pros, und sein Ruf gründete sich nach Plinius 1) vorzugsweise auf eine Statue, den sogenannten Splanchnoptes. Sie stellte einen Sklaven des Perikles dar, der Eingeweide röstete und dabei das Feuer aus vollen Backen anblies. Dieser Sklave aber sollte niemand anders, als jener von den Propylaeen her- untergestürzte Arbeiter sein. Denn am Schlusse der unter Pyrrhos mitgetheilten Erzählung fügt Plinius hinzu: Hic est vernula cuius effigies ex aere fusa est et nobilis ille Splan- chnoptes. Die Ausdruckweise ist sehr ungeschickt; und wir würden an zwei verschiedene Statuen zu denken geneigt sein, wenn nicht die Vergleichung der beiden Stellen des Plinius uns schweigen hiesse. -- Dass jener Sklave nicht Mnesikles, der Architekt der Propylaeen gewesen sei, wie Sillig vermu- thete, hat bereits Ross 2) zur Genüge nachgewiesen. Aber was hat die Handlung der Statue mit dem Sturze des Sklaven zu thun? Bergk 3) sucht diese Frage durch die Annahme zu beantworten: es sei die Hauptaufgabe des Künstlers gewesen, jenen Arbeiter, der ein Unfreier war, in einer Weise darzu- stellen, dass man sofort seinen Stand erkannte. Denke man sich nun nach den vorhandenen Spuren vor dem Bilde der Athene des Pyrrhos einen Altar, und neben demselben auf einer Basis eine jugendliche Figur, die, mit dem oberen Kör- per nach dem Altar herübergebogen, mit vollen Backen die Flammen anzufachen scheine, so erhalte man nicht nur das schönste Ensemble, sondern es sei auch die dienende Stellung des Arbeiters auf das angemessenste angedeutet, er erscheine gleichsam dem höheren Dienste der rettenden Göttin geweiht. Die Flamme selbst aber sei ebensowenig, als die Eingeweide, in dem Kunstwerke selbst dargestellt gewesen, und der Name Splanchnoptes für dasselbe nur gewählt, um den Eindruck, den es auf den Beschauer hervorbrachte, passend zu bezeichnen. -- Ich habe, um nicht ungerecht zu erscheinen, die Ansicht Bergk's ausführlich mitgetheilt, hoffe aber, einer weiteren Aus- führung der Gründe mich überheben zu dürfen: weshalb ich sie für nichts, als ein Spiel mit Vermuthungen, welches keine feste Ueberzeugung zu gewähren vermag, halten kann. Das Wichtigste bleibt für unsere Zwecke immer das Werk des
1) 34, 81.
2) Kunstblatt 1840, N. 37.
3) Ztschr. f. Altw. 1845, S. 969.
pros, und sein Ruf gründete sich nach Plinius 1) vorzugsweise auf eine Statue, den sogenannten Splanchnoptes. Sie stellte einen Sklaven des Perikles dar, der Eingeweide röstete und dabei das Feuer aus vollen Backen anblies. Dieser Sklave aber sollte niemand anders, als jener von den Propylaeen her- untergestürzte Arbeiter sein. Denn am Schlusse der unter Pyrrhos mitgetheilten Erzählung fügt Plinius hinzu: Hic est vernula cuius effigies ex aere fusa est et nobilis ille Splan- chnoptes. Die Ausdruckweise ist sehr ungeschickt; und wir würden an zwei verschiedene Statuen zu denken geneigt sein, wenn nicht die Vergleichung der beiden Stellen des Plinius uns schweigen hiesse. — Dass jener Sklave nicht Mnesikles, der Architekt der Propylaeen gewesen sei, wie Sillig vermu- thete, hat bereits Ross 2) zur Genüge nachgewiesen. Aber was hat die Handlung der Statue mit dem Sturze des Sklaven zu thun? Bergk 3) sucht diese Frage durch die Annahme zu beantworten: es sei die Hauptaufgabe des Künstlers gewesen, jenen Arbeiter, der ein Unfreier war, in einer Weise darzu- stellen, dass man sofort seinen Stand erkannte. Denke man sich nun nach den vorhandenen Spuren vor dem Bilde der Athene des Pyrrhos einen Altar, und neben demselben auf einer Basis eine jugendliche Figur, die, mit dem oberen Kör- per nach dem Altar herübergebogen, mit vollen Backen die Flammen anzufachen scheine, so erhalte man nicht nur das schönste Ensemble, sondern es sei auch die dienende Stellung des Arbeiters auf das angemessenste angedeutet, er erscheine gleichsam dem höheren Dienste der rettenden Göttin geweiht. Die Flamme selbst aber sei ebensowenig, als die Eingeweide, in dem Kunstwerke selbst dargestellt gewesen, und der Name Splanchnoptes für dasselbe nur gewählt, um den Eindruck, den es auf den Beschauer hervorbrachte, passend zu bezeichnen. — Ich habe, um nicht ungerecht zu erscheinen, die Ansicht Bergk’s ausführlich mitgetheilt, hoffe aber, einer weiteren Aus- führung der Gründe mich überheben zu dürfen: weshalb ich sie für nichts, als ein Spiel mit Vermuthungen, welches keine feste Ueberzeugung zu gewähren vermag, halten kann. Das Wichtigste bleibt für unsere Zwecke immer das Werk des
1) 34, 81.
