nach den übereinstim-
menden Zeugnissen der Alten die Insel Paros. Die Zeit sei-
ner Thätigkeit ergiebt sich nur allgemein aus seinem Verhält-
niss zu Phidias: er war der Lieblingsschüler desselben, und
dürfen wir den Andeutungen der Alten Glauben schenken, so
war die Zuneigung des Lehrers zum Theil in der körperlichen
Schönheit des Schülers begründet. Ist nun sein Name durch
diese Verbindung mit dem Meister zu hohem Ansehen gelangt,
so hat andererseits gerade dieser Umstand seinem selbststän-
digen Ruhm auch wesentlich geschadet. Denn es ging im Al-
terthum die Sage, Phidias habe dem Agorakritos mehrere aus-
gezeichnete Werke in der Weise zum Geschenk gemacht, dass

1) 36, 16.
2) de Demosth. acum. p. 193 Sylb.
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[239/0252] abgehen, nemlich Kraft und Nachdruck, welche für gewaltige Bildungen nothwendig sind. Ueber seine geistigen Eigenthüm- lichkeiten indessen lässt sich aus Lobsprüchen, wie in primis nobilis bei Plinius 1), Zusammenstellungen mit Phidias, Poly- klet, Myron, Praxiteles bei Dionys von Halikarnass 2) und bei Lucian zu wenig schliessen, als dass sie die Kenntniss seiner Persönlichkeit zu erweitern vermöchten. Sie legen nur Zeug- niss ab für das hohe Ansehen, in welchem Alkamenes als ein den Ersten ebenbürtiger Geist bei den Alten stand. Ja es mag sogar in seiner Verwandtschaft mit Phidias der Grund liegen, dass wir über seine Verdienste im Einzelnen so wenig erfahren. Die Statuen eines Hephaestos, Ares, Dionysos, As- klepios mochten für die Ausbildung des Ideals dieser Götter das Höchste geleistet haben. Aber im Ganzen betrachtet, ge- schah dies immer in dem Geiste, den Phidias erweckt hatte; es handelte sich dabei nur um die weitere Ausbildung einer gegebenen Richtung, nicht um die Begründung einer neuen, wie es z. B. später bei Praxiteles der Fall war. Mag dieser letztere auch nicht entfernt die Erhabenheit erreicht haben, welche der Kunst des Alkamenes, wie der eines Phidias, eigen war, so musste er doch, weil neu und eigenthümlich, die Auf- merksamkeit der Kunstforscher mehr auf sich lenken, als Al- kamenes, der trotz aller Verdienste doch immer nur die zweite Stelle in einer schon begründeten Kunstrichtung einnahm. Agorakritos. Das Vaterland des Agorakritos war nach den übereinstim- menden Zeugnissen der Alten die Insel Paros. Die Zeit sei- ner Thätigkeit ergiebt sich nur allgemein aus seinem Verhält- niss zu Phidias: er war der Lieblingsschüler desselben, und dürfen wir den Andeutungen der Alten Glauben schenken, so war die Zuneigung des Lehrers zum Theil in der körperlichen Schönheit des Schülers begründet. Ist nun sein Name durch diese Verbindung mit dem Meister zu hohem Ansehen gelangt, so hat andererseits gerade dieser Umstand seinem selbststän- digen Ruhm auch wesentlich geschadet. Denn es ging im Al- terthum die Sage, Phidias habe dem Agorakritos mehrere aus- gezeichnete Werke in der Weise zum Geschenk gemacht, dass 1) 36, 16. 2) de Demosth. acum. p. 193 Sylb.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/252>, abgerufen am 22.11.2024.