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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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ihrer Blüthe: denn auch darin folgten diese Städte noch ihren
Vorbildern, dass sie vor allem auf die Schmückung ihrer Stam-
mesheiligthümer bedacht waren, oder wenigstens den Göttern
die Werke der Kunst weiheten. Selbst das Wunder dieser
Periode, das Mausoleum, möchte ich unter diesem Gesichtspunkte
auffassen: denn obwohl Grabmal, hatte es doch ganz den
Charakter eines Heroon und stellte sich schon durch die Stelle
auf welcher es erbaut war, als der Mittelpunkt der Heiligthü-
mer von Halikarnass dar 1).

Aber in der Mitte dieser Periode erfolgte ein gewaltiger
Umschwung in den politischen Verhältnissen durch den Sieg
der makedonischen Alleinherrschaft. Zwar ist diese selbst nur
von kurzer Dauer; aber sie hat in ihrem Gefolge fast überall
die Alleinherrschaft von Königen. Ein König aber macht an-
dere Forderungen an den Künstler, als ein wahrhaft republi-
canischer Staatsmann, selbst wenn dieser factisch die Macht
eines Königs ausübt. Er will selbst verherrlicht sein; und ein
Alexander begnügte sich nicht, König von Gottes Gnaden zu
heissen: er nannte sich Sohn des Zeus selbst. So tritt seine
Gestalt in den Kreis der Kunstdarstellungen nicht wie ein
gewöhnliches Portrait, sondern wie das Bild, wenn nicht eines
Gottes, doch eines Heros. Ferner aber verlangt er von der
Kunst die Verherrlichung seiner eigenen Thaten, und hierdurch
muss sich allmählig neben der religiösen die historische Kunst
ausbilden. Wo finden wir in der früheren Zeit ein Werk,
welches sich mit der Schaar der Reiter vom Granikos, mit
Alexander auf der Löwenjagd vergleichen liesse? Solche
Aufträge waren lockende Aufgaben für den Künstler, und kein
Wunder also, wenn wir Männer ersten Ranges, vor allen
Lysipp, dann Leochares, Euphranor, im Dienste des Königs
finden. Nach Alexanders Tode erfolgt zwar zunächst der
Verfall seines einheitlichen Reiches; die Kämpfe seiner Feld-
herren erlauben denselben nicht, sofort an die Beschützung
der Kunst zu denken; und darin haben wir den Grund zu
suchen, weshalb in der nächsten Zeit nur von einigen Portrait-
statuen des Seleukos, Demetrios, Peukestes die Rede ist.
Sobald sich indessen die Herrschaft der Einzelnen befestigt,
wendet sich auch den Künsten die Aufmerksamkeit wieder zu;

1) Vitruv II, 8.

ihrer Blüthe: denn auch darin folgten diese Städte noch ihren
Vorbildern, dass sie vor allem auf die Schmückung ihrer Stam-
mesheiligthümer bedacht waren, oder wenigstens den Göttern
die Werke der Kunst weiheten. Selbst das Wunder dieser
Periode, das Mausoleum, möchte ich unter diesem Gesichtspunkte
auffassen: denn obwohl Grabmal, hatte es doch ganz den
Charakter eines Heroon und stellte sich schon durch die Stelle
auf welcher es erbaut war, als der Mittelpunkt der Heiligthü-
mer von Halikarnass dar 1).