2) Kunstblatt 1840, N. 37.
3) Ztschr. f. Altw. 1845, S. 969.
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pros, und sein Ruf gründete sich nach Plinius 1) vorzugsweise
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einen Sklaven des Perikles dar, der Eingeweide röstete und
dabei das Feuer aus vollen Backen anblies. Dieser Sklave
aber sollte niemand anders, als jener von den Propylaeen her-
untergestürzte Arbeiter sein. Denn am Schlusse der unter
Pyrrhos mitgetheilten Erzählung fügt Plinius hinzu: Hic est
vernula cuius effigies ex aere fusa est et nobilis ille Splan-
chnoptes. Die Ausdruckweise ist sehr ungeschickt; und wir
würden an zwei verschiedene Statuen zu denken geneigt sein,
wenn nicht die Vergleichung der beiden Stellen des Plinius
uns schweigen hiesse. — Dass jener Sklave nicht Mnesikles,
der Architekt der Propylaeen gewesen sei, wie Sillig vermu-
thete, hat bereits Ross 2) zur Genüge nachgewiesen. Aber
was hat die Handlung der Statue mit dem Sturze des Sklaven
zu thun? Bergk 3) sucht diese Frage durch die Annahme zu
beantworten: es sei die Hauptaufgabe des Künstlers gewesen,
jenen Arbeiter, der ein Unfreier war, in einer Weise darzu-
stellen, dass man sofort seinen Stand erkannte. Denke man
sich nun nach den vorhandenen Spuren vor dem Bilde der
Athene des Pyrrhos einen Altar, und neben demselben auf
einer Basis eine jugendliche Figur, die, mit dem oberen Kör-
per nach dem Altar herübergebogen, mit vollen Backen die
Flammen anzufachen scheine, so erhalte man nicht nur das
schönste Ensemble, sondern es sei auch die dienende Stellung
des Arbeiters auf das angemessenste angedeutet, er erscheine
gleichsam dem höheren Dienste der rettenden Göttin geweiht.
Die Flamme selbst aber sei ebensowenig, als die Eingeweide,
in dem Kunstwerke selbst dargestellt gewesen, und der Name
Splanchnoptes für dasselbe nur gewählt, um den Eindruck, den
es auf den Beschauer hervorbrachte, passend zu bezeichnen. —
Ich habe, um nicht ungerecht zu erscheinen, die Ansicht
Bergk’s ausführlich mitgetheilt, hoffe aber, einer weiteren Aus-
führung der Gründe mich überheben zu dürfen: weshalb ich
sie für nichts, als ein Spiel mit Vermuthungen, welches keine
feste Ueberzeugung zu gewähren vermag, halten kann. Das
Wichtigste bleibt für unsere Zwecke immer das Werk des
1) 34, 81.
2) Kunstblatt 1840, N. 37.
3) Ztschr. f. Altw. 1845,
S. 969.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/279>, abgerufen am 24.11.2024.
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