Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.der Copie nicht leicht verwischt werden können; und unsere Noch um ein Glied weiter vermögen wir die Schule des Menelaos bezeichnet sich als Schüler des Stephanos auf [Abbildung]
C. I. Gr. n. 6166. Wir erblicken in derselben eine weiblicheFigur mittleren Alters in zutraulichem Gespräche mit einem noch nicht vollständig herangewachsenen Jünglinge. Von Er- klärungsversuchen giebt es eine ganze Menge: um von den gänzlich unhaltbaren zu schweigen, welche römische Namen vorschlagen, erwähne ich: Elektra und Orestes, Penelope und Telemachos, Aethra und Theseus. Für jede dieser Benennun- gen lassen sich gewisse Gründe aufführen, aber keine ist so schlagend, dass sie die anderen nothwendig ausschlösse und uns zu ihrer Annahme zwänge. Am meisten haben wir bei diesem Schwanken gewiss unsere eigene Unwissenheit anzu- klagen; einen kleinen Theil der Schuld dürfen wir aber auch dem Künstler beimessen, in sofern er eine bestimmte Hand- lung nicht scharf genug charakterisirt, sondern zu einem liebe- vollen Verhältniss zwischen Mutter und Sohn, oder älterer Schwester und Bruder im Allgemeinen verflacht hat, einem Verhältnisse, dem vom rein menschlichen Standpunkte zur Schönheit sicherlich nichts gebricht, das aber dennoch nur zu der Copie nicht leicht verwischt werden können; und unsere Noch um ein Glied weiter vermögen wir die Schule des Menelaos bezeichnet sich als Schüler des Stephanos auf [Abbildung]
C. I. Gr. n. 6166. Wir erblicken in derselben eine weiblicheFigur mittleren Alters in zutraulichem Gespräche mit einem noch nicht vollständig herangewachsenen Jünglinge. Von Er- klärungsversuchen giebt es eine ganze Menge: um von den gänzlich unhaltbaren zu schweigen, welche römische Namen vorschlagen, erwähne ich: Elektra und Orestes, Penelope und Telemachos, Aethra und Theseus. Für jede dieser Benennun- gen lassen sich gewisse Gründe aufführen, aber keine ist so schlagend, dass sie die anderen nothwendig ausschlösse und uns zu ihrer Annahme zwänge. Am meisten haben wir bei diesem Schwanken gewiss unsere eigene Unwissenheit anzu- klagen; einen kleinen Theil der Schuld dürfen wir aber auch dem Künstler beimessen, in sofern er eine bestimmte Hand- lung nicht scharf genug charakterisirt, sondern zu einem liebe- vollen Verhältniss zwischen Mutter und Sohn, oder älterer Schwester und Bruder im Allgemeinen verflacht hat, einem Verhältnisse, dem vom rein menschlichen Standpunkte zur Schönheit sicherlich nichts gebricht, das aber dennoch nur zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0611" n="598"/> der Copie nicht leicht verwischt werden können; und unsere<lb/> Meinung von dem Werth des Künstlers müsste dadurch nur<lb/> gehoben werden. — Da wir keinen andern Künstler des Na-<lb/> mens Stephanos kennen, so werden wir diesem, dem Schüler<lb/> des Pasiteles, die Marmorstatuen der Appiaden im Besitze des<lb/> Asinius Pollio (Plin. 36, 33) beilegen müssen, zumal da in<lb/> dessen Sammlung auch andere Werke der späteren Zeit sich<lb/> befanden. Vielleicht waren sie der Darstellung der appischen<lb/> Quellnymphe an einem Brunnen auf dem Forum des Caesar<lb/> verwandt (vgl. Jacobi myth. Wörterb. unter Appias).</p><lb/> <p>Noch um ein Glied weiter vermögen wir die Schule des<lb/> Pasiteles zu verfolgen:</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Menelaos</hi> bezeichnet sich als Schüler des Stephanos auf<lb/> einer Marmorgruppe der Villa Ludovisi:<lb/><figure/><lb/> C. I. Gr. n. 6166. Wir erblicken in derselben eine weibliche<lb/> Figur mittleren Alters in zutraulichem Gespräche mit einem<lb/> noch nicht vollständig herangewachsenen Jünglinge. Von Er-<lb/> klärungsversuchen giebt es eine ganze Menge: um von den<lb/> gänzlich unhaltbaren zu schweigen, welche römische Namen<lb/> vorschlagen, erwähne ich: Elektra und Orestes, Penelope und<lb/> Telemachos, Aethra und Theseus. Für jede dieser Benennun-<lb/> gen lassen sich gewisse Gründe aufführen, aber keine ist so<lb/> schlagend, dass sie die anderen nothwendig ausschlösse und<lb/> uns zu ihrer Annahme zwänge. Am meisten haben wir bei<lb/> diesem Schwanken gewiss unsere eigene Unwissenheit anzu-<lb/> klagen; einen kleinen Theil der Schuld dürfen wir aber auch<lb/> dem Künstler beimessen, in sofern er eine bestimmte Hand-<lb/> lung nicht scharf genug charakterisirt, sondern zu einem liebe-<lb/> vollen Verhältniss zwischen Mutter und Sohn, oder älterer<lb/> Schwester und Bruder im Allgemeinen verflacht hat, einem<lb/> Verhältnisse, dem vom rein menschlichen Standpunkte zur<lb/> Schönheit sicherlich nichts gebricht, das aber dennoch nur zu<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [598/0611]
der Copie nicht leicht verwischt werden können; und unsere
Meinung von dem Werth des Künstlers müsste dadurch nur
gehoben werden. — Da wir keinen andern Künstler des Na-
mens Stephanos kennen, so werden wir diesem, dem Schüler
des Pasiteles, die Marmorstatuen der Appiaden im Besitze des
Asinius Pollio (Plin. 36, 33) beilegen müssen, zumal da in
dessen Sammlung auch andere Werke der späteren Zeit sich
befanden. Vielleicht waren sie der Darstellung der appischen
Quellnymphe an einem Brunnen auf dem Forum des Caesar
verwandt (vgl. Jacobi myth. Wörterb. unter Appias).
Noch um ein Glied weiter vermögen wir die Schule des
Pasiteles zu verfolgen:
Menelaos bezeichnet sich als Schüler des Stephanos auf
einer Marmorgruppe der Villa Ludovisi:
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C. I. Gr. n. 6166. Wir erblicken in derselben eine weibliche
Figur mittleren Alters in zutraulichem Gespräche mit einem
noch nicht vollständig herangewachsenen Jünglinge. Von Er-
klärungsversuchen giebt es eine ganze Menge: um von den
gänzlich unhaltbaren zu schweigen, welche römische Namen
vorschlagen, erwähne ich: Elektra und Orestes, Penelope und
Telemachos, Aethra und Theseus. Für jede dieser Benennun-
gen lassen sich gewisse Gründe aufführen, aber keine ist so
schlagend, dass sie die anderen nothwendig ausschlösse und
uns zu ihrer Annahme zwänge. Am meisten haben wir bei
diesem Schwanken gewiss unsere eigene Unwissenheit anzu-
klagen; einen kleinen Theil der Schuld dürfen wir aber auch
dem Künstler beimessen, in sofern er eine bestimmte Hand-
lung nicht scharf genug charakterisirt, sondern zu einem liebe-
vollen Verhältniss zwischen Mutter und Sohn, oder älterer
Schwester und Bruder im Allgemeinen verflacht hat, einem
Verhältnisse, dem vom rein menschlichen Standpunkte zur
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