Aber in der Mitte dieser Periode erfolgte ein gewaltiger
Umschwung in den politischen Verhältnissen durch den Sieg
der makedonischen Alleinherrschaft. Zwar ist diese selbst nur
von kurzer Dauer; aber sie hat in ihrem Gefolge fast überall
die Alleinherrschaft von Königen. Ein König aber macht an-
dere Forderungen an den Künstler, als ein wahrhaft republi-
canischer Staatsmann, selbst wenn dieser factisch die Macht
eines Königs ausübt. Er will selbst verherrlicht sein; und ein
Alexander begnügte sich nicht, König von Gottes Gnaden zu
heissen: er nannte sich Sohn des Zeus selbst. So tritt seine
Gestalt in den Kreis der Kunstdarstellungen nicht wie ein
gewöhnliches Portrait, sondern wie das Bild, wenn nicht eines
Gottes, doch eines Heros. Ferner aber verlangt er von der
Kunst die Verherrlichung seiner eigenen Thaten, und hierdurch
muss sich allmählig neben der religiösen die historische Kunst
ausbilden. Wo finden wir in der früheren Zeit ein Werk,
welches sich mit der Schaar der Reiter vom Granikos, mit
Alexander auf der Löwenjagd vergleichen liesse? Solche
Aufträge waren lockende Aufgaben für den Künstler, und kein
Wunder also, wenn wir Männer ersten Ranges, vor allen
Lysipp, dann Leochares, Euphranor, im Dienste des Königs
finden. Nach Alexanders Tode erfolgt zwar zunächst der
Verfall seines einheitlichen Reiches; die Kämpfe seiner Feld-
herren erlauben denselben nicht, sofort an die Beschützung
der Kunst zu denken; und darin haben wir den Grund zu
suchen, weshalb in der nächsten Zeit nur von einigen Portrait-
statuen des Seleukos, Demetrios, Peukestes die Rede ist.
Sobald sich indessen die Herrschaft der Einzelnen befestigt,
wendet sich auch den Künsten die Aufmerksamkeit wieder zu;

1) Vitruv II, 8.
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[427/0440] ihrer Blüthe: denn auch darin folgten diese Städte noch ihren Vorbildern, dass sie vor allem auf die Schmückung ihrer Stam- mesheiligthümer bedacht waren, oder wenigstens den Göttern die Werke der Kunst weiheten. Selbst das Wunder dieser Periode, das Mausoleum, möchte ich unter diesem Gesichtspunkte auffassen: denn obwohl Grabmal, hatte es doch ganz den Charakter eines Heroon und stellte sich schon durch die Stelle auf welcher es erbaut war, als der Mittelpunkt der Heiligthü- mer von Halikarnass dar 1). Aber in der Mitte dieser Periode erfolgte ein gewaltiger Umschwung in den politischen Verhältnissen durch den Sieg der makedonischen Alleinherrschaft. Zwar ist diese selbst nur von kurzer Dauer; aber sie hat in ihrem Gefolge fast überall die Alleinherrschaft von Königen. Ein König aber macht an- dere Forderungen an den Künstler, als ein wahrhaft republi- canischer Staatsmann, selbst wenn dieser factisch die Macht eines Königs ausübt. Er will selbst verherrlicht sein; und ein Alexander begnügte sich nicht, König von Gottes Gnaden zu heissen: er nannte sich Sohn des Zeus selbst. So tritt seine Gestalt in den Kreis der Kunstdarstellungen nicht wie ein gewöhnliches Portrait, sondern wie das Bild, wenn nicht eines Gottes, doch eines Heros. Ferner aber verlangt er von der Kunst die Verherrlichung seiner eigenen Thaten, und hierdurch muss sich allmählig neben der religiösen die historische Kunst ausbilden. Wo finden wir in der früheren Zeit ein Werk, welches sich mit der Schaar der Reiter vom Granikos, mit Alexander auf der Löwenjagd vergleichen liesse? Solche Aufträge waren lockende Aufgaben für den Künstler, und kein Wunder also, wenn wir Männer ersten Ranges, vor allen Lysipp, dann Leochares, Euphranor, im Dienste des Königs finden. Nach Alexanders Tode erfolgt zwar zunächst der Verfall seines einheitlichen Reiches; die Kämpfe seiner Feld- herren erlauben denselben nicht, sofort an die Beschützung der Kunst zu denken; und darin haben wir den Grund zu suchen, weshalb in der nächsten Zeit nur von einigen Portrait- statuen des Seleukos, Demetrios, Peukestes die Rede ist. Sobald sich indessen die Herrschaft der Einzelnen befestigt, wendet sich auch den Künsten die Aufmerksamkeit wieder zu; 1) Vitruv II, 8.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/440>, abgerufen am 24.11.2024.